1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

DR Kongo: "MONUSCO, zieh endlich ab!"

Silja Fröhlich
28. Juli 2022

Tausende Kongolesen protestieren seit Tagen für den Abzug der MONUSCO, 22 Menschen sind dabei bisher gestorben. Die Kongolesen behaupten, die UN-Mission habe versagt und erlaube es Milizen, sie weiter zu terrorisieren.

https://p.dw.com/p/4En0e
Demokratische Republik Kongo | Proteste in Goma gegen UN Mission MONUSCO
Diese Demonstranten in Goma sind sichtlich unzufrieden mit der UN-Friedenstruppe MONUSCOBild: Moses Sawasawa/AP/picture alliance

Tagelang hallten Schüsse durch die Straßen von Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Bewohner verbarrikadierten Hauptstraßen, warfen Steine und Benzinbomben, plünderten Lager. In den Straßen brannten Reifen, und junge Männer hielten Schilder mit der Aufschrift in die Höhe: "MONUSCO, zieh ab!". Erst nachdem der Gouverneur der Region die Proteste in der Hauptstadt der Region Nord-Kivu verboten hatte, kehrte nach drei Tagen wieder Ruhe in Goma ein.

Viele Kongolesen sind wütend, sie sind enttäuscht. Und sie wollen, dass die im Rahmen der MONUSCO-Mission der Vereinten Nationen entsandten Friedenstruppen das Land verlassen. Warum? Sie werfen den UN-Friedenstruppen, die seit mehr als 20 Jahren im Ostkongo stationiert sind, vor, sie nicht vor den tödlichen Angriffen der unzähligen bewaffneten Gruppen in der Region zu schützen.

Angriff auf die UN ein "Kriegsverbrechen"

Die Gewalt begann am Montag in Goma, nachdem einige Demonstranten ein Lagerhaus der Vereinten Nationen gestürmt hatten, und griff dann auf die nahe gelegenen Städte Butembo, Kanyabayonga und Uvira über. UN-Chef Antonio Guterres sagte in einer Erklärung, dass das gewaltsame Eindringen in und die Plünderung von UN-Stützpunkten in der Region "möglicherweise ein Kriegsverbrechen darstellen".

Karte - Nord-Kivu, Demokratische Republik Kongo - DE

Die Zahl der Todesopfer bei den Demonstrationen ist inzwischen auf 22 gestiegen, wie ein Regierungssprecher am Mittwoch bestätigte. Darunter sind mindestens 16 Zivilisten sowie Sicherheitskräfte aus der DR Kongo, Indien und Marokko. Sprecher Patrick Muyaya fügte hinzu, dass weitere 67 Menschen zum Teil schwer verletzt worden seien.

Uneinigkeit herrscht jedoch über den Hergang der Ereignisse. Mapendo Kusudi, ein Menschenrechtsaktivist, beschuldigt die UN-Truppen, für einige der Todesfälle verantwortlich zu sein. "Einige Mitglieder der MONUSCO haben mit scharfer Munition auf Demonstranten in Goma und Butembo geschossen", sagte er am Montag nach den ersten Protesten in Goma der DW. Der amtierende MONUSCO-Chef Diagne sagte am Mittwoch, die UN forderten gemeinsam mit der kongolesischen Regierung eine Untersuchung der Todesfälle unter der Zivilbevölkerung, einschließlich einer Untersuchung der Kugeln.

Regierung der DR Kongo "unbeteiligt"?

Der Journalist Jack Kahorha, der in Goma lebt, sagte ebenfalls, dass eine Untersuchung notwendig sei, um zu klären, was passiert sei. "Es ist nicht klar, wer genau geschossen hat", sagte er der DW in einem Telefoninterview aus Goma. "Einige Quellen sagen, das MONUSCO-Kontingent habe auf die Demonstranten geschossen. Andere Quellen sagen, die Polizei und die kongolesische Armee hätten auf Demonstranten geschossen."

Demokratische Republik Kongo | Proteste in Goma gegen UN Mission MONUSCO
Ein Anwohner hält ein Plakat mit der Aufschrift "MONUSCO, zieh sofort ab"Bild: Moses Sawasawa/AP/picture alliance

Viele in Goma seien empört über die Pläne der Regierung, mutmaßliche Rädelsführer der Proteste zu verhaften, sagte Kahorha. Die Menschen in Nord-Kivu haben das Gefühl, dass die Regierung in Kinshasa ihre Sorgen über die sich verschlechternde Sicherheitslage in der Region nicht ernst nimmt, sagte er.

