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Gewalt gegen Frauen

Basak Özay / Hülya Kölyü Schenk31. Januar 2013

Die meisten Opfer sogenannter Ehrenmorde in Deutschland stammen aus der Türkei. Dort kämpfen Frauenrechtlerinnen seit langem gegen diese Verbrechen - und gegen archaische Geschlechterbilder.

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Symbolbild - ein Mann hält einer Frau die Hand vor den Mund (Foto: detailblick)
Bild: Fotolia/detailblick

Die Opfer sind meistens junge Frauen, die sich nach einer selbstbestimmten Existenz sehnen. Dieser Traum kostet sie das Leben, weil sie aus Sicht der Täter angeblich mit ihrem "falschen" Verhalten die Ehre der Familie verletzen würden. Falsches Verhalten kann in den Augen der Täter eine unerwünschte Liebesbeziehung sein, Ehebruch oder die Weigerung, einen Mann zu heiraten, den die Familie ausgesucht hat. Oft fällt die Familie gemeinsam die Entscheidung zur Bluttat und das Opfer wird von den männlichen Familienmitgliedern umgebracht. Trotzdem seien die Täter nicht immer Männer, erklärt Monika Michell, Referentin für "Gewalt im Namen der Ehre" bei der Organisation Terres des Femmes: Es gebe "Frauen, die - so paradox es klingt - dieses patriarchale System aufrechterhalten, indem sie ihre Töchter zwingen, jemanden zu heiraten, den sie nicht möchten, oder gemeinschaftlich das Ehrenmordurteil über sie fällen.“

In der Türkei werden sogenannte "Ehrenmorde" seit 2005 wie andere Kapitalverbrechen behandelt. Im türkischen Strafrecht gibt es zwar noch den Begriff Ehrenmord, doch die Strafe für den Täter kann nicht reduziert werden, weil er behauptet, aus kulturellen und familiären Gründen gehandelt zu haben. Frauenrechtlerinnen in der Türkei bezeichnen diese Morde als Frauenmorde, die ihre Wurzeln in den patriarchalischen Mentalitäten ihres Landes haben. Sie bezweifeln es auch, dass die Vorschriften des Strafrechts immer konsequent angewendet werden: Denn die türkische Justiz kann es immer noch als strafmildernd für den Mörder seiner Ehefrau werten, wenn diese zuvor die Scheidung beantragt hat. Das ist keine Seltenheit: Allein im vergangenen Jahr kam es in der Türkei zu 217 Morden an Frauen. Fast ein Drittel der Opfer wurden von ihren Männern getötet, nachdem sie die Scheidung eingereicht hatten.

Protestierende Frauen in Istanbul, die gegen Gewalt gegen Frauen demonstrieren (Foto: AP Photo/Osman Orsal)
Proteste gegen Gewalt an Frauen in IstanbulBild: AP

Patriarchalische Mentalitäten

Viele Frauenorganisationen in der Türkei haben sich zusammengeschlossen und die Plattform ‘Wir werden Frauenmorde stoppen' gegründet. Sie fordern von der Regierung, dass sie effektive Maßnahmen gegen Frauenmorde ergreift. "Die Mehrheit im Parlament, die Gesetze macht, besteht aus Männern. Es handelt sich um ein Thema, das von patriarchalischen Mentalitäten geprägte Männer nicht mögen", gibt die türkische Frauenrechtlerin und Anwältin Çigdem Hacýsoftaoglu zu bedenken. "Deswegen glauben sowohl die Gesetzgeber als auch diejenigen, die die Gesetze anwenden, dass sie Recht haben."

Laut einer Studie der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch haben mehr als ein Drittel der Frauen in der Türkei physische Gewalt durch ihren Partner erlitten. Doch nur wenige von ihnen wenden sich mit ihrem Problem an die Behörden.

Gesetz soll Lage der Frauen verbessern

Abhilfe soll ein Gesetz zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen leisten, das vor knapp einem Jahr in der Türkei verabschiedet wurde. Durch dieses Gesetz kann eine Frau beispielsweise einen neuen Namen und eine neue Identität bekommen, wenn sie in akuter Gefahr ist. Außerdem werden die Auflagen für Männer verschärft, denen in Folge eines richterlichen Beschlusses verboten ist, sich einer von ihnen bedrohten Frau zu nähern. Familienministerin Fatma Sahin will die Gewalt gegen Frauen besonders entschlossen bekämpfen: Die Diskriminierung von Frauen sei sogar "schlimmer als Rassismus", erklärte die Politikerin.

Symbolbild - eine Frau steht vor einem Gitterfenster (Foto: dpa)
Gesetze taugen nichts ohne eine konsequente Politik - kritisieren FrauenrechtlerinnenBild: picture-alliance/dpa

Solche Maßnahmen seien zwar gut gemeint, findet die türkische Frauenrechtlerin und Regisseurin Melek Özman: "Aber wenn es keine konsequente Politik, keinen Aktionsplan, kein ausreichendes Budget gibt, taugen die Gesetze für die Gleichstellung von Frauen nichts."

Zudem müssten Frauen besser über ihre Rechte aufgeklärt werden, sagt Monika Michell von Terre des Femmes. Dringend nötig seien Schutzeinrichtungen und Beratungsstellen. Zurzeit gibt es in der Türkei 77 Frauenhäuser, aber nach Angaben von Frauenrechtsorganisationen braucht das Land mindestens 4000 solche Einrichtungen, um genug Frauen helfen zu können, die Opfer von Gewalt geworden sind.