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Besuch auf Augenhöhe

7. April 2009

Obamas Linie des gegenseitigen Respekts in den Beziehungen zur islamischen Welt bestimmte auch seinen Türkei-Besuch. Europa sollte sich daran ein Beispiel nehmen, kommentiert Baha Güngör.

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Bild: DW

In seiner knapp halbstündigen Ansprache an die Abgeordneten der Großen Nationalversammlung in Ankara hob US-Präsident Barack Obama wie erwartet die globale Rolle der Türkei als Partner des Westens bei der Lösung internationaler Probleme und ihre geostrategische Bedeutung hervor. Die Lobeshymnen für seine Gastgeber gewannen an Glaubwürdigkeit, weil Obama von ihnen auch forderte, sich auch zu den dunklen Flecken der eigenen Geschichte zu bekennen.

Auch forderte er die Wiedereröffnung des Priesterseminars der griechisch-orthodoxen Kirche in Istanbul sowie mutige Schritte zur Lösung der Armenier-Frage. Im letzteren Zusammenhang vermied Obama allerdings im Gegensatz zu seinen Wahlkampfäußerungen den von der Türkei kategorisch zurückgewiesenen Vorwurf des "Völkermords", als er die Verfolgung und den Tod von Hunderttausenden Armeniern bei Deportationen im Ersten Weltkrieg ansprach. Er sicherte den jüngsten Versuchen einer Annäherung zwischen Ankara und Eriwan die volle Unterstützung der USA zu.

Türkei als Teil des Westens

Baha Güngör (Foto: DW)
DW-Experte Baha Güngör

Obama hatte nicht von ungefähr die Türkei zum Ziel seines ersten Staatsbesuchs diesseits des Atlantischen Ozeans bestimmt. Seine wichtigste Botschaft an die Türkei war, dass sie mit ihrer laizistischen Demokratie als wichtigstes Vermächtnis des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk ihren Platz in der westlichen Welt eingenommen habe. Die Verbindungen zwischen der Türkei und Europa bestünden auch nicht bloß aus zwei Brücken über dem Bosporus.

Obamas Hinweis auf die kulturelle und ethnische Vielfalt in Europa als "Quelle der Kraft" war mit einer Anerkennung der wachsenden Bedeutung des Islams in der Weltpolitik verbunden. So befänden sich die USA "nicht im Krieg mit dem Islam". Vielmehr sei die Partnerschaft mit dem Islam auf der Basis des gegenseitigen Respekts von enormer Wichtigkeit. Auch an den Iran als große Zivilisation in direkter Nachbarschaft zur Türkei richtete er seine Botschaft: Der Iran habe die Wahl zwischen Wohlstand für die iranische Bevölkerung oder Waffen.

Obamas Beispiel für Europa

In Bezug auf die militante kurdische Separatistenorganisation PKK hat Obama eine andere Sicht als die Europäer, denn er sieht sie als durchaus vergleichbar mit dem Terrornetzwerk Al Kaida. Beide hätten das Ziel, mit terroristischen Aktionen den Irak zu spalten, so Obama. Deshalb würden die USA den türkischen Kampf gegen den PKK-Terrorismus unterstützen. Damit aber diese Äußerungen von der Türkei nicht als Freibrief in der Auseinandersetzung mit den Kurden verstanden werden, schränkte er ein, Gewalt könne nicht das einzige Mittel gegen den Extremismus sein, vielmehr sei auch die Verbesserung der materiellen Lage der Menschen wichtig.

Mit seinem Auftritt in der Türkei hat Obama indirekt auch der EU vorgemacht, wie man mit diesem islamischen Land umgehen sollte, das auf vielen Gebieten an der Seite des Westens steht. Gerade wegen der gemeinsamen Interessen wären die EU-Länder gut beraten, nicht bei jeder Gelegenheit die Zugehörigkeit der Türkei zur europäischen Familie in Frage zu stellen. Wie realistisch oder unrealistisch auch immer ein von den USA befürworteter EU-Beitritt sein mag - Obama machte mit gutem Beispiel vor, wie eine Begegnung mit der Türkei auf gleicher Augenhöhe aussehen sollte.

Autor: Baha Güngör

Redaktion: Dirk Eckert

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