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Yoko Ono zum 90. Geburtstag

Torsten Landsberg | Silke Wünsch
19. Februar 2023

Als Ehefrau von John Lennon sorgte sie stets für Aufsehen. Doch sie ist mehr als nur seine Witwe. Yoko Ono gilt als Pionierin der Konzeptkunst, engagiert sich für den Frieden - und bleibt dabei doch stets unnahbar.

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Yoko Ono mit blauem Hut und Sonnenbrille.
Yoko Ono 2016Bild: picture-alliance/AP Photo/K. Sato

Es ist ungerecht, einen Menschen vor allem über sein Verhältnis zu einer anderen Person zu definieren. Andererseits hat Yoko Ono den Bekanntheitsgrad ihres dritten Ehemanns bereitwillig dazu genutzt, ihre eigene Berühmtheit auszudehnen. Der Zusatz ihres Namens lautet daher meist: Witwe von John Lennon. Viele sehen in ihr zudem die Frau, die die Beatles auseinander brachte. Aber sie hat auch eine eigene Geschichte zu erzählen. 

Als Kind aus einem reichen Tokioter Familienhaus avancierte Yoko Ono Anfang der 1960er-Jahre in New York zum vielversprechenden Talent der künstlerischen Avantgarde. Zu ihren bekanntesten Performances zählt "Cut Piece" aus dem Jahr 1964: Die Künstlerin saß mit einem feinen Kleid auf der Bühne, vor ihr ausgebreitet lagen mehrere Scheren, die dem Publikum schließlich dazu dienten, Teile aus Onos Kleidung zu schneiden. Ihre unnahbare Aura schien immer auch Teil einer Gesamtperformance zu sein.

Yoko Ono mit Sonnenbrille, sie singt in ein Mikrofon.
Yoko Ono ist Künstlerin, Schauspielerin, Regisseurin und MusikerinBild: Bandphoto/Photoshot/picture alliance

Star der Fluxus-Bewegung

Längst wird Ono als Pionierin der Konzeptkunst mit Ausstellungen in den bedeutendsten Museen der Welt gefeiert. Sie war eine prägende Figur der Fluxus-Bewegung im New York der 1960er Jahre und machte sich damals unter anderem durch ihre avantgardistischen "Flux-Filme" einen Namen. Berühmtester Streifen: "No. 4". Darin zu sehen: über 300 nackte Hinterteile von Personen aus der Londoner Intellektuellenszene, dick, dünn fest, schwabbelig, behaart, weiblich, männlich. Die Personen liefen mit ihrem Gesäß vor der Kameralinse über ein Laufband. Die Aufreihung der Hintern galt als Unterschrift für eine Petition für den Frieden. 

Zu ihren bedeutenden Einflüssen zählten die Arbeiten des Objektkünstlers Marcel Duchamp und des Komponisten John Cage, einem Erfinder neuer Hörerfahrungen und Vorreiter der Neuen Musik. Die beiden lernten sich in New York kennen, durch Cages Studenten Toshi Ichiyanagi - Onos erster Ehemann.

Die Biennale in Venedig ehrte Ono 2009 für ihr Lebenswerk, es heißt, sie sei häufig missverstanden worden, weil sie ihrer Zeit stets voraus gewesen sei. Sogar ihr musikalisches Schaffen findet inzwischen Anerkennung. Es war allerdings nicht immer einfach, ihren Gesangsstil richtig zu verstehen. So musste sich der Rock'n'Roll-Star und Gitarrengott Chuck Berry bei einem gemeinsamen TV-Auftritt mit ihr stark zusammenreißen, wie unschwer in dem Youtube-Video zu erkennen ist. 

Nur für die Herzen der Menschen hat es bei Yoko Ono nie wirklich gereicht. Das mag auch an ihrer, insbesondere für die damalige Zeit, sehr rigoros ichbezogenen Einstellung zum Privat- und Familienleben liegen, auch hier schien sie unnahbar zu sein.

Verlust der Tochter

In späteren Interviews räumte Yoko Ono ein, zu ihren beiden Kindern - Kyoko Chan Cox aus ihrer zweiten Ehe mit Anthony Cox und Sean Lennon aus der Ehe mit Ex-Beatle John Lennon - ein eher distanziertes Verhältnis zu pflegen. Ihre erste Schwangerschaft sei nicht geplant gewesen und habe ihr das Gefühl der Freiheit genommen. Die Freiheit bekam sie nach der Trennung von Cox auf drastische Weise zurück: Sie überließ dem Ex-Mann die Tochter, um sich der neuen Beziehung mit John Lennon widmen zu können. 1971 tauchte Anthony Cox, der sich einer Sekte angeschlossen hatte, mit dem Mädchen unter. Erst Mitte der 1990er Jahre nahm Kyoko Chan Cox Kontakt zu ihrer Mutter auf.

John Lennon traf Yoko Ono 1966 in London, als der Musiker eine ihrer Ausstellungen besuchte. Zwei Jahre später begannen sie eine Affäre und Ono begleitete Lennon zu den Aufnahmen für das "White Album" der Beatles ins Studio, womit Lennon den bislang geltenden Kodex brach, keine Partnerinnen mitzubringen. Bald zeigte sich, wie notwendig dieser Kodex gewesen war: Ono mischte sich - durch Lennon ermutigt - in die Aufnahmen ein.

