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Ein Deutscher im bulgarischen Roma-Ghetto

24. Dezember 2011

Seit sechs Jahren lebt der Deutsche Frank Abbas in einem bulgarischen Roma-Ghetto. Dort hilft er den Menschen durch Bildung der Armut zu entkommen. Für sein Engagement hat Abbas sein Leben in Deutschland aufgegeben.

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Frank Abbas, Vorsitzender der NGO Light in der darkness (Quelle: Frank Abbas)
Frank AbbasBild: Light in the darkness

Vor sechs Jahren kam der Bremer Spediteur Frank Abbas beruflich nach Bulgarien. Eines Abends schlenderte er durch die Straßen von Varna, der drittgrößten Stadt des Landes, ehe er vor einer Gruppe von Straßenkünstlern stehen blieb. Während er sich das Treiben der Clowns ansah, näherten sich ihm bettelnde Roma-Kinder, die sich die Straßenkünstler auch anschauen wollten. Als ein Clown dann einen der Jungen aufforderte, bei ihm auf dem Fahrrad mitzufahren, konnte sich dieser vor Freude gar nicht zurückhalten. Auf gebrochenem Englisch bat er den Deutschen, auf seine Flöte und sein Geld aufzupassen.

Ein "weißer" Roma

Das Funkeln in den Augen des Kindes bewegte Frank Abbas sehr. Er wollte dem Jungen, der sich Sascho nannte, und den anderen Kindern irgendwie helfen. Mit der Zeit entwickelte sich zwischen Abbas und dem Roma-Jungen eine Freundschaft. "Wir haben uns oft in der Stadt getroffen", erzählt Abbas. Dann aber sei Sascho lange Zeit nicht gekommen. "Eines Tages erschien er, geschwächt und mit Hautausschlag übersät." Es stellte sich heraus, dass der Junge eine Lebensmittelvergiftung hatte. Frank Abbas brachte Sascho zum Arzt und half ihm wieder, gesund zu werden. Kurz darauf lernte er Saschos Roma-Stamm kennen. "Dort wurde ich später zu einer Ratssitzung eingeladen, bei der ich in den Stamm als 'weißer Roma' aufgenommen wurde, weil ich Sascho das Leben gerettet hatte", erinnert sich der Bremer.

Das Roma-Ghetto Vladislavovo in der bulgarischen Stadt Varna (Quelle: Frank Abbas)
Das Roma-Ghetto in Varna - das neue Zuhause von Frank AbbasBild: "Light in the darkness"

Der Clan half dem 39-Jährigen, eine Wohnung mitten im Ghetto zu bekommen, in desolatem Zustand und ohne fließendes Wasser. Am Anfang sei das Leben dort schwierig gewesen, aber es habe ihn nicht gestört, erinnert sich Abbas. "Ich bin selber in einer armen Familie aufgewachsen. Wir mussten das Wasser auf dem Herd warm machen, um uns zu waschen." Inzwischen sei jedoch auch bei ihm der "Fortschritt" angekommen – in seiner Wohnung hat er jetzt fließendes Wasser und eine funktionierende Toilette.

Lichtblick in der Dunkelheit

Bereits in Deutschland hatte Abbas mit Migranten aus Bulgarien und dem Kosovo gearbeitet. In Varna gründete er 2006 die evangelische Glaubensgemeinschaft "Light in the darkness", die sich der Arbeit mit Roma-Kindern widmet.

Unterricht bei der NGO Light in the darkness in Varna (Quelle: Frank Abbas)
Unterricht im GhettoBild: Light in the darkness

Zusammen mit einer bulgarischen Nichtregierungsorganisation kümmert er sich darum, dass die Roma-Kinder Bildung bekommen, denn Wissen sei der Schlüssel zur Integration: "Ich versuche den Roma zu erklären, dass sie ihr Leben in die eigenen Hände nehmen müssen, dass sie Bildung brauchen." Dabei sei die bulgarische Sprache die Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration. "Nur so können sie einen guten Job kriegen", betont der Bremer. In diesem Jahr hat er es geschafft, 83 Kinder in der Schule anzumelden.

Sein Engagement sei aber nicht so gerne gesehen, zumindest nicht bei reichen Roma aus dem Viertel, die die Kinder für ihre kriminellen Machenschaften benutzen, sagt Abbas und fügt hinzu: "Alle Kinder müssen lernen, damit es ihnen gelingt, hier rauszukommen und zu arbeiten und nicht zu stehlen oder sich zu prostituieren." Denn im Ghetto habe man keine große Wahl. "Wir versuchen, sie aus den Händen der Verbrecher zu retten und schicken sie in die Schule. Wir verändern ihre Umgebung", erklärt Abbas. Dafür sei er den reichen Roma negativ aufgefallen. Er wurde mehrmals bedroht, doch er wolle weitermachen.

Brücken schlagen

Vor allem versucht Abbas Brücken zwischen Bulgaren und Roma zu schlagen. "Als ich vor sechs Jahren hier einzog, wollte keiner der Roma ins Stadtzentrum gehen. Sie hatten Angst, von den Bulgaren geschlagen zu werden.“ Einen Kaffee in einer Bar zu trinken, sei für sie undenkbar gewesen. "Aber heute, nachdem sie so viele Bulgaren kennen wie Lehrer oder ehrenamtliche Mitarbeiter, die ihnen helfen wollen, haben sie gesehen, dass nicht alle Bulgaren schlecht sind", so Abbas.

Roma als Geldquelle

Kinder und Betruer der NGO Light in the Darkness in Bulgarien am 15.9.2011 (Quelle: Frank Abbas)
Die Kinder aus Vladislavovo und ihre Betreuer am Tag der EinschulungBild: "Light in the darkness"

Doch viele staatliche Organisationen, Nichtregierungsorganisationen oder aber Kriminelle würden die Roma oft nur als Geldquelle ansehen, sagt Abbas. Man würde ihre Personalien sammeln, um soziale Leistungen zu beziehen, die bei den Bedürftigen nie ankommen. Auch die Schulen würden mit den Roma Gewinn machen, sagt Abbas: "Jede Schule in Bulgarien bekommt von den Behörden jährlich etwa 1800 Leva (ca. 900 Euro) Budget pro Schüler. Wenn die Schüler nicht anwesend sind, müssen die Schulen das Geld zurückgeben. Ich war sehr überrascht, als ich mit Vertretern meiner Nichtregierungsorganisation Roma-Kinder in der Schule anmelden wollte. Da sagte mir der Direktor 'Warum neu anmelden? Die sind doch längst angemeldet'."

Auf Korruption sei er auch an anderen Stellen gestoßen. Das mache die Bemühungen um die Integration der Roma zunichte, sagt Frank Abbas. Doch er wolle nicht aufgeben. Abbas ist überzeugt: "Wenn die Bulgaren den Roma helfen, kann das Problem mit den Gettos gelöst werden."

Autor: Nikolaj Tsekov/Blagorodna Grigorova
Redaktion: Robert Schwartz/ Karin Jäger