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Einsamer Regierungschef

Klaus Dahmann12. März 2003

"Ich war naiv, ich hatte geglaubt, dass neue Anschläge im Stile von Milosevic nicht mehr möglich sind." Das hatte Zoran Djindjic noch nach einem Attentatsversuch im Februar auf ihn erklärt. Ein Nachruf von Klaus Dahmann.

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Historischer Moment: Bekanntgabe der Milosevic-Auslieferung an Den HaagBild: AP

Der 28. Juni 2001 war zweifellos der Höhepunkt in der politischen Laufbahn von Zoran Djindjic: Gegen den Willen Tausender Demonstranten in der Belgrader Innenstadt und gegen den Willen des jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica bewies Djindjic Mut: In einer Nacht- und Nebel-Aktion ließ er den einstigen Despoten Slobodan Milosevic an das Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag ausfliegen.

Langer Weg an die Spitze

Dazu hatte Djindjic einen Verfassungs-Artikel genutzt, wonach Serbien jugoslawisches Bundesrecht außer Kraft setzen kann, wenn es der Allgemeinheit dient. Diesen Paragraphen hatte übrigens Milosevic Jahre zuvor selbst geschaffen - und er wurde ihm schließlich zum Verhängnis. Denn so konnte Zoran Djindjic argumentieren, er habe mit der Auslieferung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Serbien vor finanziellen Sanktionen der internationalen Staatengemeinschaft bewahrt.

Djindjics Weg auf den Sessel des serbischen Ministerpräsidenten war beschwerlich: Im Umbruchs-Jahr 1989 - damals lehrte er noch Philosophie an der Universität in Novi Sad - gründete er mit anderen serbischen Intellektuellen die Demokratische Partei. Fünf Jahre später wurde er zum Partei-Vorsitzenden gewählt.

Triumph über Milosevic

1998 errang Djindjic nach fast dreimonatigen Massen-Demonstrationen gegen das Milosevic-Regime erstmals einen Triumph: Der jugoslawische Präsident erkannte Djindjics Sieg bei den Belgrader Bürgermeister-Wahlen an. Doch der starke Mann in Belgrad hieß weiterhin Slobodan Milosevic - er schikanierte Djindjic so lange, bis dieser das Bürgermeister-Amt aufgab und vorerst abtauchte.

Während des NATO-Bombardements auf Jugoslawien 1999 war Djindjic bemüht, Bündnisse gegen Milosevic zu schmieden - nicht nur mit Oppositions-Parteien in Serbien, sondern auch mit dem montenegrinischen Präsidenten Milo Djukanovic. Den Despoten in Belgrad konnte er jedoch nicht von der Macht verdrängen. Zwar genoss er große Popularität im Ausland - vor allem in Deutschland, wo er einst studiert hatte und in den Medien mit seinen guten Deutsch-Kenntnissen ein gern gesehener Gesprächspartner war. Doch bei der eigenen Bevölkerung galt er nur noch als machtbesessener Politiker.

Wahl zum Ministerpräsidenten

Und so unterstützte Djindjic bei den jugoslawischen Präsidentschafts-Wahlen im Jahre 2000 lieber den politischen Neuling Vojislav Kostunica, an dessen Sieg über Milosevic er großen Anteil hatte. Bei den anschließenden serbischen Parlaments-Wahlen fegte seine oppositionelle DOS-Koalition die letzten Reste des Milosevic-Regimes weg - und Djindjic wurde Ministerpräsident.

Seitdem kämpfte er in erster Linie mit der katastrophalen Wirtschaftslage im Land. Denn die Bürger erwarteten von ihm, der sich stets bester Kontakte mit dem Ausland rühmte, dringend Erfolge.

Zahlreiche Konflikte

Recht schnell gab es erste Konflikte mit seinem einstigen Verbündeten, dem jugoslawischen Präsidenten Kostunica - vor allem, als Djindjic begann, mutmaßliche Kriegsverbrecher nach Den Haag auszuliefern. Außerdem unterstützte Djindjic die Bemühungen, Jugoslawien in einen losen Staatenbund namens 'Serbien und Montenegro' umzuwandeln - und erreichte so, dass Kostunica als Präsident ohne Staat aus dem Amt treten musste. Den Streit kommentierte Djindjic scherzhaft mit den Worten: "Mit Herrn Kostunica habe ich überhaupt keinen Konflikt. Denn wir haben überhaupt nicht die selbe Wellenlänge: Ich versteh ihn nicht, er versteht mich nicht. Und darin sind wir uns blendend einig."

Auch andere Parteien im DOS-Bündnis gingen zu Djindjic mehr und mehr auf Distanz, weshalb seine Äußerungen mit der Zeit immer verbitterter klangen. "Das einzige, was ich sagen kann, ist, dass wir möglicherweise schlecht sind, beziehungsweise dass ich schlecht bin. Vielleicht bin ich das tatsächlich auch. Aber das Problem meiner politischen Gegner besteht darin, dass sie mich nicht beeinflussen können."