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Die Krux mit den Saudis

Sabine Kinkartz, Berlin4. Januar 2016

Für die Bundesregierung war Saudi-Arabien lange Jahre ausdrücklich ein "strategischer Partner" im Nahen Osten - und ein geschätzter Abnehmer von teurem Militärgerät. Doch der Wind dreht sich.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und der König Saudi-Arabien, Salman bin Abdulaziz Al Saud - Foto: Bernd von Jutrczenka (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/B.v. Jutrczenka

Kritik klingt anders: "Die Bundesregierung hat die Hinrichtung von 47 Gefangenen in Saudi-Arabien mit Bestürzung zur Kenntnis genommen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Abgesehen davon, dass Deutschland generell gegen die Todesstrafe sei, habe die Exekution des schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr das Potenzial, die politischen und religiösen Spannungen in der Region zu verschärfen, so Seibert weiter. Und das ist genau das Gegenteil dessen, was der Westen erreichen will.

Die Bundesregierung sitzt in einer politischen Zwickmühle. Seibert nennt das "Parallelität der Ereignisse". Einerseits ordnen die Saudis eine Massenhinrichtung an und brechen ihre diplomatischen Beziehungen zum Iran ab. Andererseits ist Saudi-Arabien Gastgeber für syrische Oppositionsvertreter, die die innersyrischen Verhandlungen vorbereiten, die Ende dieses Monats in Genf stattfinden sollen. "Das ist nicht nur für uns, das ist für die Region und für die Welt wichtig", betont der deutsche Regierungssprecher. "Nur wenn alle regionalen Kräfte, also auch Saudi-Arabien und der Iran, sich konstruktiv einbringen, können wir bei der Lösung des syrischen Bürgerkriegs vorankommen."

Riad bei der Stange halten

Ein mahnender Zeigefinger - mehr scheint unter den derzeitigen Umständen nicht drin zu sein. "Die Bundesregierung ist davon überzeugt, dass es im deutschen und im Interesse der Region ist, dass wir konstruktive Beziehungen mit Saudi-Arabien haben", erklärt Seibert den politischen Eiertanz. "Nur in einem Dialog ist es möglich, unterschiedliche Sichtweisen zu benennen und auch kritische Aspekte anzusprechen."

Proteste im Iran gegen die Hinrichtungen in Saudi-Arabien -Foto: Atta Kenare (AFP)
Proteste im Iran gegen die Hinrichtungen in Saudi-ArabienBild: Getty Images/AFP/A. Kenare

Doch so ganz lassen sich die Friktionen im deutsch-saudischen Verhältnis doch nicht verbergen. Seit einiger Zeit bereits wird in Berlin von Saudi-Arabien nicht mehr als einem "strategischen Partner" gesprochen. Das Land ist jetzt nur noch ein "wichtiger Partner in einer von Krisen geschüttelten Weltregion" , wie Regierungssprecher Seibert sich ausdrückt. Es gebe gemeinsame Interessen, aber auch Erwartungen an die Regionalmacht Saudi-Arabien. Das Land habe "erhebliche Einflussmöglichkeiten", um in der Region Krisen zu entschärfen.

Geschätzter Kunde der deutschen Rüstungsindustrie

Dabei will die Bundesregierung Saudi-Arabien allerdings nicht länger uneingeschränkt mit Waffen unterstützen. Ein Paradigmenwechsel, denn lange Jahre war das Land mit den größten Ölvorräten der Welt hochgeschätzter Kunde deutscher Rüstungsfirmen.

Neben den USA gehörte Deutschland zu den wichtigsten Waffenlieferanten. Allein in den Jahren zwischen 1999 und 2004, als SPD und Grüne unter Bundeskanzler Gerhard Schröder regierten, stiegen der Wert der deutschen Waffenexporte nach Saudi-Arabien von 26 auf fast 60 Millionen Euro. Neben Raketenteilen, Maschinengewehren, Pistolen, Munition und Granaten wurden auch Teile für Kampfflugzeuge, Schießanlagen, Funküberwachungssysteme und Militärboote ausgeführt.

