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DW plant Berufung gegen Verurteilung von Bülent Mumay

26. August 2024

Der DW-Mitarbeiter erhielt in der Türkei 20 Monate Haft auf Bewährung, weil er angeblich geheime Informationen eines Bauunternehmers veröffentlicht haben soll. Die Berufung soll beim Verfassungsgericht eingelegt werden.

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Der in Istanbul tätige türkische Mitarbeiter der Deutschen Welle, Bülent Mumay, beim Global Media Forum am 20. Juni 2023 mit einem Mikro in der Hand
Der in Istanbul tätige türkische Mitarbeiter der Deutschen Welle, Bülent Mumay (hier beim Global Media Forum im Juni 2023) Bild: Philipp Boell/DW

Die Deutsche Welle plant, gegen die Verurteilung des DW-Mitarbeiters Bülent Mumay im Jahr 2023 wegen der Veröffentlichung von angeblich geheimen Informationen eines Istanbuler Bauunternehmers beim höchsten türkischen Gericht Berufung einzulegen. Ein untergeordnetes Gericht in der Türkei hatte in der vergangene Woche die 20-monatige Haftstrafe gegen Mumay auf Bewährung bestätigt.

Die von Mumay selbst gegen das Urteil eingereichte Berufung wurde damit abgelehnt. Mumay, Koordinator des Istanbuler Büros der türkischen DW-Redaktion, droht nun, in Haft genommen zu werden. Er hat nur noch einen einzigen Rechtsweg, nämlich die Klage beim türkischen Verfassungsgericht.

Limbourg: Mumay soll "zum Schweigen gebracht werden"

Dazu erklärte Mumay: "Um ehrlich zu sein, habe ich nicht erwartet, dass die Berufung zu meinen Gunsten entschieden wird. Es wäre eine Überraschung, wenn die vom Palastregime politisierte Justiz zu Gunsten eines Journalisten entscheiden würde - vor allem in einer Zeit, in der es keine Pressefreiheit mehr gibt", sagte Mumay. "Die Prozesse und Urteile gegen mich und andere Journalisten haben zwei Ziele - sowohl um uns zu 'neutralisieren' als auch um andere Journalisten einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen."

DW-Intendant Peter Limbourg protestierte gegen das Urteil: "Bülent Mumay ist ein unerschrockener, erfahrener und kritischer Journalist, der anscheinend vom türkischen Machtapparat zum Schweigen gebracht werden soll. Die Vorwürfe gegen ihn sind offensichtlich haltlos und stellen einen Vorwand dar, um ihn und andere türkische Journalistinnen und Journalisten einzuschüchtern. Die DW steht weiterhin an seiner Seite und wird ihn auch juristisch mit aller Kraft unterstützen."

Worum geht es in dem Fall?

Der Fall bezieht sich auf Informationen, die Mumay im Jahr 2020 in den sozialen Medien geteilt hat und die sich auf angebliche Geldwäschemodelle beziehen, an denen Bauunternehmer und Beamte der früheren Istanbuler Stadtregierung beteiligt waren. Diese wurde damals von der AKP (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) von Präsident Recep Tayyip Erdogan geführt.

Eingang zu einer U-Bahn-Station am Taksim-Platz in Istanbul
​​​​Die Recherchen von Bülent Mumay zur Erweiterung des Istanbuler U-Bahn-Netzes lösten das juristische Vorgehen gegen den Mitarbeiter von DW und FAZ ausBild: DHA

Aus dem Material ging angeblich hervor, dass einige der beauftragten Bauunternehmen mit der Stadtverwaltung verbunden waren. Die Daten betrafen den Ausbau des Istanbuler U-Bahnsystems, der auch durch internationale Investitionen und Kredite unterstützt wird.

Das Gerichtsverfahren begann nach einer Beschwerde des Eigentümers des betroffenen Unternehmens, der Baufirma Met-Gun Insaat. Dieser behauptete, es handele sich um die illegale Verbreitung "persönlicher Daten". Mumay erklärte dagegen, er habe nur seine Arbeit als Journalist gemacht. Die türkischen Behörden unternahmen auch Schritte, um den öffentlichen Zugang zu den Informationen im Internet zu blockieren.

Unterstützung durch Journalistenorganisationen

Die DW und Mumays anderer Arbeitgeber in Deutschland, die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), protestierten gegen das ursprüngliche Urteil im Jahr 2023 mit Unterstützung von Reporter ohne Grenzen und des deutschen Zweigs des Schriftstellerverbandes PEN.

Auch das Internationale Presseinstitut (IPI) gab nach Mumays jüngstem gescheiterten Einspruch am 20. August eine kritische Erklärung ab. "Dieses Urteil stellt einen schweren Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei dar und untergräbt weiter die Grundlagen des demokratischen Diskurses im Land", sagte das IPI. "Wir fordern die türkischen Behörden dringend auf, ihre Schikanen gegen kritische Journalisten zu beenden. Der Fall Mumay ist ein Beispiel für die systematische Unterdrückung des unabhängigen Journalismus in der Türkei."

Mumay wurde 2016 in den Tagen nach dem Putschversuch in der Türkei, für den Erdogans Regierung den in den USA lebenden ehemaligen Erdogan-Verbündeten Fethullah Gülen verantwortlich macht, ebenfalls verhaftet und später freigelassen. 

Der nächtlich illuminierte Amtssitz des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan am der Präsidentenstichwahl am 28 Mai 2023. Davor haben sich zahreiche Anhänger Erdogans versammelt
Bülent Mumay bezeichnet die türkische Führung unter Recep Tayyip Erdogan - mit Blick auf den Amtssitz des Staatschefs - in der Regel als "Palastregime" Bild: Umit Bektas/REUTERS

Mumay hat seine journalistische Tätigkeit auch während des laufenden Prozesses fortgesetzt und dabei häufig Positionen vertreten, die der türkischen Regierung kritisch gegenüberstehen oder mit ihr nicht übereinstimmen. So steht er beispielsweise der islamistischen Terrororganisation Hamas im Zusammenhang mit dem Krieg im Gazastreifen wesentlich kritischer gegenüber als Präsident Erdogan. Dieser gehört zu den schärfsten Kritikern Israels unter den Staatsoberhäuptern der Welt - und erst recht unter den NATO-Mitgliedstaaten.

"Die Regierung will eine Presse, die sie unterstützt und mit ihr in all ihren Aktionen übereinstimmt, nicht nur in der Außenpolitik", sagte Mumay. "Aber was sie wollen, ist kein Journalismus, sondern Öffentlichkeitsarbeit. Das Palastregime versucht, jeden zum Schweigen zu bringen oder sich mit jedem zu verbünden, der ihm nicht zu 100 Prozent treu ist. Um ehrlich zu sein, gibt es nur noch sehr wenige Journalisten in diesem Land, die sich dem widersetzen."