Die neue Lässigkeit der Chefs
Immer mehr deutsche Manager befreien sich neuerdings von Kleiderzwängen im Beruf. Stattdessen treten sie auch mal in Turnschuhen vor die Öffentlichkeit. Lässigkeit ist angesagt - doch woher kommt sie?
Früher Krawatte - jetzt offenes Hemd
Joe Kaeser, seit 2013 Vorstandsvorsitzender des Technologiekonzerns Siemens, hat den "Casual Look" für sich entdeckt: Früher waren Anzug und Schlips für ihn Pflicht, inzwischen mag er es auch mal lässiger. Zu einem Termin der "Innovation AG", einem Start-up von Siemens, verzichtete er auf die Krawatte. Er sieht es entspannt: "Bei uns kann jeder anziehen, was er will, es gibt keine Vorschriften".
Ein knallrotes Statement
Um sich in die Start-up-Kultur einzureihen, imitiere so mancher Manager den Kleidungsstil prominenter Köpfe aus der Szene, sagt Hans Ochmann, Geschäftsführer bei der Personal- und Managementberatung Kienbaum. Allianz-Chef Oliver Bäte trat in Turnschuhen vor die Aktionäre des Versicherungskonzerns. Viele Beobachter werteten den Auftritt als Signal für Wandel und Zukunft.
Erfindergeist trägt Turnschuhe
Im kalifornischen Silicon Valley sind Turnschuhe schon länger Trend. Apple-Legende Steve Jobs trug sie, Facebook-Gründer Mark Zuckerberg mag sie auch. "Ich will in meinem Leben so wenig unnötige Entscheidungen wie möglich treffen", erklärte Zuckerberg seinen Kleidungsstil. Im Bild rechts: DJ Koh, Chef der Handy-Sparte von Samsung - nicht in Sneakers, aber ohne Krawatte.
Schnell und locker
Die Start-up-Kultur fasziniere Manager, weil hier neue Ideen schnell umgesetzt werden, sagt Berater Ochmann. Sie sei der wichtigste Treiber der neuen Lässigkeit. Auch der Autobauer Daimler setzt in seinen Mobilitätskonzepte zunehmend auf Apps und Start-ups. Daimler-Chef Dieter Zetsche (re.) passt sich optisch an, hier neben Bild-Herausgeber Kai Diekman (m.) und Uber-CEO Travis Kalanick.
Duzen bevorzugt
Die neue Lässigkeit zeigt sich nicht nur in der Kleiderwahl, sondern auch im Umgangston. Beim Versandhändler Otto geht es nun weniger förmlich zu: Unlängst boten Alexander Birken und andere Vorstandsmitglieder der Belegschaft das Du an. "Der Kulturwandel 4.0 macht auch vor der Anrede nicht Halt", hieß es in einem Schreiben an die Mitarbeiter.
Weniger Förmlichkeiten - weniger Hierarchie?
"Ich bin J.J. - mich muss man nicht siezen", sagte der Digital-Chef des Volkswagen Konzerns kürzlich auf einem Automobilforum in München. Hierarchien seien ihm nicht wichtig und das Duzen baue Hierarchien ab. Unternehmensberater Hans Ochmann glaubt, dass Hierarchien nicht verschwinden, sondern nur etwas aufweichen. Der Trend zur Lässigkeit werde sich jedenfalls durchsetzen.
Unangepasste tragen Schlips
Nicht alle Manager lieben die neue Lässigkeit. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Medienunternehmens Axel Springer, verteidigt den Schlips als "Geste der Unangepasstheit": "Ich beobachte es mit einem gewissen Amüsement, wie viele Manager, die bis vor Kurzem im dunklen Anzug mit Krawatte rumliefen, jetzt plötzlich einen auf ganz locker machen", so Döpfner in einem Interview.