M23 gewinnt an Stärke

Die Demonstrationen folgen auf das Wiedererstarken der M23 - einer bewaffneten Gruppe, die seit 2013 weitgehend inaktiv war, bevor sie im vergangenen November die Kämpfe wieder aufnahm.

In den vergangenen Monaten häuften sich Massaker an der Zivilbevölkerung, Entführungen, Plünderungen und Brandstiftungen von Häusern. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks wurden allein im Juni 97 Zivilisten bei Angriffenim Osten der Demokratischen Republik Kongo getötet. Seit Anfang 2022 wurden demnach rund 700.000 Menschen in der Region vertrieben.

Dieser Lage konnten die MONUSCO-Truppen nichts entgegenzusetzen - und die Kritik an der Friedensmission wächst: Bei einem Besuch in Goma Mitte Juli forderte der Präsident des kongolesischen Senats, Modeste Bahati Lukwebo, die MONUSCO sollten "ihre Koffer packen". Daraufhin wurden die Demonstrationen in dieser Woche organisiert.

DR Kongo | Menschen auf der Fluch vor Kämpfen zwischen der Armee und den M23 Rebellen
Hunderttausende fliehen vor der Gewalt im Ost-KongoBild: Guerchom Ndebo/AFP/Getty Images

MONUSCO zieht langsam ab

Die MONUSCO steht vor einigen ernsthaften operativen Herausforderungen, sagt Nick Elebe, der DRK-Ländermanager der Open Society Initiative for Southern Africa (OSISA). "Probleme sind unter anderem eine mangelnde Zusammenarbeit mit der kongolesischen Zivilbevölkerung und dem Militär", so Elebe. "Außerdem fehlt es an Mitteln, und die sich ständig ändernde Strategien der bewaffneten Gruppen sind weitere Herausforderungen."

Die MONUSCO ist eine der größten Friedensmissionen der Welt: Derzeit sind mehr als 16.000 Militärkräfte in den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu und Ituri eingesetzt.

Um effektiver zu sein, brauche MONUSCO eine bessere Zusammenarbeit zwischen verschiedenen kongolesischen Organisationen und den UN-Behörden, sagte Elebe.

"Es ist wichtig, die Sicherheitslage so ganzheitlich wie möglich zu behandeln. Verschiedene Akteure sollten einbezogen werden, um Fragen der Entwicklung, der Sicherheit, des Militärs, der Wiedergutmachung und der Justiz zu erörtern", sagte er in einem DW-Interview in der Hauptstadt Kinshasa.

Demokratische Republik Kongo | Proteste in Goma gegen UN Mission MONUSCO
Die Demonstrationen schlugen in Gewalt um, als Demonstranten das örtliche Hauptquartier der MONUSCO und einen logistischen Stützpunkt stürmtenBild: MICHEL LUNANGA/AFP/Getty Images

Ein sofortiger MONUSCO-Abzug, wie von den Demonstranten gefordert, würde "ein Vakuum hinterlassen, was den Sicherheitsrahmen in der Region angeht", sagte er. "Ich glaube nicht, dass sie einfach abziehen können, es sollte schrittweise geschehen, mit einem Plan".

Regionale Zusammenarbeit im Kampf gegen Milizen

Der aus der Stadt Beni in Nord-Kivu stammende Politiker Jean Baumbilia ist der Ansicht, dass die regionalen afrikanischen Streitkräfte in die Suche nach einer Lösung des Kivu-Konflikts einbezogen werden sollten. Auf den Vorschlag Baumbilas und anderer Politiker wird die kongolesische Armee seit Dezember von hunderten Soldaten aus Uganda unterstützt: "Als sie ankamen, konnten wir erste Erfolge verzeichnen. Jetzt gilt es, die bisher geleistete Arbeit zu bewerten und ihnen neue Anweisungen zu geben."

Ein regionaler militärischer Ansatz würde jedoch auch das benachbarte Ruanda einbeziehen, mit dem Kongo in ständigem Konflikt steht. Die beiden Länder schieben sich gegenseitig die Schuld an der schlechten Sicherheitslage in der Region zu, wobei Kinshasa Kigali vorwirft, die M23 zu unterstützen. Ruanda streitet dies ab.

In den Städten Beni, Butembo und Goma ist vorerst wieder Ruhe eingekehrt. Es wurden mehr Soldaten und bewaffnete Polizisten in die Region entsandt. Die Demonstranten wollen jedoch ihren Protest fortsetzen, bis die MONUSCO ihren Abzug aus der Demokratischen Republik Kongo ankündigt.

 

Mitarbeit: John Kanyunyu, Zanem Nety Zaidi und Eddy Micah Junior

Silja Fröhlich
Silja Fröhlich Redakteurin, Reporterin und Moderatorin