Ein venezianischer Löwe für Thomas Schütte
10. Juni 2005Thomas Schütte gehört zu den Gegenwartskünstlern mit großem Namen. In Venedig, im Park der "Giardini della Biennale", zeigt er das, was typisch für sein Werk ist: architektonische Skulpturen aus Stahl oder Bronze, die runde, imposante Frauenformen darstellen. Der Ausstellungskatalog steckt sie in keine Kategorie: "expressiv, kubistisch, klassisch, archaisch."
Seit 1999 hat Schütte solche liegenden und hockenden Frauenskulpturen geformt, manchmal unnatürlich verrenkt oder auch nur als Torso. Mit riesigen Figuren und Plastiken ist er bekannt geworden, etwa den "Großen Geistern" aus Stahl. Schütte übte aber auch Architekturkritik, zum Beispiel mit dem Modell "Ferienhäuser für Terroristen".
Der 1954 geborene Schütte widmet sich seit kurzem auch grafischen Arbeiten - die Radierung zum Beispiel hat er erst vor einigen Jahren für sich entdeckt. Von diesen Werken sind auch einige in Venedig zu sehen.
Mit seinem Auftritt überzeugte der Düsseldorfer Schütte am Freitag (10.6.2005) die Löwen-Jury. Über die Gegenwartskunst sagte Schütte einmal: "Ich finde es lächerlich, dass Kunst - möglichst gegenstandslos - die Omas erschrecken soll, denn die lassen sich nur mit kaltem Kaffee ärgern."
Rasur und Intim-Operation
Deutlich skandalöser als Schütte mit seinen Figuren hat Regina José Galindo das Thema Frau aufgegriffen – und dafür ebenfalls einen Goldenen Löwen bekommen: Die Künstlerin aus der Dominikanischen Republik zeigt den Besuchern ihren Körper in Großaufnahme. In einem der Videos lässt sie sich in einer Operation ihr Jungfernhäutchen wiederherstellen, in einem anderen sieht man Galindo nackt, nachdem sie sich alle Körperhaare abrasiert hat. Das hinterließ bei der Jury einen "eindringlichen visuellen Eindruck" – sie zeichnete die 31-Jährige als beste Nachwuchskünstlerin aus.
Das Leben, spielerisch gesehen
Der Preis für den besten Länder-Auftritt geht 2005 an Frankreich. Unter dem Titel "Casino" präsentiert sich im französischen Pavillon die Künstlerin Annette Messager mit Installationen zu Themen wie Leben, Entwicklung und Erneuerung. Ihr Markenzeichen sind einfache Materialien: Wollfäden, Netze, Kissen. Mit dem poetisch-spielerischen Auftritt, der sich über drei Räume erstreckt, konnte Frankreich 72 andere Pavillons ausstechen. So viele Länder haben sich noch nie zuvor an der Biennale beteiligt.
Ehrenlöwe für knackige Slogans
Auch einen Ehrenlöwen hatte die Jury zu vergeben. Er geht an die Amerikanerin Barbara Kruger, die die Fassade des italienischen Pavillons gestaltet hat. Die 60-jährige Konzeptkünstlerin ist bekannt für provokante Mottos: "I shop therefore I am" (Ich kaufe ein, also bin ich) oder "Your body is a battleground" (Dein Körper ist ein Schlachtfeld). Die Konzeptkünstlerin lebt in New York und Los Angeles – ihre Werke hängen unter anderem im New Yorker Museum of Modern Art und im Guggenheim-Museum.
Die Goldenen Löwen werden den Künstlern von Biennale-Präsident Davide Croff überreicht. Bewertet hat die Präsentationen eine Jury unter der Leitung von Ida Gianelli, der Direktorin des renommierten Museums Castello di Rivoli in Turin. Für Besucher ist die Biennale ab 12. Juni geöffnet. Sie dauert bis zum 6. November. (reh)