Wie Drogen die Umwelt zerstören
7. Oktober 2020Ob ein kleiner Joint auf dem Sofa oder eine schnelle Koks-Line im Club - weltweit haben 2018 laut den Vereinten Nationen 269 Millionen Menschen Drogen genommen. Die Kokainproduktion ist auf Rekordniveau, Opium seit zehn Jahren im Aufwärtstrend, der Markt für synthetische Drogen expandiert wie etwa in den Niederlanden, und das Geschäft mit Cannabis blüht weltweit. Schmuggel und Drogenkriege kosten Menschenleben, über Drogenkriminalität oder Folgen von Drogenkonsum für die Gesundheit gibt es viele Berichte. Was weniger bekannt ist: Der Drogenboom hat auch enorme Auswirkungen auf die Umwelt.
Ein Joint oder drei Kilo Kartoffeln
Mit 192 Millionen Konsumenten im Jahr 2018 ist Cannabis mit Abstand die beliebteste Droge weltweit - Tabak und Alkohol nicht mitgerechnet.
In den USA ist Marihuana ein Milliarden-Dollar-Markt, und immer mehr Bundesstaaten legalisieren den Verkauf. Doch der weit verbreitete Cannabis-Anbau besonders in Gewächshäusern verbraucht viele Ressourcen - für Beleuchtung, Lüftung und die richtige Temperatur.
Laut Schätzungen macht der Cannabis-Anbau in den USA bereits etwa ein Prozent des gesamten Stromverbrauchs des Landes aus. "Innerhalb eines Jahres werden in den Vereinigten Staaten etwa 15 Millionen Tonnen Kohlendioxid durch die Indoor-Produktion von Cannabis ausgestoßen. Das entspricht den jährlichen Emissionen von drei Millionen Autos", so einBericht der Davis University of California. Damit hat ein Joint etwa dieselbe Klimabilanz wie drei Kilo Kartoffeln.
Außerdem ist der Wasserbedarf sehr hoch: Eine einzige Cannabispflanze braucht bis zu 22 Liter Wasser pro Tag - doppelt so viel wie etwa ein Tomatenstrauch oder eine Weinrebe. Etwa 70 Prozent der landesweit konsumierten Grasblüten werden in Kalifornien angebaut, das erhöht den Wasserstress der Region besonders in Trockenzeiten enorm. Wissenschaftler des kalifornischen Ministeriums für Fischerei und Wildtiere schätzen, dass der illegale Freiland-Anbau von Cannabis den Wasserstand in Fließgewässern um bis zu einem Viertel senkt.
Kokain - weiße Spuren im Urwald
Der ökologische Fußabdruck der weltweit 19 Millionen Kokain-Konsumenten ist vor allem in Lateinamerika sichtbar. Laut den Vereinten Nationen war in Kolumbien 2018 eine Produktion von bis zu 1120 Tonnen möglich - so viel wie nie zuvor. Für den Koka-Anbau wurden dort seit 2001 mehr als 300.000 Hektar Wald gerodet.
Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang "sehen wir heute den Anbau in Kolumbien wieder auf ein neues Hoch steigen - fast wie vor zwanzig Jahren", erklärt Paolo Sandoval, Geograph an der Universität von Oregon, der DW. Er hat die neuesten Sattelitendaten ausgewertet. Sie zeigen, dass allein im Amazonasgebiet Kolumbiens derzeit auf 50.000 Hektar Koka angebaut wird - die Hälfte davon in Naturschutzgebieten mit großer Artenvielfalt.
Das von ihm untersuchte Gebiet macht dabei nur etwa 20 Prozent der gesamten Koka-Anbaufläche aus.
Die kolumbianische Regierung setzt bei der Bekämpfung des Koka-Anbaus bisher auf Vernichtung. Flugzeuge besprühen Plantagen mit dem hochkonzentrierten Pflanzengift Glyphosat. Durch die Methode wurden viele Koka-Plantagen vernichtet - aber auch angrenzende Wälder und Agrarland.
Dieses Vorgehen schadet der Umwelt mehr als sie zu schützen, meint Elizabeth Tellman, Geografin an der Columbia University in New York. Denn wenn Koka-Plantagen zerstört sind, roden Drogenkartelle einfach neue Waldgebiete und bauen woanders neu an.
"Wir wissen also, dass es [die Vernichtung von Anbauflächen] nicht nur keinen Effekt hat (...), sondern dass es wirklich kontraproduktiv ist", so Tellman gegenüber der DW.
