Deutschlandticket für 49 Euro - was bringt es?
11. April 2023Seit Anfang April ist das neue 49-Euro-Ticket in Deutschland erhältlich. Verkehrsminister Volker Wissing von der liberalen FDP hatte angekündigt, dass die Regierung den öffentlichen Verkehr aus dem bundesweiten "Tarifdschungel" befreien werde.
Ab dem 1. Mai 2023 können Pendler und Reisende dann für 49 Euro im Monat im Rahmen eines Digitalabos Busse und Bahnen im öffentlichen Nah- und Regionalverkehr in ganz Deutschland nutzen. Das Deutschlandticket für 49 Euro soll die Lebenshaltungskosten senken und gleichzeitig den öffentlichen Nahverkehr einfacher, erschwinglicher und damit attraktiver für Pendler in der sogenannten "Autofahrernation" machen.
Falls mehr Menschen vom Auto auf die Bahn umsteigen, soll das Deutschland auch helfen, seine Klimaziele zu erreichen. Fernreisen mit Bussen und Zügen wie dem Hochgeschwindigkeitszug ICE sind allerdings nicht durch das Ticket abgedeckt.
So machen es die europäischen Nachbarn
Im europäischen Ausland gibt es teils deutlich attraktivere Angebote. Luxemburg ist das erste Land, das im März 2020 landesweit kostenlose öffentliche Verkehrsmittel für Einwohner und Touristen einführte.
Und Malta hat im Oktober 2022 auf den meisten seiner Buslinien die kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs für Inhaber einer Chipkarte eingeführt, die gegen eine Registrierungsgebühr von 15 Euro erhältlich ist.
Mehrere europäische Städte, darunter die estnische Hauptstadt Tallinn und Dünkirchen in Frankreich, haben ähnliche Programme eingeführt.
In Österreich können Pendler mit dem KlimaTicket für 1095 EUR pro Jahr alle öffentlichen Verkehrsmittel im ganzen Land nutzen. Es gibt Ermäßigungen etwa für Menschen mit Behinderungen und Familien. In Wien wurde der Preis für eine Jahreskarte für den öffentlichen Verkehr bereits im Mai 2012 auf 365 EUR gesenkt.
Sommerhit 9-Euro-Ticket
Das 49-Euro-Ticket ist der Nachfolger des äußerst beliebten 9-Euro-Tickets, das Ergebnis eines politischen Kompromisses zwischen den Regierungsparteien im letzten Sommer war, um die Lebenshaltungskosten zu senken.
Als die Preise für Benzin und Diesel im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine Rekordhöhen erreichten, schlug die FDP eine Senkung der Mineralölsteuer vor, um die Auto- und Lkw-Fahrer zu entlasten. Im Gegenzug bestanden die Grünen auf einer ähnlichen Unterstützung für die Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs. Von Juni bis August 2022 wurde das 9-Euro-Ticket eingeführt. Nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen wurden über 52 Millionen Fahrkarten verkauft.
"Ich denke, es ist wichtig zu sagen, dass während dieses ganzen Prozesses niemand wirklich innegehalten und das Ticket entwickelt hat", sagte Jon Worth, Experte für Verkehr und EU-Politik in Berlin, der DW. "Das 49-Euro-Ticket wird mit ziemlicher Sicherheit zu dauerhaften Verhaltensänderungen führen, aber was genau diese Änderungen sein werden, wissen wir noch nicht."
Worth, ehemaliger Kandidat der Grünen für das Europäische Parlament, ist "mäßig optimistisch" was das 49-Euro-Ticket angeht. Er sagt, dass die größten Vorteile für lange Pendlerstrecken in Regionalzügen zwischen Städten zu erwarten seien.
Pendler etwa zwischen Aachen und Köln zahlen in der Regel 200 Euro für eine Monatskarte, die nun auf 49 Euro reduziert wird. Es ist jedoch nicht absehbar, ob der Anreiz reicht, um mehr Pendler zum Umsteigen vom Auto auf die Bahn zu bewegen.
"Die Befürworter des Autos argumentieren, dass der Grund, warum die Menschen ihr Auto nehmen, nicht finanzieller Natur ist, sondern die Bequemlichkeit. Wenn der Zug unzuverlässig oder zu voll ist oder vielleicht ein bisschen schäbig, ist es nicht entscheidend, ob er 200 Euro im Monat oder 49 Euro im Monat kostet", sagt Worth.
