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Die Deutschen und die EZB

Alexander Missal (dpa)30. Dezember 2013

Deutschland ist die größte Wirtschaftsmacht im Euroraum, hat im Rat der EZB aber nur eine Stimme. In keinem anderen Land wird die Notenbank so kritisch beäugt - was ihrem italienischen Präsidenten keine Ruhe lässt.

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Bild: picture-alliance/dpa

Sie ist eine der wichtigsten europäischen Institutionen - in der Eurokrise vielleicht sogar die wichtigste - und residiert mitten in Deutschland: die Europäische Zentralbank. Eigentlich könnte man hierzulande ziemlich stolz sein auf die Notenbank, die über den Euro in bald 18 Ländern wacht und vermutlich noch 2014 in einen schicken neuen Wolkenkratzer im deutschen Finanzzentrum Frankfurt am Main umzieht. Doch richtig warm geworden sind viele deutsche Politiker und Finanzexperten mit der Zentralbank bis heute nicht - eine Einschätzung, die auch EZB-Präsident Mario Draghi teilt und die er in einem "Spiegel"-Interview in ziemlich heftigen Worten zum Ausdruck bringt.

Von einer "perversen Angst, dass sich die Dinge zum Schlechten entwickeln" spricht der 66-Jährige dabei mit Blick auf Stimmen aus Deutschland, die den Kurs der EZB in der Eurokrise kritisierten. "Jedes Mal hieß es, 'Um Gottes willen, dieser Italiener zerstört Deutschland'." Und Draghis Vorgänger Jean-Claude Trichet, der von 2003 bis 2011 im Amt war, wundert sich unabhängig davon in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", warum immer so wenig Lob aus Deutschland für die Notenbank zu hören war. "Das ist etwas, das für mich schwierig zu verstehen war." Schließlich sei die durchschnittliche Inflationsrate zu EZB-Zeiten sogar niedriger gewesen als früher in Deutschland unter Obhut der Deutschen Bundesbank.

Kritik an den Notenbanken wird lauter

Es sind einerseits komplizierte Details der Geldpolitik, die in der Vergangenheit für einen Zwist zwischen deutschen EZB-Vertretern und ihren Kollegen sorgten. Sowohl der frühere Bundesbank-Chef Axel Weber als auch der deutsche EZB-Chefökonom Jürgen Stark legten ihre Funktionen bei der Notenbank nieder, weil sie nicht einverstanden waren mit der aktiven Rolle, die die Notenbank in der Eurokrise einnahm. Speziell der Ankauf von Staatsanleihen aus Krisenländern durch die EZB galt als Zankapfel - eine Notwendigkeit, sagten die einen, ein Tabubruch die anderen. Auch Webers Nachfolger bei der Bundesbank und im EZB-Rat, Jens Weidmann, zählt bis heute zu den Skeptikern. Wer am Ende Recht behält, dürfte sich erst in einigen Jahren herausstellen.

Sachliche und emotionale Aspekte

Andererseits spielen bei dem Konflikt eher emotionale Aspekte jenseits der Expertendiskussion eine Rolle, und genau das hat ausgerechnet Draghis drastische Wortwahl nun bestätigt: Es geht auch um nationale Befindlichkeiten und im Extremfall um nationale Klischees. Auf der einen Seite stehen demnach - übertrieben gesagt - die ordnungsliebenden, misanthropischen Deutschen, die ihre Bundesbank als Bollwerk einer harten D-Mark verstanden und sich nun zu den guten alten Zeiten mit ordentlichen Sparzinsen zurücksehnen. Auf der anderen Seite die vermeintlich chaotischen Südländer, die auch mal fünf gerade sein lassen im Kampf gegen Inflation und Eurokrise.

Draghis Ärger darüber trifft einen Nerv. "Sein Selbstmitleid und Eigenlob lassen ein tief verunsichertes Ego erkennen", meint der Bonner Ökonom Manfred Neumann in der "Welt". Von einer Auseinandersetzung über ökonomische Grundsatzfragen hat sich die Debatte damit weit entfernt.

Unumstritten ist, dass Draghis Versicherung im Sommer 2012, alles zur Rettung des Euro zu unternehmen, die Finanzmärkte zumindest vorübergehend beruhigt und eine weitere Eskalation der Eurokrise verhindert hat. Wie es weiter geht, muss sich erst noch herausstellen - Weidmann sieht den Patienten Euro zunächst auf der Reha-Station, aber noch nicht gesund entlassen. In diesem Jahr wird das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, ob das neue, bisher nicht umgesetzte Anleihenkaufprogramm der EZB mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Eigentlich ein Fall für die Finanzfachleute - aber vermutlich auch wieder Stoff für eine emotionale Debatte.