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Fusionswelle bei Spaniens Banken

Stefanie Claudia Müller Madrid
24. November 2020

Nach dem Crash 2008 haben Spaniens Banken ihre Hausaufgaben gemacht. Das scheint jetzt wieder so: Mit Fusionen will man einer Pleitewelle vorbeugen. Ein Vorbild für Deutschlands Bankenbranche?

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Niederlassung der spanischen Bank BBVA
Bild: picture-alliance/imageBROKER/S. Kiefer

Kettenreaktionen und Panik sind gefährlich, auch und gerade in der Finanzwirtschaft. Das weiß auch Luis de Guindos, Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, zuvor spanischer Wirtschaftsminister und davor im Top-Management von Lehman Brothers. Aber bei Fusionen, so glaubt er, ist der Nachahmer-Effekt unter Wettbewerbern eher positiv. Im Bankensektor hält er sie seit langem für den einzigen Weg, um das europäische Finanzsystem gegen die Bedrohungen durch Big Data, digitale Währungen, niedrige Zinsen und durch die Pandemie zu erwartenden massiven Kreditausfälle 2021 zu stabilisieren.

Sein Heimatland gibt dabei derzeit den Ton an. "Von den 55 Kreditinstituten, die 2009 auf dem Markt waren, könnte nach der jetzt laufenden bereits dritten großen Fusionswelle im Land 2021 nur noch ein Dutzend übrig bleiben", sagt Bankenexperte Ángel Barbero. "Seit 20 Jahren konsolidieren die Banken hier, investieren in Technologie und sind der heimischen Industrie weit voraus bei Digitalisierung, beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz oder Blockchain-Applikationen." Das Fusions-Fieber der Spanier animiert den gesamten europäischen Sektor, der an der Börse schon länger leidet. "Optimismus ist nirgendwo so wichtig wie in dieser Branche", weiß Ricardo Zion von der EAE Business School. Selbst Deutsche Bank-Chef Christian Sewing hat dieser Tage erst wieder Fusionen im europäischen Bankensektor gefordert. Sein Haus dürfte da allerdings derzeit mit einem Marktwert von 19 Milliarden eher keine aktive Rolle spielen.

Infografik Rentabilität spanische Banken

Spanier führen bei Technologie und Rentabilität, auch wegen der Fusionen

Gerade gab die spanische BBVA (Artikelbild), deren App gemäß eines Branchenrankings die beste der Welt ist, ihre Fusionsabsichten mit der kleineren Banco Sabadell bekannt. Sie wollen dank der Digitalisierung auf 6000 Jobs verzichten und zusammen 800 Millionen Euro im Jahr sparen. Sollte der Zusammenschluss klappen, entstünde die zweitgrößte spanische Bank. Das Geld für diesen Deal hat sich die seit Jahren gegenüber den heimischen Marktführer Santander zurückgefallene BBVA gerade durch den Verkauf ihres US-Filialgeschäft besorgt - das brachte 9,7 Milliarden Euro.     

App von Bankia
Grün ist die Hoffnung - und die App von BankiaBild: Bankia

Natürlich sind viele der jetztigen Zusammenschlüsse auf dem spanischen Markt auch eine akute Überlebensfrage. Das gilt zum Beispiel für die ehemaligen Sparkassen Liberbank und Unicaja, die ebenfalls vor kurzem eine mögliche Fusion bekannt gaben. Vor einem Monat haben auch Caixabank und Bankia, ein waghalsiges Konstrukt aus sieben maroden Sparkassen, ihre Hochzeit angekündigt. Mit 20 Millionen Kunden wären sie die Nummer Eins  in Spanien. Der Staat hält immer noch die Mehrheit an Bankia und die Regierung von Pedro Sánchez hat deswegen der Operation sofort zugestimmt. Es war das erste Mal seit seinem Amtsantritt 2018, dass er alle Parteien hinter sich hatte.