"Es gibt also ein Argument dafür, dass es besser wäre, in mehr und schönere Züge, WLAN an Bord und zuverlässigere Zugverbindungen zu investieren, anstatt die Preise für bestehende Fahrkarten für Pendler zu senken, die es sich wahrscheinlich ohnehin leisten können."
Kritik am Preis des Deutschlandtickets
Einige Verkehrsexperten sind der Meinung, dass die Kosten für die Finanzierung des 49-Euro-Tickets den potenziellen Nutzen für die Umwelt bei weitem übersteigen, und das zu einer Zeit, in der das öffentliche Verkehrsnetz Investitionen benötige.
Es wird auch kritisiert, dass der Preis des Deutschlandtickets für die Ärmsten der Gesellschaft immer noch viel zu teuer sei, da es keine allgemeinen Ermäßigungen für Studenten oder Menschen mit geringem Einkommen gibt. Greenpeace in Deutschland hat argumentiert, dass ein 29-Euro-Ticket mehr Menschen dazu bewegen würde, es zu kaufen. Die höheren Einnahmen aus dem Ticketverkauf würden den reduzierten Preis ausgleichen.
In der Hauptstadt Berlin können Pendler seit Oktober letzten Jahres mit einer 29-Euro-Monatskarte alle öffentlichen Verkehrsmittel im Großraum Berlin nutzen. Sozialhilfeempfänger können mit dem im Januar eingeführten "Sozialticket" im Wert von neun Euro fahren. Diese Regelung soll bis mindestens Dezember verlängert werden, während das 29-Euro-Ticket im Mai durch das Deutschland-Ticket ersetzt wird.
Die Wissenschaftlerin Claudia Hille hat eine Studie über die Auswirkungen des 9-Euro-Tickets im Sommer in sechs einkommensschwachen Bezirken der Stadt Erfurt durchgeführt. Der Wochenzeitung "Die Zeit" sagte sie, dass das 49-Euro-Ticket nicht zur Lebensrealität von Menschen mit wenig Geld passe, es sei für viele deutlich zu teuer. Viele wünschten sich Ermäßigungen für Kinder, Jugendliche und Rentner.
"Freiheit ist ein Begriff, der häufig fiel. Mit dem 9-Euro-Ticket haben sich die Menschen weniger einsam gefühlt, gerade die Rentnerinnen und Rentner", sagte Hille der "Zeit".
Auswirkungen auf Klimaziele
Trotz seiner Beliebtheit gibt es kaum Belege dafür, dass das 9-Euro-Ticket mehr Menschen dazu gebracht hat, ihr Auto zugunsten öffentlicher Verkehrsmittel stehen zu lassen. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen schätzte, dass die daraus resultierende geringere Autonutzung zu einer Verringerung der CO2-Emissionen um 1,8 Millionen Tonnen in drei Monaten führte.
Die billigeren Fahrscheine führten dazu, dass Menschen mehr Fahrten unternahmen, die sie sonst nicht gemacht hätten. Außerdem waren die Fahrkarten in den Städten doppelt so beliebt wie in den ländlichen Gebieten, was vor allem an den dort fehlenden öffentlichen Verkehrsverbindungen lag.
"Das 9-Euro-Ticket hat den Autoverkehr zwar nicht sehr stark reduziert, aber das war auch gar nicht das Ziel. Niemand wird sein Verhalten aufgrund eines dreimonatigen Experiments langfristig ändern", sagt Worth. Er ergänzt, dass das 49-Euro-Ticket mit ziemlicher Sicherheit zu dauerhaften Verhaltensänderungen führen werde. Allerdings sei mehr nötig, wenn Deutschland seine Klimaziele im Verkehrssektor auch nur annähernd erreichen wolle.
Finanzierung des Tickets
Die Bundesregierung hat für die Jahre 2023 bis 2025 1,5 Milliarden Euro vorgesehen, um das Defizit zu decken, das durch die Senkung der Fahrpreise entsteht - der Rest wird von den Bundesländern getragen.
Es bestehen jedoch bereits Zweifel, ob das Geld ausreicht, um das 49-Euro-Ticket zu erhalten, da die öffentlichen Verkehrsbetriebe verzweifelt mehr Investitionen in die Züge und die Infrastruktur verlangen, während gleichzeitig die Zahl der Fahrten zunehmen wird.
"Das Ziel ist es, das Ticket in den ersten zwei Jahren bei 49 Euro zu halten. Allerdings stehen 2025 die nächsten Bundestagswahlen an. Ich vermute, dass der Preis des Deutschland-Tickets dann ein heißes politisches Thema sein wird", sagt Worth.
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.