Wirtschaft, Wirtschaft - und ein bisschen Migration
17. Dezember 2024"It`s the economy, stupid!" Mit diesem Wahlkampf-Slogan gewann Bill Clinton 1992 die US-Präsidentschaftswahlen. Und er könnte auch für den kurzen Wahlkampf der deutschen politischen Parteien für die Neuwahl des Bundestages im Februar nächsten Jahres gelten.
Nichts beschäftigt die Menschen in Deutschland zur Zeit so sehr wie die kränkelnde Wirtschaft, auch als Folge des Krieges in der Ukraine. Die Deutschen haben Angst vor dem drohenden Verlust von Arbeitsplätzen und vor den hohen Preisen.
Kaum ein Tag vergeht ohne Schlagzeilen über drohende Werkschließungen großer Unternehmen oder über steigende Preise. Stefan Seidler sitzt für die Minderheitenpartei des "Südschleswigschen Wählerverbandes" (SSW) im Bundestag und sagt im Gespräch mit der DW: "Wir merken das bei uns im Norden. Es ist Ebbe im Portemonnaie bei den Menschen, die Preise steigen. Und man kann sich oftmals die alltäglichen Dinge nicht mehr so wie vorher leisten. Da haben wir die größte Herausforderung."
So denken auch die übrigen Parteien im Parlament. Gleich vier von ihnen, die regierenden Sozialdemokraten (SPD), ihr kleiner gegenwärtiger Koalitionspartner, die Grünen, die konservative Opposition von CDU und CSU, sowie die FDP stellten jetzt ihre Wahlprogramme vor. Und setzen Akzente beim Thema Einkommen, Wirtschaft und Jobs.
CDU für Senkung der Steuern für Unternehmen
Einen Befreiungsschlag für die Wirtschaft plant etwa die Union von CDU und CSU: Sie will die Einkommensteuer vermindern und die Steuern für Unternehmen schrittweise auf 25 Prozent senken. Die Union verspricht, wie die SPD, dass die Renten nicht gekürzt werden und lockt mit der Idee, dass Menschen, die über das Rentenalter hinaus noch arbeiten wollen, bis zu 2000 Euro dazuverdienen können. Steuerfrei. Das Problem: Die kühnen Ideen von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz summieren sich auf viele Milliarden Euro und werden sich kaum umsetzen lassen, wenn die Union wie geplant an der Schuldenbremse im Grundgesetz festhält. Merz liegt in den Wähler-Umfragen derzeit weit vorn und hat gute Chancen, nach der Neuwahl am 23. Februar nächster Bundeskanzler zu werden.
Sozialdemokraten wollen das Verbot neuer Schulden aufweichen
Aber noch regieren die Sozialdemokraten mit Bundeskanzler Olaf Scholz an der Spitze. Die Partei setzt auf steuerliche Anreize für die Unternehmen, um zu investieren. Sie will die Schuldenbremse reformieren, um viele Milliarden Euro für dringend nötige Investitionen etwa in die marode Infrastruktur bereitzustellen. Super-Reiche mit einem Vermögen von über 100 Millionen Euro sollen eine Vermögensteuer zahlen.
Im Bundestag kündigte Scholz diese Woche an, den gesetzlichen Mindestlohn noch einmal anzuheben: "Im letzten Wahlkampf habe ich einen Mindestlohn von 12 Euro versprochen, und das Versprechen habe ich gehalten. Deshalb kämpfe ich bei der nächsten Bundestagwahl für 15 Euro Mindestlohn."
Grüne wollen nicht mehr nur für den Klimaschutz stehen
Den Grünen ist in den drei Jahren der Koalition mit der SPD und den wirtschaftsnahen Liberalen von der FDP oft vorgeworfen worden, die Menschen mit ihren ehrgeizigen Plänen beim Klimaschutz überfordert zu haben. Jetzt betonen sie die Wichtigkeit des Abbaus der Treibhausgase wesentlich weniger als im Wahlkampf 2021. Auch die Grünen wollen die Schuldenbremse reformieren, setzten sich für Subventionen von E-Autos ein und schlagen einen neuen "Bürgerfonds" vor, um die Renten zu sichern. Dieser Fonds soll auch aus Staatsgeldern gespeist werden.
Und sie wollen eine "Milliardärs-Steuer", wie Vizekanzler und Spitzenkandidat Robert Habeck in einem Interview mit der Bild-Zeitung sagte. Nach Expertenschätzungen gibt es in Deutschland derzeit 249 Milliardäre: "Wenn man da einen kleinen Anteil ihres Vermögens besteuern würde, dann hätte man ungefähr fünf bis sechs Milliarden Euro", schätzte Habeck. Damit könnte man die Schulen stärken, schlug er vor.
FDP: Werben für eine neue Wirtschaftspolitik
Ähnlich wie die Grünen fordert auch die FDP eine Reform der Rente. FDP-Parteichef Christian Lindner wirbt für die Einführung einer Aktienrente. Die drastischen Forderungen der Liberalen nach eine grundsätzlich anderen Wirtschaftspolitik hatte maßgeblich zum Bruch der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im November geführt. Viele der Forderungen finden sich nun auch im Wahlprogramm wieder. Erleichterungen der Unternehmen bei der Steuerlast etwa und den hohen Energiepreisen, weniger Bürokratie.
Angst vor Krieg, Nein zu mehr Migration
Neben der Flaute in der Wirtschaft werden sicher auch die Sorge um den Frieden durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und das Thema Migration im Wahlkampf eine Rolle spielen. CDU-Kanzlerkandidat Merz will nach dem Sturz des syrischen Herrschers Assad keine weiteren Menschen aus dem Land nach Deutschland kommen lassen: "In jedem Fall ist richtig, jetzt nicht weitere Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen", sagte er in der ARD. In ihrem Wahlprogramm spricht sich die Union für Zurückweisungen von Geflüchteten an den Grenzen aus, so dass die Menschen nicht nach Deutschland gelangen können. Wie die anderen Parteien fordern auch CDU und CSU eine konsequentere Abschiebung von straffälligen Asylbewerben.
Kanzler Scholz wiederum will die Angst der Deutschen vor einer Verwicklung in den Krieg in der Ukraine zum Thema machen. Die SPD will die Ukraine weiter unterstützen, aber keine weitreichenden Raketen liefern, die auch Ziele in Russland erreichen könnten. Genau dafür aber hatte sich Merz in den letzten Monaten immer wieder ausgesprochen.
Andere Parteien im Bundestag wie die in Teilen rechtsextreme "Alternative für Deutschland" (AfD) hatten schon vorher Wahlprogramme vorgelegt. Die AfD spricht sich darin für einen weitgehenden Stopp jeglicher Zuwanderung aus. Alle Parteien wollen ihre Programm noch von Sonderparteitagen im neuen Jahr abstimmen lassen. Bevor es dann in eine kurze, aber hitzige Auseinandersetzung bis zur Bundestagswahl am 23. Februar geht.