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Ein Quickie und seine Folgen

Hao Gui 16. Juli 2015

Innerhalb von 24 Stunden interessieren sich 150 Millionen für ein junges Paar aus Peking. Es hat die Leidenschaft in der Umkleidekabine des Kaufhauses Uniqlo ausgelebt. Das Video verbreitet sich später rasch im Netz.

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Uniqlo Umkleidekabine
Bild: picture-alliance/AP Photo/ChinaFotoPress

Der "Tatort": Uniqlos Flagship-Store in Peking. Zwei junge Kunden haben sich zu einem spontanen Quickie in die besagte Umkleidekabine begeben und ihr "kaninchenmäßiges Treiben" (so ein Kommentar im Netz) per Smartphone festgehalten. Schnell versammeln sich Passanten aus Nah und Fern vor dem Gebäude, um Selfies zu machen. Selbsternannte investigative Journalisten schmuggeln sich in die Kabine ein und berichten von dort aus "live", längst nach der "Tat."

Ortswechsel: Vor der Uniqlo-Niederlassung in Hongkong haben sich fast zeitgleich Hunderte von Demonstranten versammelt, um den japanischen Mode-Konzern an seine Verantwortung für die Zustände in seinen Zulieferbetrieben auf dem chinesischen Festland zu erinnern.

"Künftig noch mehr Komfort in Umkleidekabinen"

Die These, dass sich Uniqlo die beiden heißblütigen Kunden bestellt hätte, um einen Werbecoup zu landen und von seinem Ärger mit aufmüpfigen Aktivisten abzulenken, ist vielleicht etwas weit hergeholt. Uniqlo, eigentlich Abkürzung für "Unique Clothing" (Einzigartige Bekleidung), weist alle Vorwürfe vehement zurück, dass das Video ein inszenierter PR-Gag wäre.

(Archiv) H&M-Filiale in Shanghai. (Foto: dpa)
Konkurrent H&M in China: "In unserer Umkleidekabine fühlen Sie sich wie zu Hause."Bild: picture-alliance/dpa

In einer schriftlichen Stellungnahme mahnt Uniqloseine Kunden, die "gesellschaftliche Wertmaßstäbe zu beachten" und "die Kabinen gemäß ihrer Bestimmung" zu nutzen. Allerdings lässt das Modehaus aber auch über soziale Medien wissen: "Nach diesem Zwischenfall hat die Geschäftsführung beschlossen, alle unsere Umkleiden umzubauen, um mehr Platz und Komfort anzubieten."

Die aggressive Marketingmaßnahme ruft schnell die Konkurrenten auf den Plan. "Wir haben größere Umkleidekabinen und viele Kleider im Angebot", schreibt die Modekette Zara in chinesischen sozialen Medien.

"Wir schaffen für unsere Kunden das beste Shopping-Erlebnis", verspricht seinerseits die China-Filiale der schwedischen Kette H&M. "In unserer Umkleidekabine fühlen Sie sich wie zu Hause. Sollten Sie davon träumen, Regisseur zu werden, stellen wir Ihnen professionelle Videoausstattung auf Anforderung gerne zur Verfügung."

"Die zuständige Bezirkspolizei ermittelt"

Die Netzgemeinschaft in China nimmt das nackte Video mit Humor auf, manchmal mit unfreiwilligen Humor, wie dieser Kommentar zeigt: "Ich habe das Video 20 Mal gesehen und fand es so was von geschmacklos", sagt ein Internetnutzer. Pornografie jeglicher Art ist in China nämlich gesetzlich verboten.

Passanten in Peking machen Selfies von dem "Tatort". (Foto: AP)
Passanten in Peking machen Selfies von dem "Tatort"Bild: picture-alliance/AP Photo/N. Han Guan

"Ob Uniqlo an der Börse notiert ist?", fragt ein anderer, der offenbar durch den Uniqlo-Hype seine Verluste nach dem Börsencrash wieder wettmachen will.

"Haben die beiden später das Kleid gekauft, das die junge Frau anprobieren wollte?", will ein Herr Wang im Netz wissen. Auf Taobao, dem chinesischen Ebay, wurden kurzfristig Kleider wie dasjenige angeboten, das die "Schuldige" in der Kabine abgelegt hatte.

Auch die Polizei reagiert schnell in den sozialen Medien. Sie veröffentlicht einen Kurztext unter dem Namen "Peking ist sicher" mit dem Text "Die zuständige Bezirkspolizei ermittelt".

"Gesellschaftliche Verantwortung schärfen"

Das Paar mit Hang zum Netz-Exhibitionismus wurde von der Netzgemeinschaft identifiziert. Romantiker wurden enttäuscht: Es war kein Liebespaar, das seine Leidenschaft auslebte, sondern Studenten, die spontanen Sex gesucht hatten.

Die Betreiber der sozialen Medien erhalten ebenfalls einen Denkzettel von der Zensurbehörde. "Die ungebremste Verbreitung der obszönen Szene aus der Umkleidekabine stellt eine ernsthafte Verletzung sozialistischer fundamentaler Werte dar", hieß es. Die Betreiber "müssen weiterhin ihr Bewusstsein für ihre gesellschaftliche Verantwortung schärfen." Später verschwanden das Video und die Nackt-Fotos. Aber wen juckt's jetzt?