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Dissonanzen zwischen Deutschland und China

19. Mai 2011

Die Inhaftierung von Ai Weiwei sorgt für Misstöne zwischen Berlin und Peking: Beim Versuch, in China Neues über den chinesischen Künstler zu erfahren, biss der deutsche Menschenrechtsbeauftragte Markus Löning auf Granit.

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Zwei chinesische Frauen halten Ai-Weiwei-Fotos in den Händen, darauf ist er geknebelt (Archivfoto: ap/dapd)
Der Umgang mit dem Regimekritiker widerspricht deutschen WertenBild: dapd

Während Unternehmen aus Deutschland vom chinesischen Wirtschaftsboom kräftig profitieren, sieht es weiterhin trübe aus, sobald es um Fragen gemeinsamer Werte in beiden Ländern geht. Das wurde einmal mehr klar, als der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, am Donnerstag (19.05.2011) nach fünftägigen Gesprächen in Peking die Bilanz seines China-Besuchs vorstellte.

Markus Löning in nachdenklicher Pose (Archivfoto: dpa)
Markus Löning ist der Menschenrechtsbeauftragte der BundesregierungBild: picture alliance/dpa

Vor allem die Inhaftierung des Künstlers und Regimekritikers Ai Weiwei belaste die Beziehungen zwischen beiden Staaten, erläuterte Löning. Er kritisierte, dass Ai Weiwei ohne Zugang zu einem Anwalt an einem unbekannten Ort festgehalten werde. Seine Familie habe sechs Wochen kein Lebenszeichen von ihm gehabt, bis ihn seine Frau am Sonntag habe sehen dürfen. "Ich habe deutlich gemacht, dass das unserer Ansicht nach nicht rechtsstaatlichen Standards entspricht", sagte der FDP-Politiker.

Unwirsche Reaktion in China

Ai Weiwei ist der bekannteste chinesische Gegenwartskünstler - seine Werke verkaufen sich für hohe Summen, in den westlichen Kunstmetropolen wird er wie ein Superstar gefeiert und seine Ausstellungen sind Publikumsmagneten. In China hat er dagegen noch nie Werke ausstellen dürfen. Weil er offen und oft Kritik am kommunistischen Regime übte, fiel er in Ungnade. Am 3. April wurde er schließlich auf dem Pekinger Flughafen von der Grenzpolizei festgenommen, als er das Land verlassen wollte.

Die deutschen Sorgen über den Umgang mit dem 53-jährigen Künstler werden nach Darstellung Lönings in Peking ignoriert. Auf seine Frage bei einem Essen, warum der Künstler mehr als sechs Wochen nach seiner Festnahme nicht einmal einen Anwalt sehen könne, habe ihm ein hoher Funktionär eher genervt erwidert: "Das läuft hier alles nach rechtsstaatlichen Verfahren ab." Der Chinese habe das Thema sehr unwirsch vom Tisch gewischt, fand Löning. Als Haftgrund habe man ihm gegenüber von "Wirtschaftsverbrechen" gesprochen - ohne Details zu nennen.

Der chinesische Kuenstler Ai Weiwei posiert am Donnerstag, 14. Juni 2007, auf der "documenta 12" in Kassel vor den Schlafraeumen der Darsteller seiner Kunstinstallation "Fairytale" (Foto: ap)
Ai Weiwei auf der documenta 12 in Kassel - seine Kunst wird im Westen hoch gehandeltBild: AP

Löning: Zunehmend repressiv

Löning sagte, für die Bundesregierung sei Ai Weiwei kein Einzelfall, sondern stehe beispielhaft für viele andere, die vom kommunistischen Regime verfolgt würden. Es sei spürbar, dass das Klima "repressiver" geworden sei.

Löning war zum zweiten Mal seit seiner Ernennung zum Menschenrechtsbeauftragten in Peking. In den fünf Tagen seines Besuchs habe er mit Journalisten, Bloggern, Juristen, Intellektuellen und Künstlern gesprochen. Einige Blogger hätten von Einschüchterung gesprochen. Sie hätten Angst. Bürgerrechtler oder deren Familienangehörige, die unter Hausarrest stünden, konnte Löning nach eigenen Angaben diesmal nicht besuchen. Die Bilanz des Menschenrechtlers: "Man merkt, dass es deutlich schwieriger geworden ist, bestimmte Leute zu treffen." Einige seien "offensichtlich eingeschüchtert" worden.

Die nächste Runde des Menschenrechtsdialogs zwischen China und Deutschland wird nach Lönings Angaben voraussichtlich nach den Regierungskonsultationen im Sommer in China stattfinden. Die letzten Gespräche darüber gab es im Juli 2010. Nach längerem Zögern im Zusammenhang mit der Verleihung des Nobelpreises an Liu Xiaobo sei Peking jetzt zu einer neuen Dialogrunde bereit, berichtete der Menschenrechtsbeauftragte.

Autor: Martin Schrader (mit dpa)
Redaktion: Nicole Scherschun