Sturmgewehr G36 von Heckler & Koch - Foto: Bernd Weißbrod (dpa)
Sturmgewehr G36 von Heckler & KochBild: picture-alliance/dpa/B. Weißbrod

Laut Rüstungsexportbericht der Bundesregierung lieferte Deutschland im Jahr 2014 Waffen im Wert von 209 Millionen Euro nach Saudi-Arabien, darunter Kriegswaffen für 51 Millionen Euro. Genehmigt wurde unter anderem die Ausfuhr von Raketen und anderen Flugkörpern sowie von Teilen für Fregatten, Schnellboote, Kampf- und Tankflugzeuge und Gewehre.

Im ersten Halbjahr 2015 hatten die Waffenlieferungen laut Exportbericht immer noch einen Gesamtumfang von knapp 180 Millionen Euro. Exportiert werden demnach unter anderem Geländewagen, Teile für gepanzerte Fahrzeuge und Teile für Kampfflugzeuge, Luftbetankungsausrüstung, Zieldarstellungsdrohnen sowie vier Schießsimulatoren. Auch der Export von 15 deutschen Patrouillenbooten wurde genehmigt.

Streit um ein Sturmgewehr

Den Export von Leopard-Kampfpanzern und Sturmgewehren des Typs G36 verweigerte die Bundesregierung hingegen im vergangenen Jahr genauso wie die Ausfuhr von Komponenten, um das Gewehr vor Ort zu bauen. Für Saudi-Arabien ist das ärgerlich, denn das Königreich verfügt über Waffenfabriken, in denen die Sturmgewehre G3 und G36, die Maschinenpistole MP5 und die Pistole P7 unter Lizenz hergestellt werden können. Für den Bau des G36 müssen dafür fünf Schlüsselkomponenten, darunter Druckfedern, Kolbenring, Gabel und Auszieher aus Deutschland importiert werden.

Die Blockade erzürnt auch den deutschen Waffenhersteller Heckler & Koch. Das Unternehmen versucht derzeit sogar, eine Entscheidung über eine Ausfuhrgenehmigung für die fehlenden Teile vor Gericht zu erzwingen.

Bundeswirtschaftsminister Gabriel bei einem Besuch in Riad - Foto: Bernd von Jutrczenka (dpa)
Bundeswirtschaftsminister Gabriel bei einem Besuch in RiadBild: picture-alliance/dpa/B. v. Jutrczenka

Im Bundeswirtschaftsministerium, das für die Genehmigung zuständig ist, will man sich von der Klage allerdings nicht unter Druck setzen lassen. "Wir werden auch die jüngsten Entwicklungen in die weitere Prüfung einbeziehen", sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel habe bereits mehrfach klar gemacht, dass Rüstungsexporte ein Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik und kein Instrument der Wirtschaftspolitik seien. "Wir müssen jetzt überprüfen, ob wir in Zukunft auch defensive Rüstungsgüter kritischer beurteilen müssen."

Opposition drängt

Einer Reihe deutscher Politiker reicht das nicht aus. Sie fordern die Bundesregierung auf, umgehend schärfer auf die ständigen Verletzungen der Menschenrechte in Saudi-Arabien zu reagieren. Die Hinrichtungen würden zeigen, "wie lächerlich es ist zu behaupten, dieses Land sei ein Stabilitätsanker", sagte der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour. Er forderte von der Bundesregierung, die strategische Partnerschaft mit den Saudis offiziell zu beenden.

Der Vorsitzende der deutsch-arabischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Michael Hennrich (CDU), sprach sich für einen Stopp der Waffenexporte in das arabische Land aus. "Ein Moratorium bei den Waffenlieferungen wäre jetzt das richtige Signal." Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt verlangte darüber hinaus einen sofortigen Stopp aller Handelsbeziehungen zu dem Königreich.