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Zu Besuch bei Emmanuel Macrons Schneider

Kevin Tschierse
28. April 2022

In Paris war DW-Autor Kevin Tschierse auf der Suche nach einem Anzug - und geriet dabei zufällig an den Schneider des französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

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Montage: Macrons Anzugsmacher und ein Wahlplakat von Emmanuel Macron
Macrons Anzugsmacher Laurent Touboul in seiner Pariser Boutique mit einem Modell der Jacke des frisch wiedergewählten Präsidenten

Was trägt man zu einer Hochzeit in Paris? Diese Frage stellte ich mir, als ich im März in die Stadt der Liebe kam, um den besonderen Tag einer meiner besten Freundinnen zu feiern. Ich reiste ohne Anzug an, nur mit Lackschuhen im Gepäck. In Paris angekommen, gab mir ein ausgesprochen gut gekleideter Bekannter den Tipp: "Geh doch zu Macrons Anzugmacher." Er erzählte mir, dort gäbe es erschwingliche Anzüge für festliche Anlässe. Der Name: Jonas & Cie.

Macron machte Jonas & Cie berühmt

Also machte ich mich kurzerhand auf in das traditionelle Textilviertel von Paris. Das Sentier-Viertel liegt unweit vom Louvre und trägt den Beinamen "Silicon Sentier", weil sich hier viele Internet-Firmen und Start-ups niedergelassen haben. Smarte Menschen, die sich smart kleiden also. Für Jonas & Cie könnte die Lage nicht besser sein, um Kundschaft zu bekommen. 

Emmanuel Macron mit seiner Frau Brigitte winkt am Wahlabend der Menge zu
Emmanuel Macron trug bei der Wahlparty am Eiffelturm am 24.04.2022 einen Jonas-&-Cie-Anzug Bild: Aurelien Meunier/Getty Images

Das Geschäft liegt in einer menschenleeren Seitenstraße hinter einer unscheinbaren Tür. Es gibt weder einen Show-Room noch eine Boutique, die von der Straße aus sichtbar wäre. Hatte ich mich in der Adresse vertan? Erst nachdem ich ein paar mal an der Eingangstür vorbeigelaufen war, vernahm ich ein reges Treiben, das durch die geöffneten Fenster zur Straße hinunterschallte. In der ersten Etage schien viel los zu sein. Dann fiel mir auch der Schriftzug auf: Jonas & Cie. Ich hatte ihn gefunden, Macrons Anzugmacher.

Laurent Touboul sitzt vor seinen Anzügen
Laurent Touboul hat Jonas & Cie von seinem Vater übernommen, der das Geschäft 1984 gründeteBild: Kevin Tschierse/DW

Laurent Touboul, der Besitzer von Jonas & Cie, erwartete mich bereits. Ich hatte ja einen Termin mit ihm ausgemacht. Er begrüßte mich freundlich und wir waren sofort beim Du. Er war aber noch beschäftigt und verschwand im Ankleidezimmer bei einem Kunden. Sein Mitarbeiter offerierte mir in der Zwischenzeit einen Espresso. Ich wartete im Eingangsbereich, der gesäumt ist mit Fotos berühmter Persönlichkeiten in schicken Maßanzügen. Sie hängen dort wie Trophäen.

Macron kauft schon lange günstige Anzüge

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist Stammkunde seit 2016. "Viele unserer Kunden sind Minister", sagte mir Laurent später. Aber auch Schauspieler, Sänger, Moderatoren und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens würden sich von ihm einkleiden lassen. Seit 1984 bietet das Unternehmen Anzüge zu vergleichsweise günstigen Preisen an.

Emmanuel Macron kam das erste Mal zu Laurent, als er noch Wirtschaftsminister unter dem ehemaligen Präsidenten François Hollande war. "Einer seiner Mitarbeiter und langjähriger Kunde von mir hat mich damals kontaktiert und gefragt, ob ich seinen Chef einkleiden könnte. Ich sagte ihm: mit Vergnügen!", berichtete Laurent stolz.

Kleider machen Leute, Anzüge Präsidenten

Dass sich Macron einen in den Augen der französischen Gesellschaft günstigen Anzugmacher organisiert hat, war auch politisches Kalkül. Denn vor der Präsidentschaftswahl im Jahr 2017 achtete die Presse besonders stark auf die Lebenswelten der Politiker. Macrons stärkster Kontrahent François Fillon, der monatelang als Favorit für das Präsidialamt galt, stolperte in einen Korruptionsskandal, der auch seine teuren Anzüge involvierte. "Journalisten haben während des Wahlkampfes 2017 enorm viel über die Anzüge von François Fillon berichtet und sie mit den Anzügen von Macron verglichen. Der hat schon damals bei uns Anzüge für weniger als 400 Euro gekauft. Fillons Anzüge waren um ein vielfaches teurer." Macron war somit im wortwörtlichen Sinne aus dem Schneider.

Frühere Präsidenten, wie François Mitterrand, Jacques Chirac oder Giscard d'Estaing haben viel Geld für ihre Anzüge ausgegeben. Doch die Zeiten ändern sich. Es wäre heute fatal für einen Politiker, überteuerte Anzüge zu kaufen, meinte Laurent. "Viele Franzosen haben Schwierigkeiten am Monatsende ihre Rechnungen zu bezahlen. Wenn sie dann sehen, dass ein Präsident oder ein Minister 5000 oder 10.000 Euro für einen Anzug ausgibt, fassen sie sich an den Kopf und sagen: 'Das ist unmöglich! Das ist nicht vernünftig. Das ist nicht anständig.' Man würde das sofort anprangern."

Politische Mode-Codes

Macron sei bei den Anproben sehr umgänglich, verriet Laurent. Er habe wenig Extrawünsche und sei offen für Vorschläge. Doch bei einer Stilfrage müsse Laurent meistens nachgeben: bei der Farbwahl. "Der Präsident trägt sehr oft marineblaue Anzüge, dazu eine marineblaue Krawatte und schwarze Schuhe. Das ist ein bisschen der Code der Politiker und der jungen Leute, die in die Arbeitswelt eintreten, bei Banken, in der Finanzwelt, in der Wirtschaftsprüfung." Marineblau sei eine Trendfarbe, so Laurent. "Sieben von zehn Anzügen, die wir verkaufen, sind marineblau." Auch am Abend der Präsidentschaftswahl trug Macron einen marineblauen Anzug. Für den neu gewählten Präsidenten wünschte sich der Schneider, dass Macron "seine Arbeit mit Kühnheit und Erfolg fortsetzen kann."

DW-Autor Kevin Tschierse bei der Anprobe eines Anzugs
DW-Autor Kevin Tschierse bei der Anprobe seines Hochzeit-AnzugsBild: Kevin Tschierse/Jonas & Cie

Ich jedenfalls bin zufrieden mit meinem Pariser Souvenir. Bei der Hochzeitsfeier kam die Anekdote gut an, dass ich einen Anzug vom Schneider des Präsidenten trug. Und sogar der Bräutigam hatte einen Jonas & Cie zur Trauung in der Synagoge an.