Nächstes Jahr kommt China
18. Oktober 2008"Tradition und Innovation" – unter diesem Motto will sich China als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2009 präsentieren. China sei eine der ältesten Kulturnationen der Welt, betonte Li Dongdong, die chinesische Vizeministerin für das Verlagswesen, stolz. Außerdem habe sich China in den letzten Jahren enorm entwickelt, immer wieder fällt das Wort "Öffnung".
Stetige Fortschritte?
Die chinesische Journalistin Zhion Zheng hört dem Ganzen allerdings eher skeptisch zu. "China ist in der Wirtschaft absolut geöffnet", sagt sie. Politische Öffnung gebe es jedoch nicht. "Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit – das gibt es nur auf dem Papier, das steht in der Verfassung, aber in der Realität existiert es meiner Meinung nach noch nicht." Zhion Zheng hat die Zensur selbst erlebt. Sie arbeitet in Berlin für die Wochenzeitung "Epoch Times", deren Webseite in China blockiert ist. Das Blatt ist bekannt für seine Kritik an der chinesischen Regierung.
Ganz andere Erfahrungen scheint da Zhang Jie gemacht zu haben. Seit 30 Jahren sei die Welt Zeuge, so die chinesische Schriftstellerin, wie China stetig Fortschritte mache – und das auch auf politischem Gebiet. "Die Schriftsteller sind in ihrem Schaffen im Großen und Ganzen keinen Restriktionen unterworfen und können schreiben, was sie wollen. Die Freiheit jedoch ist immer komplizierter geworden", meint sie.
Mit gemischten Gefühlen
Kompliziert scheint auch die Frage zu sein, welche Schriftsteller nächstes Jahr eingeladen werden. Ob auch im Exil lebende Autoren, wie der Literaturnobelpreisträger Gao Xingjian dabei sind, darauf gab die Vizeministerin Li Dongdong nur eine ausweichende Antwort: Es stünden noch keine Namen fest und sowieso entschieden die Verlage, wer nach Frankfurt komme und wer nicht.
Johano Strasser, Präsident des deutschen Zentrums der internationalen Schriftstellervereinigung P.E.N., sieht dem Auftritt Chinas mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits sei es wichtig, das Land sehr viel genauer wahrzunehmen, erklärt er, "und dazu kann auch die Wahrnehmung der Literatur beitragen." Andererseits habe er die Sorge, dass nicht alle Stimmen – insbesondere die kritischen – aus dem Land ausreichend berücksichtigt werden.
Schon beim diesjährigen Gastland, der Türkei, gab es viele Diskussionen, beispielsweise über Menschrechtsverletzungen und Meinungsfreiheit. Aber neben dem wirtschaftlichen Aspekt, sei auch genau das ein Grund China als Ehrengast einzuladen, sagt der Direktor der Frankfurter Buchmesse Jürgen Boos. "Wir wollen das Scheinwerferlicht darauf richten, was momentan in China passiert", verspricht er, "und wollen darüber reden, welche Veränderungen in den Bereichen Zensur, Internet und Information durchgeführt wurden." Er sei sehr froh, dass sich China dieser Diskussion stelle.
Wechselspiel zwischen Nähe und Distanz
Eine Plattform bauen – das steht für Jürgen Boos im Mittelpunkt. Dass Autoren und Verleger zusammenkommen und sich untereinander austauschen. Um die Vielfalt macht er sich keine Sorgen. Neben dem Ehrengast werden auch Exilverlage ausstellen und auch das P.E.N.-Zentrum will dafür sorgen, dass kritische Stimmen hörbar werden. Alles in allem wird es wohl ein Wechselspiel zwischen Nähe und Distanz werden, sagt der deutsche Erfolgsautor Ingo Schulze. Vor zwei Jahren reiste er mit einigen Schriftsteller-Kollegen nach China und stellte fest, dass es ein großes Interesse an Literatur gibt.
Überrascht sei er damals gewesen über die Mentalität der Chinesen. Viel einfacher sei es für ihn gewesen als in Korea oder Japan: "Man verstand sich irgendwie sehr viel schneller." Allerdings räumt er ein, dass das noch nichts über das Politische aussage. "Ich finde es aber schon wichtig zu sagen: 'Präsentiert euch hier, zeigt was ihr habt.' Dann muss man aber natürlich auch sehr deutlich machen, was nicht gezeigt wird."