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Erwartet die Bundesliga ein heißes Wochenende?

6. März 2020

Die Fangruppen der Bundesliga kündigen neue Protestaktionen an und machen deutlich, dabei auch Spielabbrüche in Kauf zu nehmen. Trotz Dialogbemühungen stehen die Zeichen auf Eskalation - denn das Zerwürfnis geht tief.

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Fans aus Köln zünden Pyrotechnik zu Spielbeginn
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch

Es war mehr als ein Funke, der da von den Tribünen auf den Platz übersprang. Eine hellrot leuchtende Fackel lag plötzlich auf dem Rasen des Paderborner Stadions. Direkt vor dem Kölner Block loderte das künstliche Feuer so stark, dass sich der herbeigeeilte Ordner verständlicherweise nicht traute, den Gegenstand vom Spielfeld zu entfernen. Eine kurze Unterbrechung des Spiels SC Paderborn - 1. FC Köln 1:2 (0:2), dann konnte es weitergehen. Dabei war Schlimmeres zu befürchten.

Fans wollen erneut gegen Kollektivstrafen protestieren

Die Fanszene hatte vor dem Freitagabendspiel neue Proteste für den 25. Spieltag der Bundesliga angekündigt. Der Zusammenschluss "Fanszenen Deutschlands" machte auf seiner Webseite klar, dass es auch an diesem Wochenende zu Unmutsbekundungen der Anhänger kommen werde. In Paderborn blieb es bei einer brennenden Bengalostange auf dem Rasen. Die Szene ist nichts ungewöhnliches an einem Bundesligaspieltag, Pyrotechnik schafft es immer wieder in die Stadien. Die mehrere Hundert Grad heißen Fackeln gehören für die einen verboten, für die anderen zur Fankultur. Aktuell nimmt allerdings kaum jemand von ihnen Notiz, der deutsche Fußball hat größere Probleme.

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Der Streit zwischen den Fankurven und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) sowie der Deutschen Fußball Liga (DFL) hat einen neuen Höhepunkt erreicht.

Nach den Schmähungen von Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp am vergangenen Wochenende, mit denen die Fans auch gegen die Kollektivstrafen des DFB protestierten, sollte unter der Woche der Dialog gesucht werden. Am Donnerstag trafen DFB und DFL einige Fanvertreter bei einem Krisengipfel. Der Tenor war weitgehend konstruktiv. Doch nur einen Tag später zeigte sich, dass es auch andere Stimmen in der Fanszene gibt: "Wir Fans werden die Praxis vom letzten Spieltag nicht einfach so hinnehmen und im Zweifel weiter Unterbrechungen und auch Abbrüche in Kauf nahmen", hieß es in einer Stellungnahme der "Fanszenen Deutschlands" mit dem markigen Titel "Kollektivstrafen zum 'Schutze' eines Milliardärs - der DFB zeigt erneut sein wahres Gesicht".

Die Fanszene ist heterogen

Wie passt das zusammen? Bei näherer Betrachtung sind die Fangruppen sehr divers und nicht mit einer organisierten Verbandsstruktur zu vergleichen. Nicht nur, dass die Ultras sich vor allem nur ihrem Verein zugehörig fühlen, macht es schwierig, von einer einheitlichen Fanszene zu sprechen. Auch die sozio-kulturellen und politischen Hintergründe unterscheiden sich erheblich. Man muss die Fanszenen Deutschlands also im Plural betrachten und ihre Heterogenität vor allen Deutungsansätzen berücksichtigen.

Fußball DFB-Pokal Bayer 04 Leverkusen - 1. FC Union Berlin Plakat Hopp
Eines der harmloseren Plakate - Dietmar Hopp als Symbolfigur der KommerzialisierungBild: picture-alliance/dpa/F. Gambatrni

Die lose Organisation „Faszination Fankurve" behauptet von sich, dass die meisten Ultragruppierungen zu ihr gehören und kritisierte den organisierten Fußball in Deutschland in dem offenen Brief scharf: Man sei „an maximalem Profit orientiert", habe "ein mittelalterliches Rechtsverständnis" und setze sich nicht ernsthaft mit der jahrelangen Kritik der Fans auseinander. Der Frust der Fans sitzt tief. Und es folgten bereits Taten: Beim Zweitligaspiel des 1. FC Nürnberg gegen Hannover 96 protestierten die Fans des Gastgebers am Freitagabend mit einem Plakat gegen den DFB: „Bei einem alten, weißen Milliardär seid ihr betroffen. Bei Toten in Katar feiert ihr trotzdem: Dumme, verlogene Heuchler", stand auf einem Transparent, andere zeigten das Logo des DFB in einem Fadenkreuz. Auch Dietmar Hopp, der für viele Fans Symbolfigur der Kommerzialisierung im Fußball ist, wurde mit Spruchbändern angegangen. Heim- und Gästefans stimmten gemeinsam Schmähgesänge auf den DFB an.

Viel Kritik für die Ultras

Letzteres ist in deutschen Stadien keine Seltenheit. Der Riss zwischen Fans und Verband geht tief und hat eine lange Vorgeschichte. Für ihre Beleidigungen von TSG-Mäzen Hopp ernteten die Ultras am vergangenen Wochenende selbst viel Kritik - von Funktionären, Spielern, Medien und auch anderen Fans. Wer den Diskussionen in den sozialen Netzwerken rund um die Vorfälle folgte, konnte zu dem Eindruck gelangen: Die Ultras fühlen sich missverstanden, nicht ernst genommen und die Kritik stachelt sie nur noch mehr an. Beobachter sprechen längst von einer Machtprobe im deutschen Fußball.

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Zwei Spiele rücken am 25. Spieltages besonders in den Fokus: Bei Schalke 04 gegen die TSG Hoffenheim (Samstag, 15.30 Uhr MEZ) und Borussia Mönchengladbach gegen Borussia Dortmund (Samstag, 18.30 Uhr MEZ) scheinen die Fans Protestaktionen zu planen. Wie genau der Protest am Wochenende aussieht, ließen die Ultras offen. Von kreativem Protest, wie man ihn unter der Woche im DFB-Pokal sehen konnte, bis hin zu einer weiteren Eskalation mit Spiel-Abbrüchen scheint alles möglich.

Ein Zerwürfnis auf vielen Ebenen

Die Sensibilität bei den Schiedsrichtern dürfte nach den Vorfällen vom letzten Wochenende gegeben sein. In mehreren Stadien kam es zu Unterbrechungen durch die Unparteiischen, nachdem es auf den Rängen Beleidigungen gegen Dietmar Hopp gegeben hatte. Dass die Schiedsrichter bei rassistischen Diskriminierungen von Spielern in der Vergangenheit nicht mit ähnlicher Konsequenz durchgegriffen hatten, ist ein weiterer Kritikpunkt der Ultragruppen.

Unterstützung erhielten die Fans dabei von Union Berlins Präsident Dirk Zingler, der kritisierte, dass der DFB "den Kontakt zu und das Verständnis für die Mehrheit der Fußballfans, insbesondere der Stadionbesucher, verloren" habe. Symbol sei dafür die deutsche Nationalmannschaft, die „mit ganz viel Marketing" zu einem Bild aufgebaut werden sollte, "dass nichts mit der Realität in den Stadien zu tun hat".

Das Zerwürfnis zwischen Fans und Verband hat so viele Ebenen, dass mit einer schnellen Beilegung des Streits nicht zu rechnen ist.