Die Elfenbeinküste steht vor der Wahl
20. Oktober 2010Selbst die Rebellen haben genug vom Krieg. Im Hauptquartier der "Forces Nouvelles" in der Rebellen-Hauptstadt Bouaké, treffe ich Oberst Sinima Bamba. In einem bunt gemusterten ivorischen Hemd sitzt mir der knapp 60-Jährige gegenüber. Er leitet das Büro des Generalsekretärs der Forces Nouvelles. Die Krise in der Elfenbeinküste müsse endlich beendet werden, deshalb sei es wichtig, dass der Wahltermin Ende Oktober eingehalten werde, betont Bamba. "Alle hier in der Elfenbeinküste haben genug von der Krise. Die Krise hätte nicht länger als ein Jahr dauern dürfen und nun sind es schon acht Jahre. Alle haben genug davon. Und wovon wir auch genug haben: von dem wiederholten Verschieben des Wahltermins."
Faktisch geteilt
Die letzten Wahlen fanden im Jahr 2000 statt. Doch seitdem die Rebellen der Forces Nouvelles 2002 ihren Kampf gegen die politische Elite in der Hauptstadt Abidjan begannen, ist das Land im Ausnahmezustand. Faktisch ist die Elfenbeinküste geteilt zwischen der Rebellenregion im Norden und den von Regierungstruppen kontrollierten Regionen im Süden. Das Land hat einen wirtschaftlichen Absturz erlebt, der - selbst im afrikanischen Vergleich - seinesgleichen sucht. "Das erste Opfer der Krise sind die Wirtschaftsunternehmer, die breite Bevölkerung: Und vor allem unsere Jugendlichen. Acht Millionen arbeitslose junge Leute haben wir. Das heißt: acht Millionen junge Leute, ohne Perspektive und ohne Beschäftigung. Das ist wirklich hochexplosiv!", warnt der Chef der Industrie- und Handelskammer, Jean Louis Billon. Es fehle am politischen Willen, die Krise endlich zu beenden, kritisiert Billon: "Wenn Sie das alles zusammen zählen, dann haben wir hier mehr Friedenschlüsse gebraucht als zur Beilegung des Zweiten Weltkriegs nötig waren." Billon selbst zweifelt an dem politischen Willen, diese Krise zu beenden. "Hätten wir wirklich Wahlen haben wollen, dann hätten wir diese längst durchführen können."
Die drei wichtigsten Kandidaten, der amtierende Präsident Laurent Gbagbo und seine Konkurrenten Henri Konan Bedié und Alessane Dramane Ouattara, kennen und bekämpfen einander seit den 90er Jahren. Zugleich haben sie sich direkte Zugriffe auf die kostbaren Ressourcen im Land gesichert. Billons Szenario sieht so aus: Im besten Falle wird die Cote d’Ivoire nach den Wahlen genauso da stehen wie heute: geteilt zwischen Nord und Süd, kurz vor dem wirtschaftlichen Kollaps und mit Rebellen und einer Regierungsarmee, die sich gegenseitig bekämpfen. Warum aber ist das so, warum gibt es ganz offensichtlich keinen politischen Willen, der Krise endlich ein Ende zu setzen?
Krise profitabler als Frieden
Beobachter meinen, es gebe zu viele, die von der aktuellen Lage profitierten. Die Rebellen im Norden haben sich den Zugriff auf die Bodenschätze wie Diamanten, Gold und Erze gesichert. Doch auch Politiker profitieren von Einnahmen aus der Kakaoindustrie oder von dem Verkauf von Agrarprodukten. Deshalb glaubt auch Patrick N’gouan, Leiter der Dachorganisation der Zivilgesellschaft, nicht wirklich daran, dass die Wahl einen durchschlagenden Erfolg haben wird: "Wenn das Land nach den Wahlen genauso regiert wird wie heute“, werde das die Krise nicht lösen. Das würde doch nur bedeuten, dass sich Regierung und Opposition die Reichtümer teilten und beide "ein Stück des Kuchens" bekämen, während die Bevölkerung weiter verarme. "Wir haben eine politische Klasse, die nach denselben Prinzipien regiert wie die Kolonialmächte."
Seit 2003 sind die UN im Land und versuchen, die Sicherheit der Zivilbevölkerung zu garantieren. Nun sollen sie den Wahlprozess mit unterstützen. Der Leiter der UN-Mission Y J Choi bleibt optimistisch. Die Elfenbeinküste sei schließlich kein gescheiterter Staat, betont er. Sie verfüge über eine Regierung, ein solides Budget und über Sicherheitskräfte – im Norden die Rebellen, im Süden die Regierungstruppen. Man müsse sich darauf konzentrieren, wenigstens die funktionierenden Strukturen im Land zu unterstützen, um so zu garantieren, "dass Wahlen durchgeführt werden und dass das Land wieder vereinigt ist".
Ein anderes Szenario will sich keiner ausmalen. Doch träte das Schlimmste ein, dann würde das wohl ein erneutes Aufflammen der Gewalt bedeuten, eine Zunahme ethnischer Auseinandersetzungen und vielleicht auch einen Bürgerkrieg, der eine Gefahr für ganz Westafrika wäre. Das aber will keiner, und deshalb setzen die UN und andere Akteure wie die Europäische Union alles daran, dass endlich Wahlen stattfinden. Diese sind nun für Ende Oktober angesetzt, vor allem auf Druck der internationalen Gemeinschaft. Und deren Optimismus geht an manchen Stellen über die Einschätzungen der ivorischen Zivilgesellschaft weit hinaus.
Autorin: Ute Schaeffer
Redaktion: Michaela Paul