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Das Disgusting Food Museum: Was ist Ekel?

Philipp Jedicke
8. Juli 2021

Ein Museum in Berlin präsentiert ungewöhnliche Gerichte - darunter Euterschnitzel, Frosch-Smoothie und Mäusewein. Geschmäcker sind eben regional verschieden.

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Exponat im Disgusting Food Museum: Schlangen in Reiswein
"Habushu" aus Japan: Schlangen werden bis zur Ohnmacht gekühlt und lebend in Reiswein eingelegtBild: DFM Berlin

Na? Wird Ihnen schon beim Artikelbild schlecht? Schlangenwein ist bestimmt nicht für jeden etwas, aber in seiner Herkunfstregion in China erzeugt er keinen Ekel. Wo einem Mensch das Wasser im Mund zusammenläuft, bekommt der nächste Brechreiz. Und Ekel kann völlig verschiedene Auslöser haben: Mal ist es die Gestalt, mal der Geruch, der Geschmack oder die Produktionsweise eines Gerichts.

Exponat im Disgusting Food Museum: Tomatensaft mit einem Auge darin
Kuckuck! Tomatensaft mit Augapfel vom Schaf, auch bekannt als "Mongolische Mary"Bild: DFM Berlin

Das Disgusting Food Museum, das Ende Mai in Berlin seine Pforten geöffnet hat, stürzt sich mit Humor und Anspruch ins Thema und zeigt in 80 Exponaten internationale Gerichte wie Bullenpenis, gegrillten Hund oder Kuhblut. Einige Gerichte können auch im Museumsshop erworben oder direkt vor Ort an der Tasting Bar gekostet werden.

Ausstellungssaal des Disgusting Food Museums: Exponate auf Metalltischen
Kathedrale des Ekels: Blick in den AusstellungssaalBild: DFM Berlin

Die Ausstellung hatte ihren Ursprung 2018 im schwedischen Malmö, wo sie mit viel Medienaufsehen eröffnet wurde. Entwickelt wurde sie von Museumsdirektor Martin Völker und Kurator Samuel West mit dem Ziel, über Ekel ins Gespräch zu kommen. 

Ein schrumpeliger, mehrere Monate gepökelter, zugebundener Magen
Gibt's eher selten beim Italiener: mit Muttermilch gefüllter Magen vom Zicklein aus SardinienBild: DFM Berlin

Statt eines Tickets wird den Besucherinnen und Besuchern am Eingang eine Spucktüte gereicht - ob Sie sie brauchen werden oder nicht, kommt ganz auf Ihre individuelle Ekelschwelle an. Man kommt jedenfalls sehr nah ran an die Objekte, kann Fotos von ihnen machen und daran riechen - zum Beispiel an einem fermentierten Hai aus Island.

Die Exponate sind nicht nach Ländern sortiert, sondern nach Art der Lebensmittel. "Man kann es quasi wie ein Menü aus mehreren Gängen erleben", sagt Direktor Martin Völker. Zuerst kommen die Getränke. Dazu gehören "Bibergeil", ein Schnaps, der mit dem Aroma aus den Analdrüsen des Bibers angereichert wird, oder Eierlikör aus Straußeneiern.

Exponat Disgusting Food Museum: ein Glasbehälter voller toter Mäusebabys in Wein
Mäusewein ist eine "Medizin" aus China: tote Baby-Mäuse, eingelegt in WeinBild: DFM Berlin

Viele der Exponate wirken auf Mitteleuropäer komplett exotisch, wie zum Beispiel gegrilltes Meerschweinchen, ein Frosch-Smoothie, Schnitzel aus dem Euter einer Kuh oder Milbenkäse: "Wir ekeln uns vor Sachen, die uns fremd sind oder zu nah", sagt Ernährungswissenschaftlerin Bastienne Neumann in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. "Wir würden hier keinen Hund essen, weil der uns zu nah ist." In Indien hingegen sei es unvorstellbar, die heilige Kuh zu essen.

Einen kolonialistisch anmutenden Blick auf den Rest der Welt vermeiden die Macher geschickt, indem sie den internationalen Exponaten ähnlich bizarre deutsche Gerichte wie Gänsestopfleber oder "Tote Oma" (Grützwurst mit Kartoffeln) gegenüberstellen. 

Aufgereihte Konservendosen mit Aufschriften wie "Tote Oma: Grützwurst mit Kartoffeln"
Ekel in Dosen: Der "Wall of Disgust" im Disgusting Food MuseumBild: DFM Berlin

Doch die Erforschung und Relativierung des Ekelbegriffs ist nicht die einzige Mission des Museums und seines Direktors. "Wir triggern die Leute mit dem Begriff Ekel", so Martin Völker. Er wolle jedoch mit der Ausstellung nicht nur Aufmerksamkeit erreichen, sondern zu Themen wie Nachhaltigkeit und Tierwohl aufklären. Daher werden für die Ausstellung auch keine Tiere getötet.

In der Pressemappe des Museums heißt es: "Ekel und Tierwohl bzw. Tierleid hängen zusammen. Unsere Exponate zeigen, welchen Schaden wir auch der tierischen Umwelt zufügen für das, was wir gern essen oder trinken." Eine der Fragen, die die Ausstellung aufwirft, lautet auch: Was und wie wollen wir in Zukunft essen? Vielleicht kann die Erweiterung oder Veränderung der persönlichen Ekelgrenze dazu beitragen, dass wir uns in Zukunft anders ernähren und neue Wege finden, um ökologisch nachhaltiger zu leben.