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"Einstein on the Beach" - Wiederaufführung der Oper in Berlin

21. September 2001

Das Meisterwerk der Minimal-Musik-Oper von Philip Glass und Robert Wilson wird in der ehemaligen "Staatsbank" der DDR in Berlin neu aufgeführt.

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Es gibt kein Libretto, keine Figuren, nur Zahlen und Silben, die Tonhöhen angeben, und visuelle Vorstellungen. "Einstein on the Beach" ist ein Meisterwerk der Minimal-Musik-Oper. Das Gemeinschaftswerk von Philip Glass und Robert Wilson revolutionierte in den 70er Jahren das Musiktheater. Die letzte Inszenierung von Achim Freyer, 1989 an der Stuttgarter Oper, war so misslungen, dass Glass und Wilson ein Aufführungsverbot verhängten. Jetzt gelang es der Künstlergruppe "Labor für angewandte Musik", Robert Wilson von ihrem Konzept zu überzeugen. "Einstein on the Beach" wird nun in der ehemaligen "Staatsbank" der DDR in Berlin neu aufgeführt.

Als idealen Aufführungsort für die Oper "Einstein on the Beach" will Regisseur Berthold Schneider die ehemalige "Staatsbank" der DDR sofort erkannt haben, als er die Räumlichkeiten erstmals betrat. Die Herausforderung, das Stück neu zu inszenieren, hat die Künstlergruppe "Labor für angewandte Musik" mit einem spannungsvollen Experiment gemeistert.

Hiroshima im Blick

Angefangen hatte alles in einem New Yorker Café, wo sich der Komponist Philip Glass und der Theatermann Robert Wilson kennen lernten. Die Idee eines Gemeinschaftsprojektes wurde geboren, obwohl zunächst nur klar war, dass das Stück überlang sein und eine große Persönlichkeit im Zentrum stehen sollte. Chaplin, Hitler und Gandhi wurden zu Gunsten des großen Mathematikers und Musikliebhabers Albert Einstein verworfen. Beide Künstler waren Bewunderer Einsteins, in den Nachkriegsjahren aufgewachsen und standen noch stark unter dem Eindruck der nuklearen Katastrophe Hiroshima. So wurde die Oper "Einstein on the Beach" als metaphysischer Blick auf den Humanisten und Wissenschaftler und seine unheilvolle Entdeckung intendiert.

Musiktheater neu definieren

Bei einer Gesamtlänge von über vier Stunden, wurde jede Szene auf 20 Minuten Länge konzipiert. Dem Lichtmagier Robert Wilson schwebte vor allem ein radikaler Bruch mit dem traditionellen Musiktheater vor. Daher sollte das Stück nicht nach einem Libretto, sondern eher nach dem Plan eines Architekten gebaut werden. Das hieß, die Struktur der Musik ganz in Bühnenaktionen und Lichtinszenierungen zu verweben. Vorhanden waren nur die von Robert Wilson angefertigten Skizzen, die Philip Glass dann in Musik umsetzte. Die Oper, die ihre Uraufführung 1976 mit bescheidensten Mitteln in Avignon erlebte, markierte einen Meilenstein in der jüngeren Musikgeschichte.

Einstein heute

Berthold Schneider aktualisiert das Opernwerk jetzt als Stück über die "Zeit als erlebbares Phänomen". Unsterblichkeitsfantasien der 70er Jahre aus Kernphysik und Raumfahrt werden darin mit heutigen Zukunftsträumen der Gentechnologie konfrontiert. Die Neufassung setzt vor allem zeitgenössische Medien wie Video, Installation, Fotografie und Lichtdesign ein. Anstelle eines Bühnenbildes wie bei Wilson/Glass gestalteten bildende Künstler in Kooperation mit Wissenschaftlern mehrere Räume als Aufführungsorte.

"Die Bühne bewegt sich"

Der Besucher erlebt die Aufführung mehr als Ausstellung, er geht von Raum zu Raum, in jedem von dem zwar simultan die Musik erklingt, diese aber in jeweils neuen Kontexten, anders erfahrbar wird.

"Von jeweils einem festgelegten Standort aus zeigt sich dem Betrachter ein Bild: eine Treppe, ein Gitter, eine geometrische Form. Bei Verlassen dieses Punktes zerfällt diese Illusion in eine relativ hilflos in den Raum verhaltene, verzerrt-rhythmische Formenverteilung ... Der Betrachter tritt in Interaktion mit der Arbeit: Während er sich im Raum um (einen) definierten Punkt bewegt, verändert er die Erscheinung der Zeichnung."

Im Gegensatz zum statischen Bühnen-Konzept bewegt sich der Zuschauer wie in einem Netz mit akustischen und visuellen Ebenen.