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Dorf der Hoffnung

3. November 2010

Kaum zwei Prozent der Palästinenser sind Christen. Allerdings wandern immer mehr ab. Armut, keine Arbeit, keine Perspektiven. Doch das christliche Dorf Taybeh versucht, seine Einwohner zu halten – mit kreativen Ideen.

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Blick auf das Dorf Taybeh (Foto: Daniel Pelz/ DW)
Ortsansicht von TaybehBild: DW

Auf den ersten Blick könnte Taybeh wohl jedes palästinensische Dorf sein - wären da nicht die drei Kirchtürme. Weiß und schmal ragen sie in den Himmel empor. Darunter schmiegen sich schachtelförmige, flache Häuser an einen Hügel. Drei Kirchtürme, drei Konfessionen: römisch-katholisch, griechisch-katholisch und orthodox. Die Sonne brennt vom wolkenlos-blauen Himmel, es ist Mittagzeit.

Der kath. Gemeindepfarrer Raed Abusahlia von Taybeh mit einem Mädchen aus der Kirchengemeinde (Foto: Daniel Pelz/ DW)
Der katholische Pfarrer und ein Mädchen aus der GemeindeBild: DW

Pfarrer Raed Abusahlia sitzt in seinem Büro hinter der katholischen Kirche. Der Pfarrer ist ein umtriebiger Mensch – ständig gestikuliert er mit seinen Händen, rutscht auf dem Stuhl hin und her. Denn dem Pfarrer geht stets eine ganze Menge durch den Kopf. "Meine erste Sorge ist, die Menschen hier im Dorf zu halten", erzählt Abusahlia. In den 1960er Jahren lebten hier noch 3400 Menschen, jetzt sind es knapp 1400. "Ich habe festgestellt, dass die Menschen drei Dinge brauchen, um hier zu bleiben: Ein Haus, einen Arbeitsplatz und eine Ehe. Wenn sie einen Job haben, haben sie auch das Geld, um ein Haus zu mieten oder zu bauen und dann bleiben sie hier", erzählt der Pfarrer.

Friedenslichter schaffen Arbeitsplätze

Doch Arbeitsplätze sind rar in Taybeh. In diesem Flecken des Westjordanlandes gibt es keine Industrie. Deshalb beschlossen die verschiedenen christlichen Kirchen, selber welche zu schaffen. Eins der Projekte ist die Töpferei der katholischen Kirche. Wie eine mittelalterliche Burg mit Zinnen sieht das weiße Haus aus, gut 300 Meter von der Kirche entfernt. In einer Ecke hacken Männer weiße Blöcke in kleine Stücke, in einer Art Schredder werden sie klein gemahlen. Eine weiße Puderschicht bedeckt den Boden, an den Wänden stehen Metallregale mit weißen Tontauben.

Herstellung der Friedenslichter aus Taybeh in der kirchlichen Töpferie im Westjordanland (Foto: Daniel Pelz/ DW)
Herstellung der Friedenslichter in der kirchlichen TöpfereiBild: DW

Abduallah Jacoub Muaddi, der Werktstattleiter, zeigt die Friedenstauben, die hier hergestellt werden: Sie heißen Friedenslichter, im inneren ist Platz für Olivenöl und einen Docht. In roter Schrift steht "Frieden" in sieben Sprachen. Insgesamt 86 Arbeitsplätze hat allein die katholische Kirche in Taybeh geschaffen. Über Partner in Europa werden die Friedenslichter an Kirchen in ganz Europa verkauft. Und auch Olivenöl für das Friedenslicht produziert die Gemeinde selbst in ihrer Presse.

Keine "professionellen Bettler"

Selbst Geld zu verdienen sei besser, als von der Hilfe christlicher Organisationen abhängig zu sein, findet auch Gemeindepfarrer Abusahlia. "Ich glaube nicht, dass die Christen im Heiligen Land professionelle Bettler bleiben wollen, die von der Solidarität anderer abhängen", sagt Abusahlia. Damit spielt er auf die zahlreichen Hilfsprojekte an, die sich um die palästinensischen Christen kümmern. "Die Christen im Nahen Osten wollen arbeiten, das sollen sie ja auch, und sie möchten mit Würde überleben."

Der Bürgermeister von Taybeh, David Khoury, an seinem Schreibtisch im Rathaus (Foto: Daniel Pelz/ DW)
Der Bürgermeister von Taybeh, David KhouryBild: DW

Das sieht Ortsbürgermeister David Khoury ganz genau so. In seinem weißen Geländewagen geht’s zum Rathaus. Nebenbei gehört ihm die Hälfte der örtlichen Brauerei: Links und rechts der Straße stehen ein paar kleine Läden, eine Bäckerei und eine Autowerkstatt. Mehr gibt es nicht in Taybeh. In der Ferne stehen Olivenbäume in der braunen Landschaft, weiße Steine dazwischen. Mehr als 20.000 dieser Bäume gibt es rund um Taybeh, doch überleben kann kaum jemand davon. "Tabyeh ist das letzte christliche Dorf in Palästina. Das ist ein Schatz. Und ein Auftrag an uns, unsere christliche Identität zu erhalten", sagt David Khoury.

Häuser für junge Familien

Um die Menschen im Dorf zu halten, hat die orthodoxe Kirche ein weiteres Projekt entwickelt: Häuser zu bauen. Der 35-jährige Gabriel Aranki steht in der Tür seines Hauses und lädt zum Kaffee ein. Er wohnt in einem dieser Häuser. Im Wohnzimmer stehen weiche braune Sofas, die weißen Fliesen auf dem Boden blitzen. Vor einem Monat ist Gabriel Aranki mit seiner Frau hier eingezogen. Er arbeitet im Finanzministerium der palästinensischen Autonomieregierung in Ramallah. Er wollte gerne in seiner Heimat Taybeh bleiben – das günstige Haus machte es möglich. "Wenn hier Leute heiraten, dann möchten sie auch ein Haus. Es muss hier mehr Häuser geben, die sich junge Leute leisten können", erzählt er.

Geholfen hat ihm dabei die orthodoxe Kirchengemeinde. Sie baut Wohnhäuser – die Bewohner müssen sich finanziell an den Kosten beteiligen. Vier Familien sind bisher eingezogen. Damit sollen junge Ehepaare wie Gabriel Aranki und seine Frau in Taybeh gehalten werden. Gabriel Arankis Frau stellt kleine Tassen auf den Tisch und bietet Mokka an. Die beiden fühlen sich wohl in ihrem Haus und hoffen, dass viele andere junge Ehepaare es ihnen gleich tun werden – und in Taybeh bleiben.

Autor: Daniel Pelz

Redaktion: Klaus Gehrke