"Diese Fusion war die beste Nachricht seit vielen Jahren", glaubt Wirtschaftsprofessor Javier Morillas. Viele davon wird es in den kommenden Monaten in Spanien nicht mehr geben. Das Minus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird in diesem Jahr nach offiziellen Daten auf über elf Prozent geschätzt, die Verschuldung auf 120 Prozent des BIP. Die Arbeitslosenrate könnte nach Angaben der Sparkassenstiftung Funcas 23 Prozent erreichen. "Wenn die Staatshilfen für die Wirtschaft verbraucht sind, das heisst, wenn die Kurzarbeit eingestellt wird und die Aussetzung der Raten- und Mietzahlungen wieder aktiviert wird, hat die spanische Wirtschaft ein Riesenproblem", sagt ein Risikomanager der mittelgroßen Bankinter voraus, die immer mal wieder als Übernahmekandidat der Santander gehandelt wird.

Infografik Renabilität von Banken DE

Die aktuelle Regierung hat einen Plan, wie sie den Aufprall abfedern will: mit den 140 Milliarden Euro, die aus Brüssel kommen sollen. Aber bis die fließen, braucht Sánchez eine solide Bankenlandschaft. Über seinen Bankenrettungsfonds FROB hat der spanische Staat in der vergangenen Finanzkrise insgesamt 59 Milliarden Euro in sein bis vor zehn Jahren von Korruption und hohen Risiken belasteten Kreditwesen investiert und erst knapp sechs Milliarden Euro davon zurückbekommen.

Die Pandemie hat das spanische Fusionsfieber entfacht

Weil diese Konsolidierung a la española fehlt, wird die Rentabilität der deutschen Banken Ende 2022 unter dem Niveau von 2019 liegen, prognostizierte die Ratingagentur Moody's in einem Bericht. Nach Angaben von S & P Global Market Intelligence war deren Gesamtgewinn im Jahr 2019 mit 8,24 Milliarden Euro der schwächste unter den fünf größten europäischen Volkswirtschaften, damit zweimal niedriger als die 17,43 Milliarden Euro in Spanien.

"Allerdings wird der spanische Kunde weniger Auswahl haben in 2021 und wahrscheinlich wegen der höheren Gebühren auf alternative Zahlungswege ausweichen", sagt Ricardo Zion voraus.  Die fünf größten Banken würden nach den drei angekündigten Fusionen knapp 81 Prozent des Marktes kontrollieren. Während in Deutschland mögliche Fusionen oft nicht abgeschlossen werden, "weil das Ego scheinbar zu groß ist", wie Bankenexperte Manuel Romera von der IE University glaubt, haben Bankia und Caixabank gezeigt, wie es gehen könnte. "Großzügigkeit ist hier gefragt von beiden Seiten des Managements," sagt der zukünftige Chef der fusionierten Caixabank, José Ignacio Goirigolzarri.

José Ignacio Goirigolzarri I Bankia-Chef und neuer Caixabank-Chairman
José Ignacio Goirigolzarri, Bankia-Chef und neuer Caixabank-Chairman Bild: Bankia

Der Baske, der vorher die BBVA lenkte, und die marode Bankia wieder auf Kurs brachte, war dabei der entscheidende Schlüssel. Er stimmte zu, dass die grün leuchtende Marke und technologisch hochentwickelte App von Bankia komplett verschwindet, sicherte sich aber den Top-Posten des neuen Kreditinstituts. Seit 20 Jahren praktizieren die Spanier den Zusammenschluss von Banken, auch über die Landesgrenzen hinaus, "wobei sie vor allem bei der Integration der IT-Systeme erfolgreich sind. Fast alles, was sie gekauft haben, war nach kurzer Zeit rentabel, sonst haben sie es wieder abgestossen und auch noch zu einem guten Preis, wie jetzt die BBVA in den USA", sagt Barbero.

Luis de Guindos hofft derweil, dass das spanische Fusionsfieber im Bankwesen auch andere Länder zur Konsolidierung bewegen wird, zum Beispiel Deutschland, wo es noch rund 1700 Banken und Sparkassen gibt. Allerdings ist auch da schon eine Menge geschehen: Anfang der 1990er Jahre waren es noch über 4000.