Die vier Beatles sitzen im Kreis im Studio und diskutieren über eine Aufnahme, im Kreis neben John Lennon sitzt Yoko Ono.
Frauenverbot im Studio? Nicht mit Yoko Ono! (Mitte, neben John Lennon)Bild: Disney/AP/picture alliance

"Ich bin in sie verliebt", sagte Lennon Ende der 1960er Jahre der versammelten Presse, während Yoko Ono daneben saß und zu diesem Thema schwieg. Schnell machte der Verdacht die Runde, der Musiker sei seiner sieben Jahre älteren Partnerin hörig. 1969 heirateten die beiden. Ein Jahr später kündigte Paul McCartney an, die Beatles zu verlassen, nicht ohne zu erwähnen, dass Johns Hang zu Yoko durchaus einen Anteil an seiner Entscheidung hatte. Ob und wie weit sich die Bandmitglieder schon vor dieser Beziehung voneinander entfernt hatten, musikalisch wie menschlich, das blieb offen. Der Stempel, der Sargnagel der berühmtesten Band der Geschichte zu sein, trübt seitdem das Image von Yoko Ono.

Yoko Ono und John Lennen sitzen nebeneinander in einem Bett und halten Tulpen in den Händen.
In Bed with Lennon: Mit der berühmten Protestaktion "Bed-in" warben Yoko Ono und ihr Mann für den FriedenBild: picture alliance/AP Images

Karikatur mit Hakenkreuz-Armbinde 

Zwar "begnadigte" McCartney Yoko Ono Jahrzehnte später in einem TV-Interview mit David Frost, als er sagte, dass Onos ständige Anwesenheit bei den Studioaufnahmen der Band nicht der Grund für deren Auflösung gewesen sei. Dass die anderen Beatles Yoko Ono argwöhnisch beäugten, widerlegte er aber nicht. Angeblich mutmaßten die früheren Pilzköpfe aufgrund Onos stechendem Blick, sie könne Gedanken lesen. Umgekehrt ist von Ono überliefert, sie habe es als Partnerin von Lennon mit drei Schwiegermüttern zu tun gehabt: Paul, George und Ringo. In der Beatles-Parodie von Eric Idle "The Rutles – All You Need Is Cash" wird Yoko Ono als deutsche Künstlerin mit Hakenkreuz-Armbinde karikiert.

Auch die Beziehung von Ono und Lennon hatte zeitweise etwas von einer Kunstinszenierung: die "Bed-Ins" im Hotelbett, mit denen sie Frieden verkaufen wollten, oder die achtzehnmonatige "Lost Weekend"-Periode, eine Ehe-Auszeit, die Ono verordnet hatte, indem sie ihren Mann zusammen mit ihrer Assistentin nach Los Angeles schickte, wo er sich Alkohol, Groupies, Drogen und eben jener Assistentin hingab.

John Lennon und Yoko Ono geben sich einen Nasenkuss. Sie haben kurzgeschnittene Haare.
Für eine Benefiz-Auktion haben sich Yoko und John 1970 ihre langen Haarmähnen abgeschnittenBild: Bob Dear/AP/picture alliance

Yoko Ono: Kunst kennt keine Grenzen

Zwei Jahre später wurde Yoko Ono, damals 42, schwanger. Ihre Begeisterung soll sich in Grenzen gehalten haben. Später bezeichnete sich Ono als Frau, die nicht zu Hause beim Kind bleiben wollte, als "Verlasserin" und Macho. Vater John soll dem gemeinsamen Sohn Sean in den folgenden Jahren Brot gebacken haben, die Mutter kümmerte sich um die Geldanlagen und die Vermarktung ihres Mannes.

Als John Lennon und Yoko Ono am 8. Dezember 1980 von Studioaufnahmen zurückkehrten, erschoss der obsessive Fan Mark David Chapman sein Idol Lennon vor dem Dakota Building in New York, in dem Ono heute noch lebt. Dass Kunst für sie keine Grenzen kennt, bewies Ono 1981, als sie auf dem Cover ihres Soloalbums "Season of Glass" die vom Attentat blutbespritzte Brille ihres Mannes abbildete.

Immer noch werden ihre Werke in der ganzen Welt ausgestellt. In Deutschland war sie zuletzt 2019 mit der Werkschau "Peace is Power" in Leipzig zu sehen. Im ungarischen Budapest geht gerade die Ausstellung "War is Over! If You Want It - Tribute to Yoko Ono" zu Ende. 

Yoko ist und bleibt eine eigensinnige Frau, die es versteht, sich gut zu vermarkten. Sie achtet auch peinlich genau darauf, dass niemand sich ihren oder John Lennons Namen zu Eigen macht. So musste ein polnischer Getränkehersteller seine Limonade namens "John Lemon" vom Markt nehmen, eine Hamburger Bar, die 19 Jahre lang "Yoko Mono" geheißen hatte, musste ihren Namen ändern. 

Dieser Artikel wurde anlässlich von Yoko Onos 90. Geburtstag aktualisiert.

Wuensch Silke Kommentarbild App
Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online