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Erdogan: Der Westen unterstützt Terrorismus

2. August 2016

In einer vom TV übertragenen Rede hat der türkische Präsident westlichen Ländern unterstellt, als Unterstützer von Terrorismus und Staatsstreichen zu agieren. Vor allem Deutschland und die USA bekommen ihr Fett weg.

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vor Wirtschaftsvertretern in Ankara (Foto: "picture-alliance/AP Photo/Presidential Press Service/K. Ozer)
Bild: picture-alliance/AP Photo/Presidential Press Service/K. Ozer

Es stelle sich die Frage, was für eine Art von strategischer Partnerschaft die Türkei und die USA unterhielten, wenn die Regierung in Washington die Auslieferung des islamischen Predigers Fethullah Gülen verweigerten, sagte Recep Tayyip Erdogan in einer Rede vor Wirtschaftsvertretern in seinem Palast. Die Rede wurde vom Fernsehen ausgestrahlt. Die USA und die Türkei sind beide Mitglieder der NATO.

Gegen die Gülen-Bewegung

Die Gülen-Bewegung gilt in der Türkei als Terror-Organisation. Der türkische Staatschef beschuldigt Gülen, den Putsch vor zwei Wochen angezettelt zu haben. In der Türkei wurden seit dem Putschversuch Gülen-Einrichtungen geschlossen und Tausende Menschen festgenommen, entlassen oder suspendiert, denen Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen wird. Der seit 1999 in den USA im Exil lebende Gülen weist jede Verwicklung in den Umsturzversuch zurück. Erdogan dagegen sagte, ohne einen Umbau des türkischen Militärs würden Anhänger Gülens erneut versuchen, das Kommando über die Armee zu übernehmen.

Erdogans Feind, der Prediger Fethullah Gülen (Foto: Reuters/G. Savoy)
Erdogans Feind, der Prediger Fethullah GülenBild: Reuters/G. Savoy

Gegen Deutschlands Justiz

Erdogan attackierte auch die deutsche Justiz, die ihm untersagt hatte, sich während der Kölner Großdemonstration am Sonntag per Videobotschaft an seine Anhänger zu richten. Anführern der von Ankara als Terror-Organisation eingestuften Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sei dies hingegen kürzlich erlaubt worden. "Bravo! Die deutschen Gerichte arbeiten sehr schnell", kommentierte Erdogan die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Als seine Regierung hingegen den deutschen Behörden eine Liste mit den Namen von 4000 militanten Regierungsgegnern geschickt habe, habe sie keine Antwort erhalten.

Gegen die Armee

Die türkische Regierung entzog den Streitkräften derweil weitere Befugnisse. Fabriken und Werften, die bislang vom Generalstab kontrolliert worden seien, unterstünden nun der Regierung, sagte Ministerpräsident Binali Yildirim im Parlament. Zugleich betonte er, dass der seit dem Umsturzversuch Mitte Juli eingeleitete Umbau die Armee nicht schwäche. Vielmehr werde der Fokus auf Aktivitäten verlagert, die für die nationale Sicherheit notwendig seien.

Erst am Wochenende hatte Erdogan angekündigt, die Streitkräfte vollständig unter direkte staatliche Kontrolle zu bringen. Mehr als 1000 Militärangehörige wurden bereits wegen mutmaßlicher Verbindungen zum angeblichen Drahtzieher des Umsturzversuchs, Fethullah Gülen, entlassen. Insgesamt wurden bislang mehr als 60.000 Soldaten, Polizisten, Beamte und Lehrer suspendiert, entlassen oder verhaftet. Westliche Kritik hat Erdogan entschieden zurückgewiesen.

Der türkische Geheimdienstchef Hakan Fidan (Foto: A. Altan/AFP/Getty Images)
Der türkische Geheimdienstchef Hakan FidanBild: A. Altan/AFP/Getty Images

Gegen den Geheimdienst

Die türkische Führung plant auch, die Spionage im Inland und im Ausland einem Bericht zufolge künftig voneinander trennen. Wie die Zeitung "Hürriyet" berichtete, soll der Nachrichtendienst MIT in einen Inlands- und einen Auslandsgeheimdienst aufgesplittet werden. Bei der Einheit für das Ausland soll demnach außerdem eine Koordinierungsstelle für beide Sektionen eingerichtet werden, die zusätzlich noch eigene Geheimdienstanalysen erstellt. Der Auslandsgeheimdienst soll künftige direkt der Präsidentschaft verpflichtet sein, heißt es in "Hürriyet" weiter.

Der Geheimdienst war im Zuge des gescheiterten Militärputsches in der Türkei vor zweieinhalb Wochen in die Kritik geraten. So soll Geheimdienstchef Hakan Fidan Stunden vor dem Umsturzversuch über die anstehende Revolte informiert gewesen sein. Er soll Erdogan, der seitdem massiv gegen die vermeintlichen Putschisten und ihre Verbündeten vorgeht, aber nicht darüber informiert haben. "Hürriyet" zufolge sollen sich nun Polizei und Gendarmerie um die inneren Angelegenheiten kümmern und direkt dem Innenministerium Bericht erstatten.

Gegen das Gesundheitssystem

Schließlich scheint auch das türkische Gesundheitssystem ins Visier der Führung zu rücken. Gegen rund hundert Angestellte des größten Militärkrankenhauses in Ankara seien Haftbefehle ausgestellt worden, erklärte ein Regierungsvertreter - auch gegen Ärzte. Der Sender NTV berichtete ebenfalls von Polizeirazzien zu diesem Zweck in der Militär-Medizinischen Akademie Gülhane. Der Regierungsvertreter sagte dazu, dem Klinikpersonal werde vorgeworfen, Gülen-Anhängern den Eintritt in die Armee und den dortigen Karriereaufstieg erleichtert zu haben, indem vorteilhafte Gesundheitszeugnisse ausgestellt worden seien.

sti/uh (afp, dpa, rtr)