"Du machst meinen Dreck weg!"
3. August 2019Heike muss sich tief hinunterbücken, um die heißen Teller aus der Industriespülmaschine zu heben. Mit einem Ruck ist der zehn Kilo schwere Abtropfkorb draußen. Trocken wischen. Einräumen. Nächste Ladung.
"Manche sehen dich ja wirklich einfach nur als Putze. Als unterstes Glied der Gesellschaft. 'Du machst meinen Dreck weg und ich bezahl' dich dafür'. Aber hier gehen die Leute respektvoll mit mir um." Seit einem Jahr macht die 55-Jährige jetzt in einem Großraumbüro im Osten Berlins sauber. Räumt die Betriebsküche auf und putzt zusammen mit ihren Mitarbeitern die 5000 Quadratmeter große Bürofläche, ganz legal. Vorher hat sie schwarz gearbeitet.
"Ich hab lange Hartz IV bekommen, weil ich einfach nichts gefunden habe. Sobald die in meiner Bewerbung gesehen haben, dass ich sieben Kinder habe, war's vorbei", erzählt Heike. Um die durchzubringen, sammelte sie Pfandflaschen und Altpapier. Für Nachbarn putzte sie, kaufte ein und baute sich damit einen Ruf auf. Bald hatte Heike eine Hand voll Kunden zusammen, doch immer verfolgte sie dabei die Angst: "Es war ein beschissenes Gefühl. Was ist, wenn dich einer anzeigt und du plötzlich Strafe zahlen musst?”
Von der Arbeitslosen zur Unternehmerin
Diese Angst konnte Heike hinter sich lassen, denn 2015 gründete sie ihre eigene Reinigungsfirma. Mittlerweile hat sie sechs Mitarbeiter. Doch für geschätzte eine Million Menschen ist die Schwarzarbeit heute noch Realität. Sie arbeiten laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) unangemeldet in fast drei Millionen Haushalten in Deutschland.
Vor allem sind es Frauen, die für einen geringen Stundenlohn aushelfen. Für Heike waren es damals gerade mal zehn Euro. Wenn die unangemeldete Haushaltshilfe erwischt wird, drohen Bußgelder und Jobverlust. Sollte sie nebenbei Sozialleistungen erhalten, kann es sogar zu einer Verurteilung wegen Betrugs kommen.
Ein Besuch in Heikes Wohnung in Ostberlin. Die gelernt Bäckereifachverkäuferin macht die Tür auf und entschuldigt sich für die Unordnung. Wir gehen durch einen schmalen Flur in ihr Schlafzimmer mit Einzelbett und kleinem Schreibtisch. Ein Müllsack voller Pfandflaschen lehnt an lange nicht mehr neu gestrichenen Wänden. Die sammelt sie heute noch, erklärt Heike, denn trotz eigener Firma sei das Geld oft knapp.
"Letzen Monat war es richtig beschissen, wieder nur so 400 Euro." Vier Wochen ist Heike wegen einer Operation am Knie ausgefallen. "Und wenn ich selbst nicht mitmache, dann bleibt auch nix." Allein 2000 Euro Krankenkassenbeitrag zahle sie monatlich für ihre Mitarbeiter. Dabei würde sie ihnen gerne mehr Lohn geben, aber einen höheren Tarif wären die Arbeitgeber nicht bereit zu zahlen. "Weil die Leute, die schwarz putzen, die Preise drücken," erklärt Heike.
Der Kampf Schwarzarbeit ist schwierig
Sie rührt in ihrem Milchkaffee und erinnert sich an ihre Kontakte aus der Schwarzarbeiter-Szene. Viele von ihnen wüssten, dass wenig überprüft wird. "Und wenn, dann gehen sie das Risiko ein. Die meisten sagen: 'Ist mir doch egal, ich bekomm' doch eh mein Hartz IV‘." Seit Jahren versucht die Politik deshalb, die legale Einstellung von Reinigungskräften für Arbeitgeber zu erleichtern.
Steuerzahler können mittlerweile ihre Haushaltshilfe absetzen. Außerdem verdienen Putzfrauen als sogenannte "Minijobber" bis zu 450 Euro legal und steuerfrei. Die Arbeitgeber zahlen dabei nur geringe Abgaben. Doch der Kampf gegen die Schwarzarbeit bleibt schwierig.
Zwischen 2005 und 2017 ist der Anteil der nicht angemeldeten Haushaltshilfen um nur fünf Prozent auf rund 89 Prozent gesunken. "Es fehlt an Zahlungsbereitschaft", sagt Professor Dominik Enste, Wirtschaftswissenschaftler vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln und Herausgeber der sogenannten IW-Studie zu Haushaltshilfen. Außerdem sähen viele die Dienste immer noch als Nachbarschaftshilfe anstatt als regulären Arbeitsplatz.
Für Heike ist klar, dass es mehr Ehrlichkeit auf der Arbeitnehmerseite braucht. Aber auch die Steuern und Abgaben müssten verringert werden, "sonst lohnt sich das Ganze einfach nicht." Im Großraumbüro glänzt die Küche wieder. Heike räumt die letzten Gabeln in die Schublade, lächelt zufrieden. Es ginge ihr gut mit ihrer Arbeit. Mittlerweile hat sie außerdem dreißig Kilo abgenommen und lebt mit einem reinen Gewissen. Und das allerwichtigste für Heike: "Ich bin meinen Kindern ein gutes Beispiel."