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DW-Korrespondenten zur Lage der Juden in den postsowjetischen Staaten Zentralasiens

22. Oktober 2002

Jüdische Konferenz in Almaty eröffnet

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Köln, 21.10.2002, DW-radio / Russisch

Am 21. Oktober ist in Almaty eine Konferenz eröffnet worden, deren Ziel die Gründung eines Euroasiatischen Rabbiner-Rates ist. Der Rat soll künftig die jüdischen Gemeinden in Europa und Asien vereinigen und die Beziehungen unter den Juden, die dort leben, stärken.

Auf Einladung des obersten Rabbiners des Landes und des Euroasiatischen jüdischen Kongresses nehmen an dem Forum 27 führende Vertreter jüdischer Gemeinden aus 15 europäischen und asiatischen Staaten, aus der Region des Stillen Ozeans, der GUS und dem Baltikum teil. Aus Almaty berichtet unsere Korrespondentin Jewgenija Wyschemirskaja:

Der Euroasiatische Rabbiner-Rat soll in Zukunft jüdische Gemeinden in 17 europäischen und asiatischen Staaten vereinigen und die Beziehungen unter der jüdischen Bevölkerung, die dort lebt, stärken. Die Gäste trafen am Montag (21.10.) mit der Führung der Stadt Almaty und mit der dortigen jüdischen Gemeinde zusammen. Am Dienstag (22.10.) wird die Delegation in die Hauptstadt des Landes, nach Astana, reisen, wo sie vom kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew und anderen hochrangigen Vertretern empfangen wird. Dort wird die Konferenz ihre Arbeit fortsetzen und am 23. Oktober soll sie in Jerusalem beendet werden.

Nach Angaben des jüdischen Zentrums im Almaty leben heute in Kasachstan mehr als 70 000 Juden. In dem Land bestehen der Verband jüdischer nationaler Organisationen "Mizwa", der Jüdische Kongress Kasachstans, Synagogen in fünf Städten, die jüdische Agentur "Sochnut", jüdische Tages- und Sonntagsschulen, die Stiftung "Or-Awner" und eine jüdische Bibliothek, die Abteilungen in 15 Städten unterhält. In den vergangenen Jahren wurden in Kasachstan zwei Synagogen errichtet und schon bald wird eine weitere in der Hauptstadt der Republik, in Astana, hinzukommen. Darüber hinaus gibt die jüdische Gemeinschaft in Kasachstan die Zeitungen "Dawar" und "Schalom" heraus.

Wie steht es um das kulturelle und religiöse Leben der jüdischen Gemeinden in den anderen Staaten des postsowjetischen Zentralasiens? Unsere Korrespondenten in der Region haben dazu einen Überblick vorbereitet. Beispielsweise gibt es gute Nachrichten von der jüdischen Gemeinde in Taschkent. Dort wurde mit dem Bau eines Zentrums begonnen, zu dem eine Synagoge, Unterrichtsräume und ein Saal gehören werden. Es berichtet Jurij Tschernogajew:

Der Pressesprecher der israelischen Botschaft in Taschkent, Wladimir Lopattschenko teilte gegenüber der Deutschen Welle mit, das neue Gemeindezentrum werde zusätzlich zu den zwei Synagogen errichtet, die bereits in der usbekischen Hauptstadt bestünden. Darüber hinaus gibt es jeweils zwei Synagogen in Samarkand und Buchara sowie jeweils eine in Kokand und Fergana. Die Synagogen in Samarkand und Buchara sind mehr als 100 Jahre alt. In Buchara befindet sich die Synagoge im historischen Zentrum der Stadt. Die jüdische Gemeinschaft in Usbekistan teilt sich in zwei große Gruppen: die Juden in Buchara, deren Wurzeln im Lande 2000 Jahre zurückreichen, und die Aschkenasen - die europäischen Juden, die zusammen mit europäischen Siedlern im 19. Jahrhundert ins Land kamen. Heute leben in Usbekistan 20 000 bis 25 000 Juden. Das ist nur ein Viertel der Zahl von 1990. Viele haben das Land verlassen, als in der Republik stürmisch demonstriert wurde und noch unklar war, wie sich die politische Lage in Zukunft gestaltet. Zurzeit besteht Wladimir Lopattschenko zufolge in Usbekistan "völliges gegenseitiges Einvernehmen zwischen den Juden und den Vertretern der anderen 120 Nationalitäten, die in der Republik leben."

Ein völlig anderes Bild bietet sich in Tadschikistan. Die einst große jüdische Gemeinschaft gibt es heute in der Republik nicht mehr. Es berichtet Bachrom Mannonow:

Noch Ende der 80er Jahre, vor Beginn des Bürgerkriegs in Tadschikistan, verließ der größte Teil der jüdischen Bevölkerung das Land. Die letzten Familien emigrierten während des Höhepunkts des Kriegs Mitte der 90er Jahre. In Duschanbe, aber auch in vielen Provinzstädten verschwanden ganze jüdische Viertel. Heute gibt es in Tadschikistan keine jüdische Diaspora mehr und auf dem Kongress in Almaty kann sie auch von niemandem mehr vertreten werden.

Die jüdische Emigrationswelle erfasste auch das verhältnismäßig wohlhabendere Kirgisistan. Es berichtet Saida Jusupchanowa:

Die Anzahl der Bürger jüdischer Nationalität ist in Kirgisistan gering, insgesamt 1500 Menschen. In den Jahren der Unabhängigkeit haben das Land etwa 1000 Juden verlassen. Die jüdische Diaspora in Bischkek gründete eine jüdische Privatschule, wo auf Hebräisch und Russisch unterrichtet wird. Während des Zweiten Weltkriegs wurde in Bischkek eine Synagoge gebaut, die bis heute die einzige in der ganzen Republik ist. Die Bevölkerung des Landes verhält sich gegenüber den Juden tolerant, aber viele Bürger jüdischer Nationalität ziehen es vor, ihre Herkunft zu verschweigen, und deswegen werden sie von der Statistik nicht als Juden erfasst. Der Hauptgrund für die Emigration der Juden aus Kirgisistan ist der schlechte Zustand der Wirtschaft des Landes.

Aus völlig anderen Gründen werden die Juden in Turkmenistan gezwungen, das Land zu verlassen. Turkmenistan ist das einzige Land Zentralasiens, wo vom Gesetz die Verfolgung von Menschen vorgesehen ist, die nicht offiziell zugelassenen Religionen angehören. Es berichtet Wiktorija Rodionowa:

Eine gewisse Anzahl von Juden ist in Turkmenistan noch verblieben, aber in der offiziellen Statistik tauchen sie nicht auf. In der Republik sind nur zwei Religionen zugelassen: der sunnitische Islam und das orthodoxe Christentum. Alle übrigen Gemeinden arbeiten halblegal und sie haben auch keine Gotteshäuser. Die jüdische Agentur "Sochnut" befindet sich praktisch im Untergrund und sie wird von Zeit zu Zeit von den Behörden verfolgt. Und die sogenannten "Büros", also Privatwohnungen oder Schulräume, die während der unterrichtsfreien Zeit angemietet werden, werden regelmäßig durchsucht. (MO)