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Diplomatie wirksamer als militärischer Druck

Peter Philipp10. März 2004

Das Sorgenkind der Atomenergiebehörde Libyen hat sich zum Musterknaben gewandelt. Auch der Iran bessert sich. Jetzt wächst der Druck auf Israel, den Sperrvertrag zu unterzeichnen. Ein Kommentar von Peter Philipp.

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Der Ton wird gemäßigter und aus Washington war sogar Lob für den Iran zu hören, weil er sich zur Unterzeichnung des Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag bereit erklärt habe. Solch überraschendes Einlenken dürfte die Sitzung der 35 Mitgliedsstaaten der Wiener Atomenergiebehörde zu einem Erfolg werden lassen. Zumal das andere "Sorgenkind" der Behörde - Libyen - sich längst zum Musterknaben gemausert hat: Im Gegensatz zu Teheran hatte Tripolis sich bereits Ende letzten Jahres aus freien Stücken zur Unterzeichnung des Zusatzprotokolls bereit erklärt. Es hat inzwischen kritische Anlagen abgebaut und in die USA verschifft, wo sie zerstört werden sollen, und Libyen hat damit jedes Misstrauen abgebaut, es sei vielleicht nicht ehrlich an einer Regelung interessiert.

Libyen zieht Schlussstrich

Obwohl der Iran und Libyen nun uneingeschränkten Kontrollen durch die Inspektoren der Atomenergiebehörde zugestimmt haben, bleiben im Fall des Iran weiterhin einige Zweifel bestehen: Immerhin hat sich erwiesen, dass Teheran trotz seiner Zustimmung einige Projekte zu verheimlichen versucht hatte und iranische Offizielle machen keinen Hehl daraus, dass sie ihre Projekte nicht unbedingt endgültig eingestellt haben.

Ganz anders im Fall Libyens: Hier scheint ein klarer Schlussstrich gezogen worden zu sein. Was natürlich auch um einiges leichter fiel, denn das nordafrikanische Land war von der Fähigkeit, Nuklearwaffen herzustellen, viel weiter entfernt als der Iran und es war viel weniger als dieser getrieben von ideologischen oder nationalistisch-stolzen Motiven: Im Iran wird die Atomfrage von gewissen Kreisen zu einer Sache der "nationalen Ehre" hochstilisiert, in Libyen steht man dem weitaus indifferenter und pragmatischer gegenüber. Und ist eher bereit, auf noch nicht erlangte Technologie zu verzichten - zu Gunsten normaler und geregelter Beziehungen zu Europa und - vor allem - den Vereinigten Staaten.

Diplomatie versus militärischem Druck

Im Fall beider Länder aber hat die Nuklearfrage noch weiter reichende Bedeutung: Ihre Behandlung stellt unter Beweis, was Washington im Fall des Irak nicht wahr haben wollte: Dass man mit Diplomatie manchmal ebenso viel - wenn nicht sogar mehr - erreichen kann als mit militärischem Druck oder auch offenem Krieg. Die Europäer können ihren Einsatz gegenüber Teheran als einen solchen diplomatischen Erfolg ins Feld führen, aber die USA hatten genau dieselbe Erfahrung ja bereits selbst in Libyen gemacht: Staatsführer Muammer Gaddafi beugte sich nicht amerikanischen Kriegsdrohungen, sondern er folgte seinem in letzter Zeit immer wieder deutlichen Gespür, dass Nachgeben seinem Land mehr nützt als Sturheit. Das Einlenken in einer Reihe libysch unterstützter Terroranschläge - von Lockerbie bis Berlin - waren erste Anzeichen dafür.

Gaddafi dürfte mit dieser Taktik nicht nur seinem Land selbst aus der Isolation helfen - und zwar besser und uneingeschränkter als dies dem immer wieder zögerlichen Iran gelingt. Der libysche Staatschef könnte noch etwas anderes bewerkstelligen, was für die gesamte Region von ungemeiner Bedeutung wäre: Sein Verzicht auf Massenvernichtungswaffen lässt den Ruf nach einem atomwaffenfreien Nahen Osten wieder lauter werden. Und dieser Ruf zielt immer deutlicher in Richtung Israel - der einzigen Atommacht der Region: Jerusalem hat weder den Sperrvertrag unterzeichnet, noch lässt es Kontrollen seiner Atomanlagen zu. Wenn - wie in letzter Zeit - nahöstliche "Spitzbuben" sich zu "Musterknaben" wandeln, dann wird Israels Verhalten immer mehr zu einem unhaltbaren Zustand.