Späte Begeisterung
18. Mai 2008Mit Stationen in Hessen, dem Ruhrgebiet und Berlin ist der Dalai Lama derzeit in Deutschland unterwegs. Zwar gab es zwischenzeitlich politische Auseinandersetzungen über den geplanten Empfang durch Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek am Montag (19.05.08) und den damit verbunden chinesischen Protesten, dennoch besteht kein Zweifel: Das geistige Oberhaupt der Tibeter wird in Deutschland gefeiert wie ein Popstar und auch Politiker lassen sich gerne mit dem obersten tibetischen Mönch ablichten.
Von den Grünen hoffähig gemacht
Das war nicht immer so. Eine politische Außenseiterin öffnete dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter vor zwanzig Jahren die Tür zur deutschen Politik. Belächelt von nahezu allen etablierten Parteien, stellte die Grünen-Politikerin Petra Kelly 1986 im Bundestag die erste Anfrage zu Tibet überhaupt. Bis dahin hatte Deutschland den Dalai Lama weitgehend ignoriert. Dass er schließlich eine Rede vor dem deutschen Parlament halten durfte und von Bundespräsident von Weizsäcker empfangen wurde, verdankte er vor allem Kellys Einsatz: "Für diese viel zu langsame Veränderung ist es freilich allerhöchste Zeit, wenn die Welt nicht tatenlos der Vernichtung des tibetischen Volkes und seiner einmaligen Hochkultur zusehen will", befand Kelly damals.
Die ablehnende Haltung, die die damalige konservativ-liberale Bundesregierung Kellys Tibet-Initiativen entgegenbrachte, begann sich in den neunziger Jahren zu ändern. Als der Dalai Lama – inoffiziell, wie betont wurde – mit dem deutschen Außenminister Klaus Kinkel zusammentraf, wollte er seinem deutschen Gastgeber nach tibetischer Tradition einen weißen Schal umlegen. Kinkel verweigerte sich dieser Geste und hätte in diesem Moment kein bezeichnenderes Bild von der Unentschlossenheit der Bundesregierung in dieser Frage abgeben können.
Von Roland Koch verehrt
Sein Nachfolger, der Grüne Joschka Fischer, traf sich mehrmals mit dem Dalai Lama und ließ sich auch den weißen Schal umlegen, während der chinafreundliche Bundeskanzler Gerhard Schröder Kontakte zu Exiltibetern vermied. Heute zählen sich Politiker aller Parteien zu den Freunden des Tibeters. Der prominenteste unter ihnen ist der hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch. "Was mich in der Tat fasziniert, ist, dass er die Interessen seines Volkes repräsentiert, das sich entschlossen hat, unter seiner Führerschaft ausschließlich mit friedlichen Mitteln für den Erhalt der kulturellen Identität zu kämpfen", sagt Koch: "Es gibt viele, die auf der Welt Befreiungsbewegungen gegründet haben. Es sind Bomben geworfen worden für Freiheit und Identität von Völkern und es darf nicht sein, dass die Tibeter mit ihren Interessen untergehen, nur weil sie sich zu dem Weg der Friedfertigkeit entschlossen haben."
Koch war es auch, der im vergangenen Herbst den Kontakt des Dalai Lama zu Angela Merkel herstellte. Merkel hatte sich zuvor schon als Oppositionsführerin mit ihm getroffen. Im vergangenen September empfing sie ihn dann im Kanzleramt - der größte diplomatische Erfolg, den der Dalai Lama bisher in Deutschland feiern konnte. "Obwohl sie Kanzlerin geworden ist, hat sie an unserer alten Freundschaft festgehalten", freute sich der Dalai Lama: "Ich bin sehr glücklich."
Die Koalition ist uneinig
Nicht so glücklich war dagegen der Außenminister. In der China-Politik hatte sich die frühere Rollenverteilung zwischen Kanzleramt und Außenministerium umgekehrt. China reagierte auf die Geste der Kanzlerin äußerst gereizt und nun war es der Außenminister, der davor warnte, China vor den Kopf zu stoßen: "Menschenrechtspolitik ist keine Schaufensterpolitik", kritisierte Steinmeier. "Wir fordern Menschenrechte nicht für die schnelle Schlagzeile zu Hause."
Die Bundeskanzlerin hielt jedoch dagegen: Außenpolitik müsse die Werte und Interessen Deutschlands zusammenbringen, sagte Merkel. "Es geht nicht um Werte einerseits und Geschäfte andererseits.“ Der Empfang des Dalai Lama führte schließlich zu einer mehrwöchigen Debatte über die Grundsätze deutscher Außenpolitik. Um das richtige Verhältnis zwischen Werten und Interessen ging es, um eine angemessene Balance aus stiller Diplomatie und öffentlicher Kritik an Menschenrechtsverletzungen. Aber da war der Dalai Lama längst wieder weg.