Die Bibel wird politisch korrekt
14. Juli 200642 Frauen und zehn Männer haben fünf Jahre lang an der Neuübersetzung der Bibel gearbeitet. Besondere Aufmerksamkeit legten die Übersetzer darauf, die Bibel von frauen- und judenfeindlichen Wendungen zu reinigen. Außerdem soll das Verhältnis von sozial schwachen und sozial privilegierten Personen deutlicher herausgestellt werden. Für den, der die Bibel nicht ständig liest, soll sie durch die neue Übersetzung zudem verstehbarer, für den Kenner aber neu und fremd werden.
Altbekannte Texte sind in eine "gerechte Sprache" gegossen worden, erläutert Claudia Janssen von der evangelischen Frauenarbeit. "Gerechtigkeit ist das Grundthema der Bibel. Dem versuchen wir in unserer Übersetzung gerecht zu werden." Dabei seien mehrere Aspekte von Gerechtigkeit zu berücksichtigen: "Textgerecht möchten wir übersetzen, gerecht in Bezug auf die Sprache über die Geschlechter und soziale Gerechtigkeit ist ein wichtiges Thema und Gerechtigkeit im christlich-jüdischen Gespräch."
Gerechtigkeit definieren
Alle Bibelübersetzer wollten dem Urtext gerecht werden. Sie wählten dafür immer Bilder und Wörter, die in ihrer Zeit üblich und verstehbar waren, heute aber nicht mehr passend sind. "Sie kennen vielleicht den Satz aus dem Römerbrief, Paulus sagte: 'Ich ermahne Euch, liebe Brüder.' In der neuen Übersetzung heißt es nun: 'Ich ermutige Euch, Geschwister.'" Denn Frauen seien immer dabei gewesen in den Gemeinden - als Prophetinnen, Lehrerinnen aber auch als Handwerkerinnen oder Fischerinnen. "Und das machen wir in unserer Übersetzung sichtbar." Manche konservativen Christen werden sich daran stören, aber die traditionellen Übersetzungen sind für theologisch liberale Frauen heute ein Ärgernis, weil sie sich ausgeschlossen fühlen.
Unter sozialer Gerechtigkeit verstehen die Autoren, dass man Luthers Begriffe wie Magd und Knecht heute schwer einordnen kann, weil die Ausbeutung und Rechtlosigkeit nicht mehr mitschwingt, sprechen sie jetzt von Sklaven und Sklavinnen. "Die soziale Realität, die in biblischen Texten angesprochen wird, möchten wir heute wieder hörbar machen."
Korrekturen
Die christliche Tradition ist bis in die Gegenwart geprägt von antijüdischen Vorstellungen, die in den Übersetzungen immer wieder weitertransportiert wurden. "Die Übersetzung möchte deutlich machen, dass Jesus als ein Jude anderen Juden gegenübersteht."
Ein anderes wichtiges Thema ist die christliche Ablehnung des so genannten jüdischen Gesetzes. "Durch Übersetzungsformen versuchen wir deutlich zu machen: die neutestamentlichen Schriften sind eine jüdische Schrift und das alte Testament ist das Buch der Juden. Dem wollen wir mit Respekt begegnen und uns so verhalten."
In den bisherigen Übersetzungen wird für Gott zigtausendmal die Bezeichnung "Herr" verwandt. Aber eigentlich, erläutert Theologieprofessor Frank Crüsemann, dürfe der Name nicht ausgesprochen werden, weil er ein Teil des göttlichen Geheimnisses ist. "Wir nennen Gott heute mit dem Wort, was jeden Mann bezeichnet, das ist eigentlich eine Unmöglichkeit, das ist absolut ein Skandal."
Das Judentum in Deutschland hat früher gesagt "der Ewige"; die wichtigste jüdische Wiedergabe ist "Adonaj". "Wir haben nun zehn verschiedene Versuche und wechseln zwischen den Bezeichnungen", erklärt Crüsemann. Die unterschiedlichen Namen sind immer grau hinterlegt und springen damit ins Auge. Jeder Leser kann für sich eine andere Bezeichnung wählen. Sehr oft wird Gott in der neuen Übersetzung in weiblicher Form benannt. "Wir sind so gewohnt, männlich zu reden, dass bei uns in der Bibel - und ich finde das gut und spannend - das Weibliche ein wenig überwiegt."
Begrenzte Haltbarkeit
Die neue Übersetzung versteht sich nicht als Konkurrenz zu anderen, sondern sie will die Vielfalt, die Vielstimmigkeit, das kreative Nebeneinander unterschiedlicher Interpretationen des Urtextes betonen. "Die Haltbarkeit ist begrenzt. Jeder Übersetzer weiß das. Im Grunde genommen müssten wir sofort mit Erscheinen mit der Überarbeitung beginnen," sagt Claudia Janssen. "Ich hoffe, dass Überarbeitungen bei all den Menschen, die mit dieser Bibel arbeiten, passieren. Dass sie selbst kreativ anfangen, über biblische Sprache nachzudenken und ihre eigenen Übersetzungen entwickeln." Schließlich habe schon Luther gesagt: "Ich wünsche mir, dass in jedem Dorf, in jeder Stadt ein eigener Übersetzer tätig wird."