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Ein Bayer in Bamako

Tina Gerhäusser, Bamako/Mali22. Oktober 2005

Das ist nicht der Titel einer malischen Fernseh-Soap, sondern eine wahre Geschichte. Sie handelt von einem Münchner, der auszog, das Schreinerhandwerk in Mali zu fördern. Tina Gerhäusser hat den Auswanderer besucht.

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Meine erste Fata Morgana in Afrika: Ich stehe in einem gepflegten Einfamilienhaus in einer dieser deutschen Vorstädte, in die junge Familien mit Vorliebe und Kind und Kegel ziehen. Direkt vor mir eine Tür aus rötlichem Holz, mit abgerundeter Kunststoffklinke und großer Glasscheibe. Es riecht nach Miracoli und nebenan übt jemand Klavier – "Für Elise".

Tür zur Heimat

Von der Fata Morgana bleibt nur die Tür. Eine echte deutsche Tür in Mali. Das ist das Werk von Joachim Axel Milz. Seit fünf Jahren betreibt der gebürtige Münchner eine Schreinerwerkstatt in Bamako. Fünf Angestellte und vier Lehrlinge fertigen hier Holztüren und Kunststofffenster auf Bestellung. "Ich wollte einen Handwerksladen gründen, der anders ist als die anderen", sagt Milz. "Ordentliche Qualität" ist dem 45-Jährigen am wichtigsten. Bei früheren Aufenthalten als Aus- und Fortbilder in Mali und im Senegal, hatte er das Potential der jungen afrikanischen Schreinerlehrlinge entdeckt. Mit Maschinen und Techniken aus Deutschland will er ihre Arbeit konkurrenzfähig machen zu den vielen Importwaren, die den malischen Markt überschwemmen.

Schrauben und andere Schwierigkeiten

Eine gute Ausstattung ist der erste Schlüssel zur Qualität. Zwei bis drei Mal im Jahr reist Milz nach Deutschland. Und dann wird eingekauft: 30.000 Schrauben, diverse Kunststoffteile, gebrauchte Kreissägen und Fräsmaschinen. Milz lädt einen Lkw voll und schickt ihn nach Bamako. Nur das Holz für die Türen stammt aus Afrika - allerdings nicht aus Mali, sondern aus Ghana, Guinea oder der Elfenbeinküste. Es muss erst sorgfältig getrocknet werden. Und weil es in Mali kaum gute Lacke, Beizen und wenig Schleifmittel gibt, muss Milz auch beim Endprodukt Abstriche machen. "Ich würde mir oft wünschen, eine noch bessere Oberfläche bieten zu können", sagt er. "Aber ich muss dann immer wieder feststellen, dass es mit den hier möglichen Materialien nicht machbar ist." Hinzu kommen die unberechenbaren Faktoren: hier ein Stromausfall, da ein unerwarteter Feiertag. "Dann kommt schon mal das Arbeitsprogramm durcheinander." Milz hat gelernt, geduldig zu sein. "Also das wichtigste ist, dass man geistig und auch überhaupt flexibel ist", sagt er. Wer gegen die Verhältnisse anrennt, hat schon verloren.

Malische Manpower

"Was hier vielleicht leichter ist als in Deutschland, das ist, arbeitswillige Mitarbeiter zu finden", sagt Milz lobend. "Und sie können noch mit der Hand sägen." Weil er von ihnen Qualitätsarbeit erwartet, bezahlt Milz seine Angestellten besser als andere malische Schreinermeister. Alle Mitarbeiter haben feste Verträge. Im Gegenzug mussten sie lernen, sich nahezu deutschen Ordnungsmaßstäben anzupassen. Dazu gehört für Milz, "dass man versucht, sein Material ordentlich zu stapeln", dass nicht auf dem Boden sondern an Tischen gearbeitet wird, "und dass man darauf achtet, dass jedes Teil und jedes Werkzeug in der Werkstatt seinen Platz hat, damit auch jeder es findet." Die Rechnung des Bayern ist aufgegangen: das Geschäft läuft sehr gut. Seine Kunden sind überwiegend wohlhabende Malier, die es sich leisten können, umgerechnet knapp 150 Euro für eine Tür zu bezahlen.

Ein Tropfen Lebensqualität

Milz selbst greift inzwischen seltener zum Hobel. Denn er unterstützt das malische Handwerk nicht nur aktiv mit seinem Betrieb, sondern auch als Entwicklungshelfer: Er berät die beiden größten Handwerkervereinigungen des Landes im Rahmen des vom Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) geförderten Programms PAMA (Projet d’appui aux Artisans - Coopération Mali-Allemagne).


"Ich werde wohl noch eine Weile hier bleiben", sagt er. Seine malische Frau ist froh, nach Jahren in Deutschland wieder in ihrer Heimat zu leben. Die fünf Kinder haben den Wechsel gut überstanden, drei von ihnen gehen in Bamako zur Schule. Milz schätzt an Mali "eine gewissen Ruhe", die entstehe, weil sich die Menschen nicht so sehr unter Druck setzen (lassen). Und weil es in Mali auch ganz gute Brauereien gibt, fehlt dem Münchner nicht einmal das bayerische Bier.