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PolitikNahost

Frauenrechte in Jordanien: "Wir tun das für unsere Töchter"

6. Februar 2022

Die jordanische Verfassung spricht den Frauen nach einer Änderung ausdrücklich dieselben Rechte zu wie Männern. Frauenrechtlerinnen sehen darin einen Fortschritt, fordern jedoch weitere Reformen.

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Jordanien Amman | Königin Rania Al-Abdullah
Engagiert für Frauenrechte: die jordanische Königin RaniaBild: Joe Giddens/PA Wire/picture alliance

Frauenrechtlerinnen in Jordanien haben eine vornehme Verbündete: Königin Rania, die Frau von König Abdullah II, setzt sich seit Jahren für die wirtschaftliche und politische Förderung von Frauen sowie deren rechtlichen Schutz ein.

"Empowerment" hat sie eines ihrer zentralen Anliegen auf ihrem Instagram-Kanalüberschrieben, sich selbst beschreibt sie auf ihren Social-Media-Kanälen so: "Eine Mutter und eine Ehefrau mit einem wirklich coolen Tagesjob."

Königin Rania zählt in ihrem Königreich auch zu den prominentesten Befürwortern einer erst kürzlich vollzogenen Verfassungsänderung: die Änderung von Artikel 6. Dieser sieht nun explizit die Gleichberechtigung der Geschlechter vor: "Jordanische Männer und Frauen sind vor dem Gesetz gleich. Sie dürfen in ihren Rechten und Pflichten nicht aufgrund ihrer Rasse, Sprache oder Religion diskriminiert werden." Auf der englischsprachigen  Online-Präsenz der jordanischen Senatskammer war der Gesetzestext freilich zunächst noch nicht aktualisiert worden.

Faustkampf im Parlament

Mit der Reform sei viel erreicht, argumentiert die jordanische Staatsministerin für Rechtsangelegenheiten, Wafa Bani Mustafa, in einem E-Mail-Dialog mit der DW.  Dass Frauen nun ausdrücklich in die jordanische Verfassung aufgenommen würden, sei ein historischer Schritt. "Dies ist das erste Mal seit der Gründung des Staates, dass Frauen in das höchste Dokument des Staates und in das Kapitel über Rechte und Pflichten aufgenommen wurden."

Allerdings sei es kein leichter Weg gewesen, sagt sie. Es habe viele Änderungen gegeben, bis der Verfassungsentwurf dann endlich formuliert worden sei.

Bani Mustafa I Jordanische Staatsministerin für Rechtsangelegenheiten
Verfassungsänderung als "historischer Schritt": Bani Mustafa, jordanische Staatsministerin für RechtsangelegenheitenBild: Yousef Allan/AFP

Wie heikel solche Gender-Debatten im konservativen Jordanien sein können, zeigte sich schon Ende Dezember in der Diskussion des Parlaments zur geplanten Verfassungsänderung. In deren Verlauf gingen mehrere Abgeordnete mit Fäusten aufeinander los, nachdem ein konservativer Abgeordneter die gesamte Diskussion als "Schande" bezeichnet hatte und daraufhin vom Parlamentsvorsitzenden Abdalkarim al-Dughmi von der Debatte ausgeschlossen wurde. Am Ende aber stimmten 94 der 130 Abgeordneten für die Änderung. 26 stimmten dagegen.

Weitere Schritte gefordert

Allerdings sei die Verfassungsreform nur ein erster Schritt, dem weitere folgen müssten, sagt die auf Frauenrechte spezialisierte jordanische Journalistin Rawan Jayyousi der DW: "Sie alleine reicht nicht, denn es fehlt ein allgemeines Bewusstsein dafür, wie wichtig es ist, die Lücke zwischen den Geschlechtern zu schließen. Dieser Schritt ist aber notwendig, denn Gleichstellung ist ein wichtiger Weg zur gesellschaftlichen Modernisierung."

An diesem Ziel gemessen seien die Reformen immer noch zu kleinteilig und zaghaft. "Dabei sind sie so wichtig - angesichts der vielen diskriminierenden Gesetze, unter denen Frauen hierzulande leiden," so Jayyousi.

