Streitpunkt: Deutsche Schuldenbremse
7. November 2024Monatelang hat sich die Ampelkoalition um die Finanzen gestritten. Im Kern ging es darum, dass der bisherige Finanzminister Christian Lindner die Schuldenbremse einhalten wollte, während an anderer Stelle der Regierung Investitionen gefordert wurden. Was aber hat es auf sich mit der Schuldenbremse?
In Artikel 109 des Grundgesetzes, Paragraf 3, heißt es: "Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen." Übersetzt heißt das, dass der Staat nur so viel Geld ausgeben darf, wie er einnimmt - vor allem aus Steuern und Abgaben. Umgangssprachlich wird diese Vorgabe "Schuldenbremse" genannt.
Damit sind in Deutschland der Bund und die 16 Bundesländer dazu verpflichtet, sparsam zu wirtschaften. Es ist ihnen praktisch verboten, zusätzliche Kredite aufzunehmen. Kein anderer G7-Staat hat eine derart strikte Begrenzung der Neuverschuldung.
Nachfolgende Generationen nicht belasten
Die Schuldenbremse wurde 2009 unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) eingeführt. Mitten in einer globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, in der viel über Staatsverschuldung diskutiert worden war.
Steinbrück sprach in einer Rede vor Ministerpräsidenten damals von einer "Entscheidung von historischer Tragweite - eine Entscheidung, die die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit sichern soll".
Einige Parteien sprachen sich damals gegen diese Regelung aus. Die Grünen und die Linke waren der Ansicht, sie würde die Handlungsfähigkeit des Staates zu sehr einschränken.
Die Befürworter der Schuldenbremse verwiesen hingegen darauf, dass der Staat bei wachsenden Schuldenbergen immer mehr Geld für Zinsen ausgeben müsse. Das sei für den Staat noch einschränkender und belaste Kinder- und Enkelgenerationen.
2014 bis 2019 waren die Haushalte ausgeglichen
Für den Bund gilt die Schuldenbremse seit 2016, für die Bundesländer seit 2020. Doch bereits 2014 konnte der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erstmals nach 45 Jahren einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen.
Auf Schäuble geht der Begriff der "schwarzen Null" zurück, weil sich Ausgaben und Einnahmen tatsächlich die Waage hielten. Dabei schreibt die Schuldenbremse das für den Bund gar nicht so streng vor.
Während für die Länder ein absolutes Verschuldungsverbot gilt, ist dem Bund eine Nettokreditaufnahme in Höhe von maximal 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung gestattet. Ein Beispiel: Das Bruttoinlandsprodukt betrug im Jahr 2022 rund 3,88 Billionen Euro, demnach durfte der Bund sich also mit rund 13 Milliarden Euro zusätzlich verschulden.
Außergewöhnliche Notsituation: Pandemie und Ukraine-Krieg
Tatsächlich verschuldete er sich aber viel höher. 2022 wurde eine Kreditaufnahmen in dreistelliger Milliardenhöhe beschlossen. Um das möglich zu machen, hatte der Bundestag, wie schon für die Haushaltsjahre 2020 und 2021, eine Ausnahmeregelung der Schuldenbremse in Anspruch genommen: Unter Verweis auf die Folgen der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine machte das Parlament eine "außergewöhnliche Notsituation" geltend.
Denn grundsätzlich erlaubt das Grundgesetz die Aussetzung der Schuldenbremse "im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen". In der Debatte über den Haushalt 2024 forderten die SPD und die Grünen, erneut eine Notsituation festzustellen und sie mit den Folgen des Krieges in der Ukraine und der Energiekrise zu begründen.
Gleichzeitig ist eine Debatte entbrannt, ob die Schuldenbremse nicht reformiert werden müsste. Dafür sprechen sich manche Ökonomen aus. Sie sehen das Problem, dass auch wichtige Investitionen in die Infrastruktur und in zukunftsrelevante Technologien der Verschuldungsregel zum Opfer fallen.
Eine kurzfristige Reform der Schuldenbremse war bislang jedoch unwahrscheinlich, weil das Grundgesetz nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag geändert werden kann. Diese Mehrheit gab es nicht, weil CDU und CSU, die zusammen die größte Oppositionsfraktion bildeten, eine Änderung ablehnten.
Dieser Beitrag wurde erstmals am 29. November 2023 veröffentlicht und nun aktualisiert.