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Kalte Nächte auf der Straße

9. Dezember 2009

Die Weihnachtszeit ist die Zeit der Kerzen, der gemütlichen Abende und der Weihnachtsmärkte. Für Obdachlose gilt dies alles nicht. Für sie ist es die schlimmste Zeit des Jahres. Die Berliner Stadtmission hilft ihnen.

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Fernschreiber Berlin (Grafik: DW)
Bild: DW

Man sieht sie jeden Tag und überall: in der S-Bahn, wo sie ihre Zeitungen verkaufen, vor den Supermärkten, wo sie auf Kleingeld und spendable Kunden hoffen, auf Parkbänken, wo sie ihren Rausch ausschlafen und in Hauseingängen, wo sie vor der Kälte Schutz suchen. Und obwohl man ihnen auf Schritt und Tritt begegnet, nimmt man sie kaum wahr. Obdachlose leben mitten unter uns und dennoch am Rande der Gesellschaft.

227.000 Wohnungslose gibt es in Deutschland. Geschätzte 20.000 von ihnen leben auf der Straße. In Berlin sind es etwa 10.000 Menschen, die keine Wohnung haben. Die Hälfte von ihnen ist in Obdachlosenunterkünften und in Billigpensionen untergebracht. Viele aber leben tatsächlich auf der Straße. Sie wickeln sich am späten Abend an einer geschützten Stelle in eine Decke oder übernachten auf einer Bank im Park, immer in Sorge, dass sie von den Ordnungshütern vertrieben werden.

Wenn die Selbsthilfe versagt

Sie sind ganz unten, dort, wo niemand hinkommen will. Und doch kann es eigentlich jeden treffen. Jeder kann seine Arbeit, sein Einkommen, seine Wohnung und seine Sicherheit im Leben verlieren. In Deutschland gibt es zwar Sozialgesetze, die diesen Menschen helfen sollen, aber manche fallen dennoch durch den Rost, durch das immer lockerer geknüpfte deutsche Sicherheitsnetz.

Viele Berliner Obdachlose waren früher erfolgreich im Beruf und wurden durch einen Unglücksfall oder durch Arbeitslosigkeit aus der Bahn geworfen. Manche sind so verschuldet, dass sie lieber auf eine feste Adresse verzichten, damit ihre Gläubiger sie nicht finden können. Die meisten sind drogen- oder alkoholabhängig und nicht mehr in der Lage, sich selbst zu helfen und aus dem Teufelskreis der Not auszubrechen.

Kälte tötet

Jetzt, in der kalten Jahreszeit, ist es für diese Menschen lebensgefährlich, draußen zu übernachten. Sie sind darauf angewiesen, dass sie eine Notunterkunft finden, wo sie sich aufwärmen können, wo sie etwas zu essen bekommen und wo sie vielleicht auch schlafen können.

Eine der Organisationen, die den Obdachlosen beisteht, ist die Berliner Stadtmission. In ihrem Zentrum am Hauptbahnhof bietet sie pro Nacht rund 70 Schlafplätze an. Für Männer, Frauen und sogar für Hunde gibt es einen sehr bescheidenen aber warmen und trockenen Schlafplatz.

Nicht nur deutsche Obdachlose nehmen dieses Angebot an. Zunehmend kommen auch bedürftige Menschen aus dem benachbarten Ausland in die Notunterkunft der Stadtmission, zum Beispiel Menschen aus Polen, die in ihrer Heimat keine Hilfe finden.

Ehrenamtliche Helfer kümmern sich um die Wohnungslosen, die hier um 21 Uhr am Abend um Aufnahme und Hilfe bitten. Sie geben Essen aus, sie richten die Schlafstellen her und sie hören zu, wenn die, die niemand mehr wahrnimmt, mal mit jemandem sprechen wollen.

So gibt es mitten im geschäftigen Berlin eine kleine Insel der Mitmenschlichkeit, die kaum jemand kennt. Wenn Sie nach Berlin kommen, gehen Sie mal hin. Sie liegt direkt am Hauptbahnhof.

Autorin: Bettina Marx

Redaktion: Kay-Alexander Scholz