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Die Gedanken sind frei

Karen Fischer16. November 2002

Weltweit sitzen Hunderte von Autoren und Journalisten im Gefängnis. Auf ihre Situation macht der internationale Schriftstellerverband P.E.N. anläßlich des Writers-in-Prison-Day aufmerksam.

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Verteidiger der Menschenrechte:<br>Naser ZarafshanBild: Kayhan London

Der iranische Rechtsanwalt Mohammad Ali Jedari Foroughi ist gerade auf Europareise. Köln, Paris, London –überall sucht er Unterstützung für seinen Klienten Naser Zarafshan. Dieser ist selbst Rechtsanwalt, nebenbei noch Essayist und Autor. Seit diesem Jahr sitzt Zarafshan im Gefängnis im Iran. Der Grund? Den wüsste sein Anwalt auch gerne. "Ich kann keine Schuld erkennen, er hat nur die Menschenrechte verteidigt", sagte Foroughi im Gespräch mit DW-WORLD.

Paten für die Freiheit

Im Oktober hat die deutsche Abteilung der Schriftsteller-Organisation P.E.N. (Poets, Essayists, Novelists) Zarafshan zum Ehrenmitglied ernannt. Eine solche Ehrenmitgliedschaft kommt einer Patenschaften gleich, die die Organisation für inhaftierte Schriftsteller und Journalisten übernimmt. Im ersten Halbjahr 2002 bearbeitete das "Writers-in Prison"-Programm des P.E.N. 887 Fälle – ein Zuwachs von 26 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. "Die Anzahl der Verhaftungen hat nach dem 11. September massiv zugenommen", hat Karin Clark, die Vize-Präsidentin und die Writers-in-Prison-Beauftragte des P.E.N.-Zentrums in Deutschland beobachtet. Vor allem die Zahl der kurzfristigen Verhaftungen sei gestiegen.

Mit dem jährlichen Writers-in-Prison-Tag, der immer am 15. November stattfindet, versucht der P.E.N., die Autoren hinter Gittern ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. "Aber eigentlich müsste jeden Tag Writers-in-Prison-Tag sein", meinte Clark. Für Anwalt Foroughi trifft das zu. Unermüdlich versucht er, noch mehr internationale Aufmerksamkeit für seinen Klienten Zarafshan zu bekommen.

Wegen Verteidigung in den Knast

Zarafshan ist beim iranischen Regime in Ungnade gefallen, weil er im spektakulärsten iranischen Mord-Prozess der letzten Jahre die Verteidigung von zwei Opfer-Familien übernommen hatte. Vier Schriftsteller waren ermordet worden, die Spur führte zum iranischen Ministerium für Information. Unter dem Namen "Serienmörder-Fall" machten die Morde auch im Ausland Schlagzeilen. Zarafshan hielt nicht mit Kritik an der mangelhaften Untersuchung der Mordfälle zurück. Und geriet so selbst ins Fadenkreuz des iranischen Regimes.

"Es ist schon bizarr", meint sein Anwalt kopfschüttelnd. "Anstatt sich um die Mörder zu kümmern, haben sie Zarafshan ins Gefängnis gesteckt." Die Anklage: Veröffentlichung von vertraulichen Informationen, Waffen- und Alkoholbesitz. Letzteres sei bei einer Durchsuchung seiner Kanzlei gefunden worden. Zarafshan hingegen sagt, dass ihm die Waffen und der Alkohol absichtlich untergeschoben worden seien.

Wenn der Staat die Regeln bricht

Zunächst war Zarafshan im März diesen Jahres von einem Militärgericht angeklagt worden. Doch "das Militärgericht ist nach den Buchstaben des Gesetzes nur für Angehörige des Militärs zuständig," erklärt Foroughi. Deshalb war das Gericht für Zarafshan eigentlich nicht zuständig. Im Juli bestätigte jedoch ein ziviles Gericht die Entscheidung des Militärgerichts: Fünf Jahre Haft und 50 Peitschenhiebe. Foroughi hat sich nun an die oberste iranische Gerichtsinstanz gewendet. Doch von dort kommt nur Schweigen.

Anwalt Foroughi gefährdet sich mit seinem großen Einsatz für Zarafshan auch selbst. Doch er hat keine Angst vor möglichen Konsequenzen. "Wir haben nichts zu verlieren", sagt er über die Menschenrechtssituation im Iran. "Das Gesetz ist ein Vertrag zwischen der Regierung und dem Volk, doch das funktioniert nur, wenn sich beide Seiten daran halten." Wenn er sich im Iran aufhält, spricht er mit seinem Klienten einmal pro Woche, manchmal auch nur übers Telefon. Zarafshan gehe es den Umständen entsprechend gut, sagte er. Geistig sei er fit, doch er habe gesundheitliche Probleme.

Weiterkämpfen ohne Kompromiss

Über Petitionen versucht der P.E.N., Druck auf die jeweiligen Regierungen aufzubauen. Oft sei es auch schon hilfreich, wenn ein internationaler Vertreter als Zuschauer den Gerichtsverhandlung beiwohne, so Clark. Außerdem hilft der P.E.N. den Familien der Inhaftierten durch Betreuung und finanzielle Zuwendungen. Foroughi weiß den Einsatz des P.E.N. zu schätzen: "P.E.N. unterstützt uns sehr, mehr als andere Menschenrechtsorganisationen". Er wird auf jeden Fall weiterkämpfen – für seinen Klienten und Freund Zarafshan und für die Menschenrechte im Iran.