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Deutsche beliebter in Großbritannien

Anja Kueppers 12. Mai 2013

Das deutsch-englische Verhältnis war nie einfach: Die Deutschen werden seit Jahrzehnten von den Briten als humorlose Wurstesser verhöhnt. Doch die negativen Klischees wandeln sich - und die Deutschen werden beliebter.

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Die Flaggen Großbritanniens und Deutschlands wehen nebeneinander im Garten von Schloss Bellevue in Berlin. (Foto: Soeren Stache dpa/lbn)
Bild: picture-alliance/dpa

"Hitler", erwiderte eine britische Dame, die in der Nähe der U-Bahn-Station "Baker Street" in London gefragt wurde, was ihr erster Gedanke sei, wenn sie das Wort "Deutschland" höre. "Im Ernst?" fragte der Reporter. Die Frau zuckte die Schultern und eilte davon.

So sah das britische Bild des europäischen Nachbarn seit Ende des Zweiten Weltkriegs aus - wenn auch oft in leicht ironisch abgewandelter Form. Deutsche und Briten kennen den spöttischen Ausdruck "Don't mention the war" ("Erwähn' den Krieg nicht") sowie die im Stechschritt marschierende Hitler-Verkörperung des Komikers John Cleese in der BBC Komödie "Fawlty Towers". Für viele Briten ist es eine Tradition, die Deutschen und ihre preußisch-militärische Vergangenheit zu verhöhnen - meistens, ohne viel über das moderne Deutschland zu wissen.

"Typisch", sagt Peter Watson, ein britischer Autor und Journalist, der weitgehend über deutsche Kultur und geistige Wissenschaft geschrieben hat. "Kürzlich erschien ein Artikel in einem bekannten britischen Boulevardblatt, von einem heutigen Historiker verfasst, der schrieb: 'Deutschland hat endlich erreicht, was es immer wollte: Es dominiert Europa unter Kaiser Merkel'. Das ist eine sehr traurige Einstellung", bemerkt Watson.

Peter Watson lebt in England und schreibt über das deutsch-britische Verhältnis. "Der deutsche Genius: Eine Geistes- und Kulturgeschichte" (Foto: Bert Hulselmans)
In Großbritanniens Geschichtunterricht dominiert die Hitlerzeit, kritisiert WatsonBild: Bert Hulselmans

Nazi-Zeit der Fokus im Geschichtsunterricht

In seinem Buch "Der deutsche Genius: Eine Geistes- und Kulturgeschichte von Bach bis Benedikt XVI." erwähnt Watson einen Jahresbericht der britischen "Qualification and Curriculum Authority" von 2005. Die Behörde hatte die englischen Lehrpläne untersucht. Die Autoren schrieben in ihrem Bericht mit Bestürzung, dass die normale Geschichtsstunde in UK "weitgehend von der Hitlerzeit dominiert sei". Eine britische Umfrage von 1977 über die Frage, ob "Nationalsozialismus oder Ähnliches" in Deutschland wieder erwachen könne, beantworteten 61 Prozent mit "Nein" und 23 Prozent mit "Ja". In einer späteren Umfrage von 1992 stimmten 53 Prozent mit "Ja" und nur 31 Prozent mit "Nein".

Leider sei der negative Fokus der Briten auf die deutsche Rolle im Ersten und Zweiten Weltkrieg so stark verbreitet, so Watson, dass nur wenige von Deutschlands kulturellem Weltbeitrag und der eigentlichen tieferen Verbindung zwischen den beiden Nationen wüssten.

Die Wende von 2006

Auch wenn das negative Weltbild von Deutschland in Großbritannien weiterhin bestehe, so Watson, habe Fußball das Bild der Deutschen enorm verbessert. Die Weltmeisterschaft in 2006 war dabei ein Wendepunkt: "Im gewissen Sinne war dieser Zeitpunkt nicht nur für Deutschland ein entscheidender Wandel, indem es mit sich selber zufriedener wurde, sondern auch, dass dies viele Menschen sehen konnten - nämlich, dass man Spaß in Deutschland haben konnte und dass jedes Fußballspiel nicht gleich wieder als Krieg betrachtet wurde."