Wirtschaftliche Benachteiligung

Tatsächlich weist Jordanien beim Thema Frauenrechte eine eher gemischte Bilanz auf. Einer Umfrage des Arab Barometer vom März 2021 zufolge hat die COVID-19-Pandemie das Leben der jordanischen Frauen neben den bereits bestehenden Problemen zusätzlich erschwert. Zu diesen gehören etwa fehlende Kinderbetreuung, der Mangel an sicheren und erschwinglichen Verkehrsmitteln, ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle und der Vorzug von Männern bei Stellenvergaben.

Einer Analyse des in Washington ansässigen Middle East Institute zufolge hat Jordanien zum Beispiel die niedrigste Quote bei der wirtschaftlichen Beteiligung von Frauen in denjenigen Ländern, die sich aktuell nicht im Krieg befinden.

Der Befund entspricht den Zahlen, die zuletzt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) vorlegte. Demnach lag die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Jordanien im Jahr 2019 bei 15 Prozent - und damit niedriger als in den Nachbarländern Libanon (23 Prozent), Saudi-Arabien (22 Prozent) und in den palästinensischen Autonomiegebieten (18 Prozent).

Jordanien I Frauenprotest in der Innenstadt von Amman, 1968
Lange Tradition: Frauenprotest in Amman, 1968Bild: Wikipedia

"Jordanien", sagt Staatsministerin Bani Mustafa, "ist historisch männlich geprägt". Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die hohe Bedeutung der Stammesgesellschaften. Daher sei der Einzug der Frauen in die Politik nur auf Grundlage von im Wahlgesetz festgeschriebenen Quoten möglich gewesen - zunächst auf kommunaler und regionaler Ebene, später auch im nationalen Parlament.

Spürbare Fortschritte

Insgesamt habe das Land durchaus Fortschritte gemacht, sagt Deema Anani, Gründungsmitglied des jordanischen Verbandes junger Unternehmer und Unternehmerinnen. Auf dem Arbeitsmarkt seien Frauen inzwischen viel stärker vertreten als noch vor zehn Jahren. Diese Entwicklung geht auf neue Regelungen zurück, so etwa im Bereich der Kinderbetreuung.

"Insgesamt ist dies jedoch eine städtische Entwicklung", schränkt sie ein. "Auf dem Land sieht das anders aus." Deshalb sei der Anteil der Frauen am Erwerbsleben insgesamt noch niedrig - auch wenn er in Bereichen wie dem Bankensektor sichtbar gestiegen sei. Unter den Hochschulabsolventen stellten Frauen mittlerweile sogar die Mehrheit, so die Unternehmerin Anani. "In Folge des gestiegenen weiblichen Studienanteils ist das Heiratsalter von 21 auf 27 Jahre gestiegen." Auch im Sport brechen junge Jordanierinnen mit traditionellen Rollen. So begeistern sich manche junge Frauen dort sogar für Boxsport.

Bereits seit geraumer Zeit sind Frauen auch in der Politik präsent. 1974 erhielten sie das aktive Wahlrecht, 1979 waren sie erstmals in der Regierung vertreten. Ins Parlament hingegen zogen sie erstmals 1993 ein. Ein neues Wahlgesetz garantiert den Frauen 15 Sitze - 11,5 Prozent - im Parlament. Bei den letzten Parlamentswahlen zogen 20 weibliche Abgeordnete in die Abgeordnetenversammlung ein. 

Jordanien | Straßenszene in Amman
Zwei Frauen vor dem Konterfei des Königs: Straßenszene aus Amman, 2021Bild: Khalil Mazraawi/AFP/Getty Images

Volle Gleichberechtigung bis 2030?

Doch es soll noch weiter gehen. Vor wenigen Wochen haben die "UN Women Jordan", der Zusammenschluss der in den Vereinten Nationen tätigen Jordanierinnen, das so genannte "Women's Empowerment Principles Jordan Network" ins Leben gerufen. Dieses Netzwerk - so das ehrgeizige Ziel - soll helfen, die Gleichstellung der Geschlechter bis 2030 vollständig vollständig durchzusetzen.

Für die Jung-Unternehmerin Anani tragen all diese Initiativen zu einer besseren Zukunft für Frauen in Jordanien bei. "Wir tun das für unsere Töchter", sagt sie.  "Den Unterschied werden wir in der nächsten Generation spüren".

Jordaniens erste Taxifahrerin

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
Jennifer Holleis
Jennifer Holleis Redakteurin und Analystin mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika.