Ein Stück Deutschland auf dem Pazifikboden
25. Juli 2011Wie schwarze Kartoffeln liegen sie auf dem Meeresboden – die Manganknollen. Sie bestehen zu fast 30 Prozent aus Mangan und befinden sich im Manganknollengürtel. Etwa 62 Milliarden Tonnen betragen die Vorräte im gesamten Gebiet. Es ist aber weniger das Mangan, das die Forscher in die Meerestiefen treibt und worauf die Industrie ungeduldig wartet. Es sind eher das Kupfer, der Nickel und das Kobalt in den Manganknollen, die das Interesse der Industrienationen wecken. Der Wettlauf um die schwarzen Perlen des Ozeans hat begonnen.
Besser spät als nie
Bereits 2001 haben sich einige Staaten ein Stück Pazifikboden reserviert. Deutschland hat den Startschuss verpasst und ist erst seit 2006 im internationalen Wettlauf um die Meeresbodenschätze dabei. Das Gebiet, das Deutschland derzeit erkundet, ist 75.000 km² groß, also etwa die Fläche von Bayern. Es liegt zwischen dem 5. und 10. Breitengrad nördlich vom Äquator, oder einfacher: zwischen Hawaii und Mexiko. "Wir haben das Gebiet gepachtet. Es ist nicht im Besitz der Bundesrepublik", erklärt Thomas Kuhn, Geologe bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe.
Im vergangenen Jahr war er mit einem Team von deutschen Wissenschaftlern für sechs Wochen mit dem Forschungsschiff "Sonne" im Manganknollengürtel. "Meine Aufgabe war, einen Videoschlitten zu betreuen, mit dem wir Aufnahmen vom Meeresboden machen konnten." Mit einem weiteren Gerät, dem sogenannten "Kastengreifer", konnte das Forschungsteam Manganknollen vom Boden aufsammeln. Dieser Kastengreifer sticht eine 50 Mal 50 Zentimeter große Fläche an der Sedimentoberfläche aus und befördert sie an die Meeresoberfläche.
Auf den ersten beiden Forschungsreisen wurde das Gebiet kartiert. "Mit einem Fächerecholot haben wir eine vollständige Karte der Meeresbodentopografie erstellt", sagt Kuhn. Das Fächerecholot tastet mit Schallsignalen den Meeresboden ab und über die Laufzeiten des Schalls lässt sich die Wassertiefe bestimmen. Die Manganknollen im deutschen Gebiet befinden sich in einer Tiefe von bis zu 4800 Metern.
Die Perlen der Tiefsee und die Wirtschaft
Deutschland ist ein rohstoffarmes Land. Es ist auf Importe angewiesen. Kupfer, Nickel und Kobalt müssen sogar bis zu 100 Prozent importiert werden. "Jeder Schritt in die Unabhängigkeit ist zu begrüßen", sagt Eugen Weinberg, Rohstoffexperte bei der Commerzbank. Doch Deutschland muss sich noch gedulden, denn bis 2021 gibt es nur eine Erkundungslizenz für das Gebiet. Erst danach darf eine Abbaulizenz beantragt werden. Im deutschen Gebiet liegen etwa acht Millionen Tonnen Kupfer und zehn Millionen Tonnen Nickel. Damit wäre der Bedarf an Kupfer in Deutschland für sechs Jahre gedeckt; und an Nickel sogar für 80 Jahre. Während Kupfer vor allem in der Elektrotechnik oder im Maschinenbau verwendet wird, wird Nickel bei der Stahlveredelung benötigt.
Kein Neuanfang
Die Manganknollen auf dem Pazifikboden sind keine neue Entdeckung. Bereits vor 30 Jahren haben deutsche Wissenschaftler Manganknollen am Meeresgrund erforscht. Doch damals wurde der "schwarzen Kartoffel" keine große Beachtung geschenkt. Denn die Preise für Metalle fielen Anfang der 1980er in den Keller. Ein technisch aufwendiger Abbau hätte sich für die Industrie nicht gelohnt. Vergebens war das Forschungsunternehmen damals aber dennoch nicht: Es wurden zahlreiche Karten vom Meeresboden erstellt und Proben von Manganknollen ausgewertet. Das habe seinem Forschungsteam auch einen gewissen Vorsprung gegeben, sagt Kuhn.
Ein Erbe der Menschheit und sein Verwalter
Der Meeresgrund und die Ressourcen sind "das gemeinsame Erbe der Menschheit", so heißt es im UN-Seerechtsübereinkommen von 1994. Das bedeutet, dass außerhalb der Hoheitsgewässer und Wirtschaftszonen der Meeresboden niemandem gehört. Dieses Niemandsland hat aber einen Verwalter, nämlich die Internationale Meeresbodenbehörde. Sie ist eine Institution der Vereinten Nationen mit Sitz auf Jamaika. Seit 2001 entscheidet sie über die "Claims" von Staaten und Privatunternehmen, die einen Antrag auf Erkundungs- und Abbaulizenzen gestellt haben. Die Erkundungsrechte werden auf 15 Jahre erteilt. Derzeit haben sieben Staaten und ein Konsortium Erkundungsrechte, darunter Indien, Russland, China und Südkorea. Die ersten Lizenznehmer könnten also bereits 2016 mit dem Abbau beginnen.
Ein Grund zur Sorge sei das aber nicht, sagt Kuhn. Es sei immer noch nicht absehbar, ob es auch wirklich in fünf Jahren zum Abbau kommen wird. Das liege daran, dass es keine zuverlässige Abbautechnologie gebe, die garantieren kann, dass kontinuierlich und verlässlich Mangan über 20 Jahre aus der Tiefsee gefördert werden kann. "Trotz der Anstrengungen der Südkoreaner und der Inder, die die Abbautechnologie voranbringen wollen, ist man im Moment bei 2000 Meter Wassertiefe, in der die Systeme getestet werden. Wir sind also lange nicht bei 5000 Meter", sagt Kuhn.
Eine Erkundungslizenz könne jeder beantragen, der nachweisen kann, dass er "die technische und finanzielle Kapazität hat, 15 Jahre das Gebiet zu erkunden", erklärt Michael Lodge von der UN-Meeresbodenbehörde. Kostenlos ist das Stück Pazifikboden nämlich nicht: 250.000 US Dollar muss jeder Lizenznehmer bezahlen.
Abbau auf Kosten des Ökosystems?
Ganz ohne Risiken und Nebenwirkungen ist ein potenzieller Abbau von Manganknollen nicht. Auf dem Meeresboden liegen nicht nur die "schwarzen Kartoffeln" sondern auch Algen und Tiere. Meeresbiologen und Naturschutzorganisationen sind besorgt, dass es beim kommerziellen Abbau zur Ausbeutung des Ökosystems kommen könnte: "Die UN-Meeresbodenbehörde hätte viel größere Schutzzonen und ungestörte Referenzgebiete ausweisen müssen", kritisiert Stephan Lutter von der Umweltschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF). "Denn Schwellenländer und kommerzielle Unternehmen drohen Umweltstandards und das Vorsorgeprinzip zu unterlaufen, um in naher Zukunft den lukrativen Markt für edle Metalle zu bedienen", sagt der Experte und warnt vor einem hemmungslosen Goldrausch in der Tiefsee auf Kosten der Umwelt mit zum Teil noch unerforschter biologischer Vielfalt.
Autorin: Rayna Breuer
Redaktion: Manfred Böhm