Titelseite der Britischen Zeitschrift The New Statesman. "Why can't we be more like Germany?" Warum können wir nicht mehr deutsch sein?, veröffentlicht im Mai 2013
Die Titelseite des New Statesman von Mai 2013

Die Deutschen werden in diesem Monat auch wieder in Großbritannien beneidet, wenn sich zwei deutsche Bundesliga-Fußballmannschaften in der populären Champions League der Europäischen Clubs treffen werden. Diese jüngsten deutschen Fußballerfolge sind nicht das Schlechteste für das deutsche Bild im Ausland.

"Ich war vor sieben Wochen in München, und ich war wirklich beeindruckt von dem Essen und allem anderen", erzählte Arsenal-Clubfan Paul Wheeler der DW. "Weil ich noch nie dort war, wusste ich nicht, was ich zu erwarten hatte. Aber es war wirklich nett. Die Menschen waren großartig - und freundlich. Ich habe zu meiner Freundin gesagt, 'da fahren wir wieder hin.'"

Für den Londoner Peter MacDonald verblasst ein anderes Klischee: "Wir hätten wahrscheinlich vorher gesagt, dass die Deutschen wie Maschinen sind", sagte er zur DW. "Aber das war wohl nur eine schlechte Meinung, die auf Unwissen beruhte, da ich Deutschland nie vorher besucht hatte und auch keine Deutschen kannte."

Selbst britische Medien loben Deutschland

Jetzt haben sogar die kritischen britischen Medien begonnen, etwas Gutes an Deutschland zu finden. Das Deckblatt einer kürzlich veröffentlichten Ausgabe des "The New Statesman", ein respektiertes britisches politisches und kulturelles Magazin mit einer Auflage von einer Viertel Million, fragte: "Warum können wir Deutschland nicht etwas ähnlicher sein?"

Einige britische Unternehmen sind es bereits. Wolfgang Blau, der erfolgreich den Online-Auftritt der deutschen Zeitung "Die Zeit" verbessert hatte, soll nun gleichermaßen bei dem britischen "The Guardian" die Leitung für den Online-Auftritt übernehmen. Der Luxus-Autohersteller Bentley Motors wird von dem deutschen Chef Wolfgang Schreiber geleitet; die Firma selbst wurde 1998 von VW übernommen.

Martin Roth ist Professor und Museumsdirektor am Victoria and Albert Museum in London (Foto: Peter Kelleher)
Roth kann gewisse Kritik an Deutschland verstehenBild: Peter Kelleher

Professor Martin Roth, der deutsche Direktor des urbritischen Victoria and Albert Museums in London, ist ebenfalls ein solcher typischer Fall. Es bestünden durchaus Gründe, warum Briten den Deutschen skeptisch gegenüber stehen, so Roth. "Ich glaube, Deutschland hat einen gewissen Komplex und posaunt stets heraus: 'Wir sind die Besten, die Größten und die Schnellsten.' Und ich denke, dass es für Ausländer oft schwierig ist, diese Haltung zu akzeptieren," erklärte er der DW.

Auch die Würstchen gibt's

Selbst außerhalb der Direktionsetagen scheint die deutsche Küche bei den Briten anzukommen. Das "German Deli", das von zwei deutschen Köchen im Jahr 2004 in Londons gut laufendem Borough Market eröffnet wurde, scheint durchgehend beschäftigt zu sein, und der Verkauf von Frankfurter Würstchen, Sauerkraut und deutschem Senf an Briten und Touristen floriert.

Aber Philipp Dahmen, der deutsche Manager des Geschäfts, der London als seine neue Heimat adoptiert hat, meint, dass seine Landsleute die britischen Provokationen nicht so immer für bare Münze nehmen sollten.

"Die Deutschen sind eben sehr ernst und nehmen sich auch viel zu ernst", sagte Dahmen der DW. "Aber wissen Sie, nicht nur wir sind betroffen - es sind auch viele andere. Sie wissen ja sicherlich, was man über die Franzosen sagt."

Klischees scheinen sich allgemein länger in Großbritannien zu halten - genau wie Bilder und Erinnerung an die Weltkriege. Aber eine jüngere britische Generation wird vielleicht doch eher das modernere Bild von Deutschland annehmen. Und wenn Bayern München in diesem Monat in Wembley gegen Borussia Dortmund im Champions-League-Endspiel antritt, dann kann es gut sein, dass deutsche und britische Fußball-Fanatiker gemeinsam dem Gewinner zujubeln.