Ein Jahr nach dem Putsch: Wie läuft der Übergang in Gabun?
30. August 2024Zweimal Mali, gefolgt von Guinea, Burkina-Faso, Niger und schließlich Gabun: Das frankophone Afrika hat seit 2020 eine ganze Reihe von Putschen erlebt. Doch so ganz passt der Staatsstreich im zentralafrikanischen Gabun vom 30. August 2023 nicht in diese Reihe, meint Ingo Badoreck von der Konrad-Adenauer-Stiftung, die der deutschen Oppositionspartei CDU nahesteht. Der Länderreferent für das frankophone Afrika sagt im Gespräch mit DW: "Während in Mali, Burkina Faso und Niger ordnungsgemäß gewählte Präsidenten von machthungrigen Militärs unter Ausnutzung einer allgemeinen Verunsicherung aus dem Amt geputscht wurden, scheint die Militärregierung in Gabun einen autokratischen Despoten entmachtet zu haben."
"Genug ist genug": 50 Jahre Autokratie des Bongo-Clans
Tatsächlich hielt sich die Bongo-Familie mit autoritären Methoden mehr als 50 Jahre lang die Macht im rohstoffreichen Gabun. Omar Bongo war von 1967 bis zu seinem Tod im Jahr 2009 Staatspräsident. Seine über 41 Jahre währende Amtszeit gehört zu den längsten aller Staatsoberhäupter in Afrika. Im Amt folgte ihm sein Sohn Ali Bongo nach. Nach seiner umstrittenen Wiederwahl 2016 ließ er Proteste brutal niederschlagen, mindestens 27 Menschen wurden getötet.
Vor einem Jahr wurde erneut gewählt; offizielle Ergebnisse bescheinigten Bongo einen deutlichen Sieg. Kaum jemand im Land hielt dieses offizielle Ergebnis für glaubwürdig - und vier Tage später erklärten es die Militärs für null und nichtig. Sie setzten Ali Bongo ab und bestimmten stattdessen dessen Cousin Brice Oligui Nguema zum Übergangspräsidenten.
Versprechen auf „freie und transparente Wahlen"
Damit trafen die Putschisten den Nerv einer Bevölkerung. Nach dem Staatsstreich gab es Jubelszenen auf Gabuns Straßen. Vor allem die jüngeren Bevölkerungsschichten verlangten bessere Lebensbedingungen und eine gerechtere Verteilung der Reichtümer des Landes. Das Pro-Kopf-Einkommen in dem ölreichen Land war 2021 laut Daten der Weltbank mit umgerechnet gut 4500 US-Dollar eines der höchsten in Subsahara-Afrika. Gleichzeitig lebt etwa ein Drittel der gut 2,3 Millionen Gabuner unter der Armutsgrenze.
Auch die katholische Kirche, der eine Mehrheit der Gabuner angehört, unterstützt die neuen Machthaber. Trotz säkulärer Verfassung legt sie ihr Gewicht auch häufig bei politischen Fragen in die Waagschale, zuletzt bei Protesten für transparente Wahlen Anfang 2023. Brice Oligui Nguema ist gläubiger Katholik, wie etwa drei Viertel der 2,2 Millionen Gabuner. Die christliche Mehrheit sieht General Nguemas Machtübernahme als "Aufbruch in eine neue Ära". Omar Bongo, Ali Bongos Vater, war in den 70er-Jahren zum Islam konvertiert. Das hatte bei vielen Christen für Misstrauen gesorgt.
Nationaler Dialog: Wahlen im August 2025?
Ein Jahr nach der Machtübernahme des Militärs gibt es einen verhältnismäßig klaren Fahrplan, wie die Rückkehr zu demokratischen Regierungsformen ausgestaltet werden soll.
In den Monaten nach dem Putsch organisierte die Übergangsregierung einen "inklusiven nationalen Dialog", der allen Schichten der Zivilgesellschaft offenstand. Zu den wichtigsten Ergebnissen gehört, zukünftig ein Präsidialsystem mit maximal zwei Amtszeiten von je sieben Jahren einzuführen. Auch eine Stärkung der Dezentralisierung und der Bürgerbeteiligung ist vorgesehen.
Die Übergangszeit bis zur Abhaltung von demokratischen Wahlen wurde auf 24 Monate nach der Machtübernahme der Übergangsregierung festgelegt, allerdings mit der Möglichkeit einer Verlängerung.
"Es bleibt tatsächlich zu hoffen, dass die Militärregierung in Gabun die für den August 2025 geplanten Wahlen tatsächlich abhält", kommentiert Ingo Barodeck von der Konrad-Adenauer-Stiftung. "Ein konkreter Zeitplan für die Abhaltung der Präsidentschaftswahlen steht immer noch nicht. Wir müssen ganz konkrete Pläne des jetzt zuständigen Innenministeriums abwarten, diese Wahlen tatsächlich in einem Jahr stattfinden zu lassen."
Übergangs-Machthaber Oligui Nguema beteuerte auf der internationalen Bühne mehrfach, sich an diesen Zeitplan zu halten. Mit seinen Zusicherungen erreichte er bereits im März, dass Gabuns suspendierte Mitgliedschaft in der zentralafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Eccas wieder normalisiert wurde. Und auch Emmanuel Macron, Präsident der früheren Kolonialmacht Frankreich, wertete ihn Ende Mai durch einen Empfang mit militärischen Ehren im Elysee-Palast auf.
Oligui Nguema auf dem Weg zu dauerhafter Macht?
In Gabun häufen sich die Spekulationen, dass General Oligui Nguema die Übergangszeit dafür nutzt, um seine Kandidatur zum Präsidenten vorzubereiten. Der politische Analyst Astanyas Bouka sagt im DW-Gespräch: "Seine Ambitionen sind groß und er versuchte von Anfang an, Vertreter der Zivilgesellschaft in seine Übergangsregierung einzubinden, um so der Opposition den Wind aus den Segeln zu nehmen."
Einer dieser Vertreter ist der in Gabun bekannte Menschenrechts-Aktivist Georges Mpaga. Er gehört dem Wirtschafts-, Sozial- und Umweltrat der Übergangsregierung an. Mpaga sagt zur DW: "Wir engagieren uns in dieser Übergangsphase auf der Seite der Übergangsregierung, weil wir diesen Prozess von Anfang an angestoßen haben. Durch unsere Lobbyarbeit und durch unsere Proteste haben wir bereits vor dem Putsch zur Demontage des Bongo-Systems beigetragen."
Ein Jahr nach dem Putsch gibt es jedoch auch Unmut über die Kooperation ziviler Vertreter mit dem Militär, das 2016 noch im Auftrag Bongos gegen Zivilisten vorgegangen war: Sie hätten ihre Prinzipien geopfert, meint Analyst Bouka, "nämlich den tugendhaften Kampf für das Wohlergehen der gabunischen Bevölkerung". Und so bleibt auch fraglich, welche Rolle die Zivilgesellschaft in der Zeit nach dem Übergang ausfüllt.
Mitarbeit: Sidella Nymane (Libreville)