Politische Farbenlehre
Von Konrad Adenauer über Helmut Kohl bis Angela Merkel: Die Christlich-Demokratische Union (CDU) im Verbund mit ihrer rein bayerischen Schwesterpartei, der Christlich-Sozialen Union (CSU), hat über die längste Zeit den Bundeskanzler gestellt. In der Nachkriegszeit hatten sie ihre Anhänger vor allem unter den früheren Wählern der katholisch geprägten Zentrumspartei gefunden. Die volkstümliche Bezeichnung der Unionsparteien als "die Schwarzen" stammt auch vom Zentrum, denn für dieses saßen einst viele schwarz gewandete katholische Priester im Parlament. "Christlich" tragen beide Parteien im Namen und werden im Parteienspektrum als "konservativ" eingeordnet.
Traditionell stehen sie für christlich geprägte Ideale. Als Volksparteien suchen sie allerdings auch einen möglichst breiten Konsens in der Bevölkerung. Als Koalitionspartner bevorzugen die Unionsparteien oft die liberale Freie Demokratische Partei (FDP). Zur Not gehen sie aber auch so genannte "Große Koalitionen" mit der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) ein. Das gab es auf Bundesebene erstmals Ende der 1960er-Jahre und auch von 2005 bis 2009.
Rot und sozialdemokratisch
Dazwischen hatten immer mal wieder SPD-geführte Koalitionsregierungen entweder mit der FDP oder den Grünen im Bund das Sagen. Für die Sozialdemokraten stehen die Bundeskanzler Willy Brandt, Helmut Schmidt und zuletzt Gerhard Schröder. Das Rot ihres Banners verweist auf die Wurzeln in der Arbeiterbewegung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die SPD gab es unter diesem Namen bereits in der Weimarer Republik. Sie wurde aber, wie alle anderen Parteien, von den Nationalsozialisten verboten; viele ihrer Mitglieder starben in Konzentrationslagern.
Nach dem Krieg belasteten ideologische Streitigkeiten die Partei. In ihrem "Godesberger Programm" beschloss die SPD im Jahr 1959, sich inhaltlich und ideologisch von einer sozialistischen Arbeiterpartei zu einer sozialdemokratischen - und damit für mehr Bürger wählbaren - Volkspartei zu wandeln.
Grün - mehr als nur ökologisch
Bis Mitte der 1980er-Jahre gab es für die Sozialdemokraten bei der Suche nach einem Koalitionspartner nur die Wahl zwischen der FDP und - wie in den 1960er-Jahren - der "Großen Koalition" mit den Unionsparteien. Im Laufe der 1980er-Jahre betrat ein neuer Koalitionspartner die politische Bühne: die Grünen. Sie haben ihre Wurzeln in der Anti-Atomkraft- und der Friedensbewegung der 1970er- Jahre, aber auch in der Frauenbewegung sowie Bürgerinitiativen.
Nach und nach gab es die ersten vorsichtigen Bündnisse auf Lokal- und Landesebene mit den Grünen, bis man Rot-Grün 1998 unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder auch im Bund umsetzte.
Im Mai 2011 wurde Winfried Kretschmann schließlich zum ersten grünen Ministerpräsidenten gewählt: Seither regiert in Baden-Württemberg eine grün-rote Koalition, also ein Bündnis aus Grünen und SPD. Mehr als 30 Jahre nach ihrer Gründung, stehen die Grünen damit zum ersten Mal an der Spitze einer Landesregierung. Daneben wird inzwischen sogar Schwarz-Grün - zumindest auf Lokal- und Landesebene - praktiziert.
Eigentlich heißen die Grünen offiziell "Bündnis 90/Die Grünen", denn 1993 vereinigten sich die im "Bündnis 90" zusammengefassten Bürgerbewegungen Ostdeutschlands mit den Grünen. Seitdem trägt die Partei einen Doppelnamen.
Gelb steht für liberal
Die Freie Demokratische Partei (FDP), die im Farbenspektrum traditionell gelb erscheint, hat ihre Position als einziges Zünglein an der Waage zwischen den Unionsparteien und den Sozialdemokraten verloren. Die FDP war Juniorpartner fast jeder Bundesregierung, sofern die nicht schwarz-rot oder rot-grün war.
