Die Böhms - Baumeister ihrer Epochen
Gottfried Böhm, der einzige deutsche Pritzkerpreisträger, feiert seinen 100. Geburtstag. Seine Familie gilt als "Architektenclan". Die Böhms haben über mehrere Generationen Baugeschichte geschrieben.
Wallfahrtsort - auch für Architekten
Scharfkantig, spitz, massiv: Wie ein Betongebirge ragt die Wallfahrtskirche "Maria, Königin des Friedens" in den Himmel über Neviges bei Velbert. Gottfried Böhm hat sie geschaffen. Für seine eigenwilligen, skulpturalen Beton-, Stahl- und Glasbauten erhielt der Wahlkölner schon 1986 - als bisher einziger Deutscher - den Pritzker-Preis, den "Nobelpreis für Architekten".
Himmelsstürmer
Wie schon bei der Wallfahrtskirche in Neviges ist auch Gottfried Böhms Rathaus in Bensberg bei Köln eine begehbare und ganz aus Sichtbeton gegossene Skulptur. Erhaben ragt der bizarre Treppenhausturm in den Himmel. Böhms rhythmische Formensprache voller Winkel und Ein-, Durch- und Ausblicken verleiht seinen Bauwerken eine oft berührende Direktheit.
Erbaut auf den Ruinen des Zweiten Weltkriegs
Die Domstadt und ihre Geschichte prägte das Werk von Gottfried Böhm. In Köln errichtete er 1947 seinen ersten eigenständigen Bau - die Kapelle "Madonna in den Trümmern" (s. Bild) - auf den Ruinen von St. Kolumba, zerstört im 2. Weltkrieg. 1948 heiratete Böhm die Architektin Elisabeth Haggenmüller. Aus der Ehe gingen vier Söhne hervor: Stephan, Peter und Paul setzen die Baumeistertradition fort.
Suche nach der Mitte
Das Ensemble in Bensberg ist ringförmig arrangiert. Wie bei vielen Entwürfen Gottfried Böhms gruppieren sich mehrere Gebäude burgartig um einen Platz mit einer Kirche. Auch das 1968 errichtete "Bethanien-Kinderdorf" in Bergisch Gladbach-Refrath folgt diesem Muster.
Die Auster von Potsdam
Fünf Geschosse zählt das 2006 errichtete Hans Otto Theater in Postdam. In luftiger Geste recken sich die schalenförmig auskragenden Dächer zur Havel hin. Es dominiert ein Materialmix aus Beton, Glas und Stahl. Sogar einen denkmalgeschützten Gasometer hat Gottfried Böhm in den Baukörper integriert. Poetisches Bauen für einen Tempel der Muße.
Sprung ins kalte Wasser
Von der Antike bis zur Postmoderne unserer Tage – immer waren Form und Material von Bauwerken auch Spiegel des Zeitgeistes. Strömungen in Kunst und Kultur gewinnen sichtbare Gestalt und formen die Welt. Für visionäre Baumeister wie Gottfried Böhm, der schon als Kind im Büro seines Vaters Dominikus Kirchenfenster zeichnete, glich das Spiel nicht selten einem Sprung ins kalte Wasser.
Strenge der Form
Auch die Söhne arbeiten als Architekten. Peter Böhms entwarf die Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München. Werkstätten, Technikräume und Studios liegen im monolithischen Betonsockel. Hinter der abweisenden, strengen Fassade aus Beton und Glas werkeln aber nicht nur neue Filmtalente, auch das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst zog hier ein.
Von Köln bis China
Ein prägnanter Rundbau oder ein langgestreckter orthogonaler Riegel - zwischen den Gebäuden des neuen Führungs- und Schulungszentrums der Berufsfeuerwehr Köln liegt jede Menge Spannung. Stephan Böhm, erstgeborener Sohn von Gottfried Böhm, ist ein gefragter Architekt in China.
Islamisches Gotteshaus
Majestätisch erhebt sich der Koloss aus Stahl und Beton, Glas und Holz in Köln. Deutschlands größte Moschee, geplant von Paul Böhm, dem jüngsten der vier Söhne, wurde 2011 fertig. Zuvor gab politisches und juristisches Gezänk.Mit Betsälen, Fachbibliothek, Büros und sogar einem Basar ist das muslimische Gotteshaus heute kulturelles und geistliches Zentrum der Muslime in Deutschland.
Familie - aber künstlerische Einzelgänger
Als Sohn eines Kirchenbauers war Gottfried Böhm Teil einer einzigartigen Architektendynastie. Seine Söhne Stephan, Peter und Paul sind inzwischen aus dem Schatten ihres Vaters getreten. Prägende Figur der Familie hinter den Kulissen war eine Frau: die 2012 verstorbene Elisabeth Böhm.