Kokablätter werden im Dschungel angebaut und in geheimen Laboren zu Kokspulver verarbeitet. Dafür werden hochgiftige Chemikalien wie Ammoniak, Aceton und Salzsäure gebraucht. Wissenschaftler schätzen, dass jedes Jahr mehrere Millionen Liter davon in Böden und Flüssen entsorgt werden.
In den so verseuchten Gewässern gibt es laut einem Bericht der EU von 2015 kaum noch Wasserpflanzen oder Tiere.
MDMA, Ecstasy und Co.
Partypillen oder ein Näschen Speed auf der Clubtoilette sind in den letzten Jahren weltweit immer beliebter geworden.
Die Niederlande und Belgien sind über die Grenzen Europas hinaus Hotspots für synthetische Drogen. Die Herstellung von einem Kilo reinem MDMA, der Hauptsubstanz von Ecstasy, verursacht etwa zehn Kilo Giftmüll. Bei Amphetaminen sind es bis zu dreißig Kilo. Darunter Natriumhydroxid, Salzsäuren und Aceton - Stoffe, die eigentlich als Sondermüll und mit Schutzanzügen entsorgt werden müssten.
Das niederländische Water Research Institute (KWR) hat ausgerechnet, dass allein 2017 etwa 7000 Tonnen solcher hochgiftigen Abfälle illegal in Fässern abgeladen oder in Böden und Flüssen entsorgt wurden. "Das ist unglaublich", sagt Eric Emke, Wissenschaftler am KWR, der DW.
In einem Bericht des niederländischenFernsehsenders NOS zeigt ein Wissenschaftler, wie aggressiv die Flüssigkeiten sind. Er legt einen Hühnerschenkel in eine Schale mit gelbem Natriumhydroxid. Nach zwei Tagen hat sich das Fleisch vollkommen aufgelöst, zurück bleibt der rohe Knochen.
"Es kommt sogar vor, dass sie das Zeug in die Auffangbehälter für Gülle unter den Kühen schütten. Das Ganze wird dann auf die Felder gesprüht. Vor fünf Jahren hat man so Amphetamin- und Ecstasy-Rückstände in Mais nachgewiesen", so Emke.
Thailand, Laos und Myanmar haben sich in den vergangenen Jahren zum Zentrum einer globalen Produktion auf "industriellem Niveau” entwickelt, sagt Jeremy Douglas vom Asien-Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung. "Die Schäden an Grundwasser und Lebensräumen sind verheerend. Und offen gesagt handelt es sich um eine ökologische und gesundheitsgefährdende Katastrophe."
Opium in Afghanistan - Wassernot und Landflucht
337.000 Fußballfelder oder 23 Mal die Größe von Paris - so groß ist die Fläche, auf der laut den Vereinten Nationen 2019 weltweit Opium angebaut wurde. Hauptproduzenten sind Myanmar, Mexiko und vor allem Afghanistan - mit 84 Prozent der Hotspot der globalen Opiumherstellung.
Der Mohn blüht vor allem im Südwesten des Landes, wo bis in die 90er Jahre nichts außer staubtrockene Wüste war. Heute leben dort etwa 1,4 Millionen Menschen - vom Opiumanbau und der Landwirtschaft. Möglich ist das durch mehr als 50.000 solarbetriebene Wasserpumpen, die die Wüste begrünen. Auch wenn das erstmal positiv klingt, die Folgen sind dramatisch.
Laut einem Bericht des Sozio-Ökonomen David Mansfield sinkt seit der Installation der Solarbrunnen der Grundwasserspiegel in der Region um drei Meter jährlich. Die Brunnen reichen inzwischen bis in 130 Meter Tiefe. "Jedes Jahr kommen mehr Menschen in die Wüste und installieren tiefe Brunnen. Es wird sehr bald zu einem Punkt kommen, an dem Landwirtschaft nicht mehr möglich sein wird."
Die Opiumbauern setzen außerdem chemische Dünger und starke Pestizide gegen Unkraut ein. Messungen des Grundwassers ergaben eine deutliche Überschreitung der Nitratwerte. Das erhöht das Risiko des sogenannten "Blue-Baby-Syndroms", das bei Neugeborenen zu Herzfehlern und zum Tod führen kann.
Und wenn den Menschen vor Ort das Wasser ausgeht, sieht der Wissenschaftler ein hohes Risiko massiver Landflucht.