Die Partei sieht sich in der Tradition des Liberalismus in Deutschland und lehnt staatliche Überregulierung ab. Die FDP vertritt oft die Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen und wird gerne auch als "Partei der Besserverdienenden" gebrandmarkt.
Seit 2009 stellt die FDP gemeinsam mit der CDU/CSU die deutsche Bundesregierung. Bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern im September 2011 kam die Partei allerdings nur noch auf 2,8 Prozent der Stimmen; eine ähnlich große Niederlage erlebte die FDP im gleichen Monat auch bei der Berlin-Wahl: Mit einem Verlust von knapp 6 Prozent der Stimmen ist sie nicht mehr im Berliner Abgeordnetenhaus vertreten. Dafür sorgte ein Neuling in der deutschen Parteienlandschaft für eine politische Sensation.
Erst entern, dann ändern: Die Piratenpartei
Denn die 2006 gegründeten Piraten zogen im September 2011 zum ersten Mal in ein deutsches Landesparlament ein: Während die FDP in Berlin auf nur 1,8 Prozent kam, erreichten die unter einem Orange-farbenen Logo segelnden Piraten auf Anhieb 8,9 Prozent.
Fast schon traditionelles Hauptthema der noch jungen Piratenpartei ist das Internet. Die Piraten fordern einen Gratiszugang zum Internet und wollen den Online-Kopierschutz entschärfen: Jeder soll freien Zugang zu allen Informationen haben, die im Internet verfügbar sind. Außerdem setzen sich die Piraten gegen das Speichern persönlicher Daten durch staatliche Behörden ein. Angespornt durch den Berliner Erfolg peilen die Polit-Neulinge in Orange inzwischen bundespolitische Mitwirkung an.
Rot-Rot, für viele SPD-Mitglieder noch ein rotes Tuch
Seit einigen Jahren erstarkt die Linkspartei, deren Farbe ebenfalls rot ist und die zur Unterscheidung von den Sozialdemokraten auch gerne als dunkelrot bezeichnet wird. Die Linkspartei zieht vor allem Wähler der SPD an. Bei den Sozialdemokraten wiederum gibt es heftige parteiinterne Diskussionen, wie die SPD zur Linken stehen soll. Doch mehrheitlich haben die etablierten Parteien ein Problem mit der Linken. Das hat mit ihrer Entstehungsgeschichte zu tun:
Ihre Wurzeln im Osten sind in der früheren Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) der DDR zu finden, deren Mitglieder zunächst nach der Wiedervereinigung die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) gründeten. Diesen wird immer noch eine personelle und ideologische Nähe zum einstigen Regime vorgeworfen. Der westliche Wurzelstrang ist eine junge Absplitterung der SPD: die Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG). PDS und WASG haben sich inzwischen zur Linkspartei vereinigt, die soziale Missstände anprangert und sich als Vertreter des kleinen Mannes versteht. Auch mit einem radikalen Pazifismus versucht die Linke zu punkten.
Rechtsextreme in der deutschen Parteienlandschaft
Für Aufsehen haben stets Erfolge der Rechtsextremen gesorgt. Unter ihnen macht vor allem die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) von sich reden. Sie war schon in den 1960er-Jahren in mehrere Landesparlamente eingezogen und errang auch in den letzten Jahren immer einmal wieder Landtagssitze.
Ein Verbotsverfahren gegen die NPD wurde 2003 vom Bundesverfassungsgericht wegen Verfahrensfehlern gestoppt. Seitdem wird hin und wieder über ein neues Verbotsverfahren diskutiert - besonders in jüngster Zeit, nachdem die Mordserie der rechtsextremistischen Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" bekannt geworden ist und es deutliche Hinweise auf Verbindungen zwischen den Tätern und NPD-Mitgliedern gibt.
Auch andere Gruppierungen am rechten Rand - wie die Republikaner und die Deutsche Volksunion (DVU) - konnten vorübergehend in Landtage einziehen. Allerdings ist es noch keiner rechtsextremen Partei gelungen, bei Bundestagswahlen über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen.
Autor: Klaus Dahmann, Heike Mohr
Redaktion: Peter Stützle, Hartmut Lüning