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GlaubeGlobal

"Es fehlt das Herz" - vierte Enzyklika von Papst Franziskus

24. Oktober 2024

In diesem Schreiben widmet sich das Kirchenoberhaupt der Frage, wie mehr Mitmenschlichkeit in der Welt erreicht werden kann. Manche sehen in der Enzyklika eine Art "geistliches Testament" des 87 Jahre alten Papstes.

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Papst Franziskus segnet bei einer Generalaudienz Mitte Oktober eine schwangere Frau
Papst Franziskus segnet bei einer Generalaudienz Mitte Oktober eine schwangere Frau Bild: Andrew Medichini/AP Photo/picture alliance

Papst Franziskus hat in seiner neuen Enzyklika zu mehr Empathie und Mitmenschlichkeit in der Welt aufgerufen. "Es fehlt das Herz", schreibt das römisch-katholische Kirchenoberhaupt in seiner vom Vatikan veröffentlichten Enzyklika "Dilexit nos". In dieser flüchtigen Welt sei es notwendig, wieder vom Herzen zu sprechen, "als dem Ort, wo in jedem Menschen, gleich welcher Herkunft und Lebensbedingung, alles zusammenkommt", wo all die Überzeugungen, Leidenschaften und Entscheidungen der Menschen verwurzelt seien, heißt es weiter in dem päpstlichen Rundschreiben.

"Dilexit nos" - "Er hat uns geliebt"

Das lateinische "Dilexit nos" heißt übersetzt "Er hat uns geliebt". Gemeint ist die Liebe Jesu zu den Menschen, die in der Enzyklika eine zentrale Rolle einnimmt und sich im Symbol des Herzens ausdrückt. Der Titel der Enzyklika bezieht sich auf einen Bibelvers im Neuen Testament aus dem Römerbrief des Apostels Paulus. Der Text besteht aus 220 Artikeln, in der deutschen Version hat er gut 50 Seiten und ist damit kürzer als vorherige Enzykliken. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung fällt mitten in die Schlussberatungen der Weltsynode, die noch bis Samstag an einem Abschlusspapier mit Empfehlungen für Kirchenreformen arbeitet, über die der Papst entscheiden muss.

Zahlreiche - von hinten fotografierte Bischöfe - bei der Eröffnung der Weltsynode Anfang Oktober im Vatikan
Versammlung von Bischöfen anlässlich der Eröffnung der Weltsynode Anfang Oktober im Vatikan Bild: Gregorio Borgia/AP Photo/picture alliance

In Kirchenkreisen wird die Enzyklika als "geistliches Testament" des 87-Jährigen bezeichnet. Obwohl sie in erster Linie spirituellen und moralischen Charakter hat, spiegeln ihre Aussagen zu sozialer Gerechtigkeit, Umweltfragen und globaler Solidarität auch politische Anliegen von Franziskus wider. Er beklagt aktuelle Kriege, bestehende sozioökonomische Ungleichheiten und Technologien, die die Menschlichkeit bedrohen - Themen, die er zuvor schon in öffentlichen Reden angesprochen hat.

Papst Franziskus begrüßt per Handschlag den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu einer Privataudienz
Papst Franziskus empfängt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Mitte Oktober zu einer Privataudienz Bild: Vatican Media/AP/picture alliance

Die Enzyklika bringt die Sorge des Papstes um eine Menschheit zum Ausdruck, in der es an Nächstenliebe und Geschwisterlichkeit mangelt und in der Egoismus und Individualismus herrschen. Eine Rückbesinnung auf Liebe und Solidarität sieht Franziskus als Heilmittel für "eine Gesellschaft, die zunehmend von Narzissmus und Selbstbezogenheit beherrscht wird". Er spricht davon, dass Menschen zu "Sklaven eines Machtsystems" würden, das sich nicht für den Sinn des Lebens interessiere. Allein die Liebe von Jesus Christus stehe außerhalb "dieses abartigen Räderwerks", wie er das Machtsystem bezeichnet.

"Keine Flucht in prunkvolle Rituale"

Zum Schluss seiner Enzyklika ruft der Papst die Gläubigen dazu auf, die Würde jedes Menschen anzuerkennen und gemeinsam Verantwortung für ihre Umwelt zu übernehmen. Auch die Kirche selbst habe eine Rückbesinnung auf die Liebe nötig. Anstelle der Liebe seien "vergängliche Strukturen, Zwangsvorstellungen vergangener Zeiten, Anbetung der eigenen Gesinnung oder Fanatismus aller Art getreten", kritisiert Franziskus.  Das christliche Lebensmodell sei attraktiv, wenn es ganzheitlich gelebt werde: "nicht als bloße Zuflucht in religiöse Empfindungen oder in prunkvolle Rituale". 

Erzbischof Bruno Forte stellt die Enzyklika von Papst Franziskus bei einer Pressekonferenz vor
Erzbischof Bruno Forte stellt "Dilexit nos"- die vierte Enzyklika von Papst Franziskus - bei einer Pressekonferenz vor Bild: Alessandra Tarantino/AP Photo/picture alliance

Der Erzbischof der italienischen Diözese Chieti-Vasto, Bruno Forte, sagte bei der Vorstellung des päpstlichen Schreibens, der Text sei ein Schlüssel zur Interpretation des Lehramtes von Franziskus. Dieser hatte bereits drei Enzykliken vorgelegt: gleich nach seiner Wahl 2013 den Text "Lumen fidei - Licht des Glaubens", an dem schon sein deutscher Vorgänger Benedikt XVI. gearbeitet hatte. 2015 folgte eine viel beachtete Umwelt-Enzyklika ("Laudato si - Über die Sorge für das gemeinsame Haus") und 2020 "Fratelli tutti - Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft". Damit rief er zu Frieden und Solidarität zwischen allen Völkern und Religionen auf.

Eine Enzyklika ist an die katholische Weltkirche mit ihren etwa 1,4 Milliarden Gläubigen gerichtet sowie an "alle Menschen guten Willens". Die Schreiben gelten als Ausdruck der obersten Lehrgewalt des Papstes. Benannt werden sie normalerweise nach den ersten lateinischen Worten des gesamten Textes.

sti/wa (dpa, epd, kna)