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Deutsche Rentner in der Türkei

Susanne Güsten28. Oktober 2008

Alanya an der türkischen Mittelmeerküste. Mediterran oder gar türkisch ist aber schon längst nicht mehr alles in Alanya - vielleicht mit ein Grund dafür, warum sich immer mehr deutsche Rentner hier niederlassen.

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Fischerboote im Hafen von Alanya am Mittelmeer (7.3.2003
Alanya ist für deutsche Rentner ein attraktives ZielBild: dpa

Bei der Bäckerei Dietz in Alanya findet man alles, was das Herz begehrt: Kürbiskernbrot, Sonnenkorn- und Heidebrot, Roggen-, Mehrkorn- oder Sonnenkornbrot, Laugenbrezeln, Wecken - die Auswahl ist riesig. Die Bäckerei ist Teil eines ganzen Wirtschaftssektors, der in den letzten Jahren rund um die Deutschen in Alanya entstanden ist. Um die zehntausend Deutsche leben in dieser Kleinstadt - die meisten von ihnen sind Rentner.

Deutsche Wurst statt Hammelfleisch

Händler und Dienstleister sind ihnen gefolgt. So gibt es in Alanya heutzutage deutsche Metzger, die statt dem landesüblichen Hammelfleisch deutsche Würste und Schweinefleisch anbieten. Auch deutschsprachige Handwerker werben um die älteren Herrschaften, die in Alanya ein Haus oder eine Wohnung besitzen.

Auf neue Zuzügler warten gleich Dutzende Immobilien-Makler, die selbstverständlich deutsch sprechen. Baris Yücel zum Beispiel, er hat sein Büro im Erdgeschoss eines Bürogebäudes in der Innenstadt: "In der ersten, zweiten und vierten Etage sind auch Immobilienmakler, an jeder Ecke ist ein Immobilienmakler. Insgesamt sind es um die 600, und circa 50 von ihnen haben sich nur auf die Ausländer spezialisiert."

Beliebter Alterssitz

Zwei Rentner machen eine Rauchpause (06.06.2003)
Warmes Klima und günstige Immobilienpreise - die Türkei lockt "Best Agers"Bild: dpa Zentralbild

Nicht nur deutsche Rentner zieht es in die Türkei. Die türkische Ägäisküste etwa ist fest in der Hand von älteren Briten, die sich dort Altersruhesitze gekauft und eine englischsprachige Infrastruktur geschaffen haben. An der so genannten türkischen Riviera am Mittelmeer stellen dagegen die deutschen Rentner die Mehrheit. Aber auch Skandinavier, Holländer und zunehmend auch Russen lassen sich im Alter gerne an den türkischen Küsten nieder.

Dabei ist es nicht nur die Sonne, die die Senioren lockt, sondern auch das Preisniveau: Eine kleine Villa mit Meerblick ist in Alanya schon für unter 100.000 Euro zu haben. Für eine 300-Quadratmeter-Luxusvilla mit eigenem Swimming Pool, atemberaubender Aussicht und frischer Meeresbrise, wie sie der Flensburger Kaufmann Karl Gradert bezogen hat, muss man zwar schon etwas mehr hinblättern, doch Gradert ist mit dem Preis zufrieden: "In Spanien oder Frankreich kriegen Sie so ein Haus nicht zu dem Preis, gar nicht dran zu denken, da müssen sie bestimmt 50 bis 75 Prozent mehr bezahlen."

Öffnung des türkischen Immobilienmarkts

Der Kauf selber ist heutzutage nicht mehr der bürokratische Hürdenlauf, der er für Ausländer vor zehn Jahren noch war. Für die türkische Immobilienbranche und die Behörden sind die Rentner aus dem Norden längst zum Alltag geworden. Selbst die früher gefürchtete Prozedur des Grundbucheintrags, das so genannte Tapu, ist heutzutage kein Problem mehr, berichtet Villenbesitzer Gradert: "Sehr leicht, viel einfacher, als wir uns das vorgestellt hatte. Es hieß ja anfangs, mit dem Tapu, das dauert und dauert und dauert - bei uns ging das eigentlich relativ schnell über die Bühne."

Über Vermittlung und Verkauf hinaus bieten viele Makler in Alanya einen weiteren Service an: eine Rundum-Niederlassungsbetreuung, die bis zu einem Jahr währen kann. Das Angebot wird gerne genutzt, sagt Makler Yücel: "Nach dem Grundbucheintrag ist ja noch nicht alles beendet. Da müssen Strom, Wasser, Wohnberechtigung und alles angemeldet werden. Das machen wir. Als Deutscher kann das keiner machen, denn bei den Behörden spricht keiner Deutsch, auch kein Englisch."

Ein Stück Heimat in der Fremde

Mann joggt am Meeresstrand
Die Rentner von heute heißen "Best Agers" und sind topfitBild: AP

Haben sich die Senioren erst einmal in Alanya niedergelassen, können sie sich ganz wie zu Hause fühlen. Viele Supermärkte führen deutsche Waren; mehrere Lokale haben sich auf diese Klientel spezialisiert, servieren Weißbier zum Schweineschnitzel und veranstalten gemütliche Abende. Der deutschen Tierliebe wird mit einem deutsch geführten Tierheim Rechnung getragen, das streunende Hunde von der Straße holt, impft und an deutsche Hundeliebhaber vermittelt.

Mehrere deutsche Lokalzeitungen versorgen die Rentner mit Nachrichten aus Alanya und der Heimat, ein deutscher Pfarrer kümmert sich um ihr seelisches Wohl, und einen deutschen Friedhof gibt es auch schon - die Stadt hat ihn für die christlichen Rentner bereit gestellt, weil sie nicht auf den muslimischen Gemeindefriedhöfen beigesetzt werden können. Nur ein paar Einschränkungen ihres Lifestyles müssen die deutschen Rentner in Alanya in Kauf nehmen, sagt die frühere Frankfurterin Brigitte Rudolf: "Das ist halt ein moslemisches Land, da muss man sich ein bisschen anpassen. Da können Sie nicht halb nackt über die Straße zum Supermarkt laufen oder so, das geht nicht, das gehört sich nicht."