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Einigung im Gas-Streit: Schlappe für den Kreml?

5. Januar 2006

Der ukrainisch-russische Gasstreit ist beigelegt, es wurde ein Kompromiss gefunden. Doch es ist ein Kompromiss, den man früher hätte erreichen können und müssen - meint Cornelia Rabitz in ihrem Kommentar.

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Einigung im ukrainisch-russischen Gasstreit: Nur wenige Stunden bevor die für Fragen der Gasversorgung zuständigen Koordinatoren der Europäischen Union sich des brisanten Themas annehmen konnten, zeigte das russische Fernsehen am Morgen die zufriedenen Mienen der beiden Kontrahenten: Die Unternehmenschefs aus Moskau und aus Kiew - Alexej Miller von Gasprom, Oleksij Iwtschenko von Naftogas - gaben sich nach dem Ende eines nächtlichen Verhandlungsmarathons erleichtert.

Das Ergebnis, das die beiden Protagonisten verkündeten, hörte sich freilich ziemlich kompliziert und zunächst auch widersprüchlich an. Man hat eine verzwickte Konstruktion mit einem Zwischenhändler gefunden. Sie ermöglicht es der russischen Seite, an diesen ihr Gas wie geplant zu dem erhöhten Preis von 230 Dollar zu verkaufen. Kiew aber bezieht gleichzeitig billigeres Gas aus Zentralasien und zahlt im Endergebnis durchschnittlich lediglich 95 Dollar pro tausend Kubikmeter. Das wiederum ist mehr als bisher. Die Transitgebühren, die Moskau für den Transport des Gases durch die Ukraine nach Westeuropa entrichtet, werden erhöht.

Keine echten Verlierer

Ein kluger Kompromiss? Oder eher ein Stück politischer Kosmetik? Es gibt jedenfalls, so scheint es, keine echten Verlierer in dem Streit. Die jetzt präsentierte Lösung ermöglicht es beiden Seiten, das Gesicht zu wahren. Im Ergebnis wird auch das Desaster größerer Liefer-Engpässe in der Ukraine und in anderen europäischen Ländern vermieden. Schade, dass Vernunft und Augenmaß in diesem Konflikt nicht früher Regie geführt haben.

Das Unbehagen am Verhalten des staatsnahen russischen Gasmonopolisten bleibt freilich. Der Verdacht, der Kreml setze seine Rohstoffe gelegentlich durchaus für eigene machtpolitische Interessen ein, dieser Verdacht ist mit dem heute erzielten Kompromiss nicht vollständig ausgeräumt.

Freilich musste auch die Ukraine einsehen, dass der Weg zur Marktwirtschaft steinig ist. Auf politischen Rabatt vom einstigen Verbündeten Russland durfte sie nicht mehr ernsthaft rechnen. Dass der Markt die Bedingungen diktiert, ist der Führung in Kiew jetzt zweifellos noch einmal deutlich geworden. Vielleicht hat man in der ukrainischen Hauptstadt sozusagen im Schatten des Konflikts noch einmal gespürt, wie schwierig es ist, den politischen und ökonomischen Wandel zu gestalten.

Kein Einfluss auf politische Stimmung

Nicht gelungen ist es Russland jedoch, über den Streit um die Energie die politische Stimmung in der Ukraine nachhaltig zu beeinflussen. In knapp drei Monaten ist dort Wahl - der Kreml hatte möglicherweise auch darauf gesetzt, die um Reputation und Erfolge kämpfende Regierung um Präsident Juschtschenko zusätzlich in Misskredit zu bringen und dem russlandfreundlichen Lager Auftrieb zu verleihen. Davon kann nun keine Rede sein. Man könnte dies als zweite Schlappe für den Kreml deuten - nach dem unrühmlichen und vor allem erfolglosen Einmischungsversuch in die Präsidentschaftswahlen Ende 2004.

Am Ende war es dann wohl das Geld, das den Gang der Verhandlungen bestimmt hat. Weniger russisches Gas in Westeuropa bedeutet eben auch massive Einnahmeverluste. Die Sorge um Liefer-Engpässe und die in Deutschland und anderswo rasch ausgebrochene Debatte um Alternativen haben die Kompromissbereitschaft bei Gasprom sicher beschleunigt. Und dann wäre da noch die ohnehin geplante Ostsee-Pipeline. Sie wird es dem russischen Monopolisten in wenigen Jahren ermöglichen, unliebsame Streitereien mit den Anrainerstaaten zu vermeiden.

Cornelia Rabitz

DW-RADIO/Russisch, 4.1.2005, Fokus Ost-Südost