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Draghi vor dem Drahtseilakt

6. September 2012

Wird er zum Euro-Retter oder zu dessen Totengräber? Auf jeden Fall wird der Chef der Europäischen Zentralbank mit dem Beschluss, Anleihen von Krisenstaaten zu kaufen, gewaltige Turbulenzen auslösen - Ausgang offen.

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EZB-Präsident Mario Draghi (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Die Europäische Zentralbank (EZB) trifft an diesem Donnerstag die wohl am weitesten reichende Entscheidung in ihrer Geschichte. Der Rat der EZB wird in Frankfurt am Main mit großer Wahrscheinlichkeit den Kauf von Staatsanleihen angeschlagener Euro-Länder ankündigen. Damit sollen die Zinsen der überschuldeten Krisenstaaten sinken, das Vertrauen in die Währungsunion wieder steigen. EZB-Präsident Mario Draghi wird die Gründe für den Beschluss und eventuell Details des neuen Anleiheprogramms um 14.30 Uhr (MESZ) vor der Presse erläutern.

Es geht vor allem um die genauen Bedingungen, zu denen die Notenbank Staatspapiere erwerben darf. Zuletzt sickerte durch, dass sich die Käufe auf Anleihen mit bis zu drei Jahren Laufzeit beschränken dürften. Voraussetzung für ein Eingreifen soll Draghi zufolge ein Antrag des betreffenden Staates auf Hilfe durch den Euro-Rettungsfonds sein. Damit gehen Auflagen einher, denen sich die Länder nur ungern unterwerfen.

Bundesregierung gegen neue Anleihekäufe

Schäuble und Weidmann dagegen

Draghi hatte im vergangenen Monat die entsprechenden Käufe angekündigt, aber auch eingeräumt, dass sich etwa Bundesbankpräsident Jens Weidmann dagegen sperrt. Kritikpunkt ist, dass die EZB mit dem Aufkauf von Staatsanleihen indirekt ihre Mitgliedsländer finanziert, was ursprünglich nicht vorgesehen war. Die Gegner der Käufe sehen die Unabhängigkeit der Notenbank bedroht, bangen um die Geldwertstabilität und fürchten Inflation.

Bundesbankpräsident Jens Weidmann (Foto: Reuters)
Gehört zu Draghis Kritikern: Bundesbankpräsident WeidmannBild: Reuters

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sprach sich erneut gegen einen solchen Anleihe-Ankauf durch die Europäische Zentralbank aus. Deren vorrangige Aufgabe sei nicht die Finanzierung der Staatsverschuldung, sondern für Preisstabilität zu sorgen, sagte Schäuble am Mittwochabend im deutschen Fernsehen. Die Forderung, die Verschuldung der Staaten der Eurozone mit der Notenpresse lösen zu wollen, lehnte der CDU-Politiker entschieden ab.

Treffen von Rajoy und Merkel

Ganz anders dagegen Mariano Rajoy, Ministerpräsident Spaniens und damit Regierungschef einer der Euro-Krisenstaaten. Er setzt auf eine rasche Hilfe durch Ankäufe spanischer Staatsanleihen seitens der EZB. "Es ist jetzt besonders wichtig, dass wir uns wieder zu vernünftigeren Zinsen finanzieren können", sagte Rajoy der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Spanien wie auch Italien leiden derzeit unter hohen Zinsen, wenn sie sich Geld leihen, und versprechen sich durch ein Eingreifen der EZB Besserung.

Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy (Foto: Reuters)
Profitiert von Draghis Kurs: Spaniens Regierungschef RajoyBild: Reuters

Rajoy trifft an diesem Donnerstag in Madrid mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen. Dabei will er um die bislang verweigerte Zustimmung Deutschlands zu einem Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB werben. Rajoy versicherte gegenüber der Zeitung, dass er die deutschen Bedenken verstehe. Es gehe nun aber vordringlich darum, den Euro als Kernstück der Europäischen Union zu stabilisieren.

sti/wa (afp, dapd, dpa, rtr)