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Kristallglas vor dem Aus?

28. April 2009

Seit 1000 Jahren wird auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik böhmisches Kristall hergestellt. Doch die Wirtschaftskrise schlägt auch hier zu. Ein großer Konzern musste Insolvenz anmelden.

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Die tschechische Kristallglas-Produktion hat eine lange TraditionBild: picture-alliance / HB Verlag

7000 Arbeiter haben ihre Jobs verloren. Sie hatten beim größten tschechischen Glashersteller "Bohemia Crystalex Trading" gearbeitet. Das Unternehmen musste nun aber in vielen Betrieben seine Produktion einstellen. Die Arbeiter sehen sich als Opfer der weltweiten Wirtschaftskrise.

Der Staat hilft - aber nicht genug

Sie wollten das jedoch nicht tatenlos hinnehmen: Sechs Monate lang hätten sie dafür gekämpft, dass die Politik etwas tue, sagt Vladimir Kubinec, Gewerkschaftschef für die Branche. Mittlerweile habe die Regierung ein neues Insolvenzgesetz auf den Weg gebracht. "Falls das Gesetz im Juni irgendwann im Parlament verabschiedet wird, werden die Angestellten rückwirkend bis zu drei Monatslöhne erhalten", erklärt er.

Der Staat hat außerdem eine einmalige Beihilfe in der Höhe von umgerechnet 1,1 Millionen Euro für alle Betroffenen bewilligt. Das mache pro Beschäftigten rund 220 Euro, wie Kubinec vorrechnet. Doch diese Maßnahmen reichten nicht aus.

Verzweifelte Lage in den Kleinstädten

Böhmische Kristallglasfiguren
Böhmische Kristallglasfiguren finden nicht mehr genug AbsatzBild: picture-alliance / Bildagentur Huber

Die Pleitefirmen der Glasindustrie befinden sich im Nordwesten Tschechiens, meist in kleineren Städten wie eben Nový Bor oder auch Zdar nad Sazavou. In diesen Städten gebe es praktisch keine anderen Arbeitgeber als den Glashersteller, sagt Gewerkschafter Kubinec. Von etwa 8000 Einwohnern arbeiteten 1200 in der örtlichen Glasfabrik. Die Arbeitslosigkeit in Nový Bor liege bei 15 Prozent.

Das habe beispielsweise auch Folgen für den Einzelhandel, sagt eine örtliche Gewerkschafterin: "Die Situation ist kritisch. Die Menschen kaufen nur das Nötigste. Der Durchschnittslohn von 14.000 Kronen hat nicht gereicht, um etwas für schlechtere Zeiten anzusparen." 14.000 Kronen, das sind umgerechnet 500 Euro. Mittlerweile bekommen etliche Arbeiter hier schon Arbeitslosengeld: knapp 300 Euro.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer

Und trotzdem ist der Gewerkschafter Vladimir Kubinec optimistisch: Er weiß von möglichen Investoren, die den Betrieb in den Fabriken wieder aufnehmen wollen. Viel Zeit bleibe dafür aber nicht. "Wenn sich das Ganze noch mehrere Monate hinzieht, dann fürchte ich, dass aus den halbtoten Städten tote Städte werden."

Die Talfahrt der tschechischen Wirtschaft bietet jedenfalls derzeit ein unsicheres Feld für Investitionen.

Autor: Till Janzer
Redaktion: Julia Kuckelkorn