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Der Kampf gegen Armut verlangt Demokratie

23. August 2010

Armutsbekämpfung gilt als unumstrittener Erfolg der Kommunistischen Partei Chinas. Nach Angaben der Weltbank haben sich in den vergangenen 25 Jahren rund 600 Millionen Menschen aus absoluter Armut befreien können.

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Zwei Jahre nach dem Erdbeben: zerstörter Tempel in der Nähe des Dorfes Wenhe Foto: Kristin Kupfer Mai 2010
Zwei Jahre nach dem Erdbeben: zerstörter Tempel in der Nähe des Dorfes WenheBild: Kristin Kupfer

In einem verregneten Dorf in der westchinesischen Provinz Sichuan kniet Wang Wei zwischen halbvertrockneten Bambuspflanzen. Wang leitet ein von ihm gegründetes Institut, das sich einem Konzept der Armutsbekämpfung verschrieben hat, welches die chinesische Regierung mit Misstrauen betrachtet: Hilfe zur Selbsthilfe.

Die Namen in diesem Artikel sind alle geändert worden. Denn wenn es um die Hindernisse und Rückschläge in der Armutsbekämpfung geht, reagieren Pekings Machthaber zugeknöpft. Wang Wei und seine Privatinitiative für nachhaltige Entwicklung haben den hiesigen Bauern vor sechs Monaten einen Kleinkredit für den Anbau von Nan-Bambus gewährt.

Kritische Prüfung des Anbaus: neue Techniken müssen sich erst durchsetzen. Foto: Kristin Kupfer Mai 2010
Kritische Prüfung des Anbaus: Neue Techniken müssen sich erst durchsetzenBild: Kristin Kupfer

Die Bewohner bildeten Kleinkooperativen und absolvierten Fortbildungen. Doch das Ergebnis ist mager, der Bambus vertrocknet. "Wir beherrschen wohl die Anbautechnik noch nicht gut genug", sagt der Parteisekretär des Dorfes, Zhang Jun, zerknirscht. "Wir haben die gemeinschaftliche Bewässerung nicht gut genug organisiert." Wang nickt. Er weiß, welche Herausforderungen nachhaltige Armutsbekämpfung in den armen Landesteilen Chinas mit sich bringt.

Wie sorgt man für dauerhaften Erfolg?

Dabei gilt die Armutsbekämpfung als der Erfolg Chinas schlechthin. Laut Weltbank hat das Reich der Mitte in den vergangenen 25 Jahren mehr als eine halbe Milliarde Menschen aus absoluter Armut geführt. Das UN-Millenniumsziel hat China somit längst erreicht. Aber nun stellt sich die Frage, wie die Lebensbedingungen der Menschen nachhaltig und unabhängig vom Geldhahn der Regierung verbessert werden können.

Durch Eigeninitiative und Mitbestimmung, lautet die Antwort Wang Weis. Der gelernte Ingenieur will in der Armutsbekämpfung neue Wege gehen. Früher arbeitete er selbst für den Staat, genauer für das staatliche Büro für Armutsbekämpfung der Provinz Sichuan. Als man dort seine Ideen nicht hören wollte, kündigte er.

Sein auf Mitbestimmung basierendes Konzept erregt Misstrauen. Deshalb gründete Wang vor knapp zwei Jahren sein eigenes Institut. Es ist eine der wenigen Privatinitiativen zur nachhaltigen Entwicklung in China. Der Staat beäugt ihn und seine Mitarbeiter genau. Daher hält Wang bei seiner Arbeit engen Kontakt mit den Behörden. Er will sie mit einem konkreten Konzept überzeugen: Kleinkredite für ländliche Kommunen.

Der autoritäre Staat erzieht zur Unselbständigkeit

"Die Verquickung von Krediten und späterer Rückzahlung unterstützt die lokalen wirtschaftlichen Aktivitäten", sagt Wang. "Dabei werden auch die Fähigkeiten der Kommune gefördert, sich selbst zu entwickeln". Die Schwierigkeiten sind groß. Die Bauern, gewöhnt an einen paternalistischen Staat, der sie bevormundet und umsorgt, haben verlernt, wie man sich selbst organisiert. Seit einigen Jahren aber schon zieht sich der Staat zurück aus der Basisarbeit der Armutsbekämpfung. Das entstehende Vakuum kommt für viele Bauern plötzlich und trifft sie unvorbereitet.

Einige Kilometer weiter, in einem Bergdorf, hat Bauer Ma Qian Projektleiter Wang und seine Mitarbeiter zu einer Diskussionsrunde eingeladen. Er hat einfache Holzbänke im Kreis aufgestellt. Die Bauern, die gekommen sind, blicken ernst.

Armutsbekämpfung in Sichuan: Neue Häuser ersetzen die Holzbaracken Foto: Kristin Kupfer Mai 2010
Armutsbekämpfung in Sichuan: Neue Häuser ersetzen die HolzbarackenBild: Kristin Kupfer

Bauer Ma spricht als erster. Er ist verärgert über die staatliche Entwicklungsarbeit, die nach dem schweren Erdbeben im Mai 2008 seine Region verwüstete. Da das alte Dorf zerstört war, ließen die Behörden eine Neubausiedlung errichten – allerdings anderthalb Stunden Fußweg von den Feldern der Bauern entfernt. Für die Neubauten mussten sich die Bauern Geld leihen. Heute sind sie alle hoch verschuldet. In den neuen, modernen Wohnungen gibt es zwar fließendes Wasser und Strom. Doch ihr Vieh dürfen sie dort nicht halten. Und die Stromrechnungen sind hoch, zu hoch für viele.

Angst vor den Schrecken der Vergangenheit

Bauer Ma und die anderen suchen Rat beim Projektleiter Wang. Ihre Minen bleiben verschlossen, als Wang und seine Mitarbeiter die Idee der Kleinkredite und der Kooperative vorstellen. Ma hört genau zu. Er weiß, wie misstrauisch viele Bauern gegenüber jeder Art von Kollektiv sind. Die Erinnerungen an die folgenreiche Zwangskollektivierung während der Mao-Jahre sitzt noch tief. Mancher von ihnen hat sie selbst erlitten, die Hungerkatastrophe in die Mao Zedong sein Land damals in den frühen 60er Jahren trieb.

"Wir müssten erst die genauen Bedingungen festlegen", sagt Ma. "Man muss das Ziel definieren und das im Verhältnis zum erreichbaren Einkommen setzen." Wang erklärt geduldig, dass eine gemeinschaftliche, aber selbstbestimmte Organisationsform Voraussetzung für seine Unterstützung ist. Er sagt wieder und wieder, dass sie nur das machen werden, was sie selbst beschließen. Bauer Ma zumindest hat das überzeugt. Er will es gemeinsam mit den anderen Bewohnern wagen, den Weg in die Zukunft selbst zu gestalten.

Autorin: Kristin Kupfer
Redaktion: Ana Lehmann