Deutsche Polizisten im Auslandseinsatz
2. April 2014Schwerbewaffnete Männer, Selbstmordanschläge, Explosionen: Mit Afghanistan verbinden viele Deutsche diese Bilder aus den Nachrichten. Von seiner Absicht, ausgerechnet an den Hindukusch zu gehen, hat Matthias Mesus seine Familie daher mit viel Vorlauf informiert. "Die Familie fasst so etwas immer erstmal kritisch auf. Ich habe das zunächst in einem Nebensatz beim Mittagessen fallen gelassen", erzählt Mesus im Gespräch mit der DW. "Es ist wichtig, dass sich die Familie Stück für Stück an den Gedanken gewöhnen kann."
Der inzwischen 32-jährige Polizeioberkommissar hatte sich für einen Einsatz der deutschen Polizei in dem Krisengebiet beworben. Aus Berlin ging es im Dezember 2012 zunächst in das Feldlager im nordafghanischen Kundus, ein halbes Jahr später dann für acht Monate in die Hauptstadt Kabul.
"German Police Project Team" (GPPT) heißt das bilaterale Polizeiprojekt, in dessen Rahmen Mesus eingesetzt wurde. Seit 2002 hilft Deutschland bei der Aus- und Fortbildung der afghanischen Polizei, damit diese letztlich selbst für Sicherheit im Land sorgen kann.
In einer Rede würdigte Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Mittwoch (02.04.2014) die Arbeit der Bundespolizei. Die deutsche Polizeiarbeit genieße im Ausland hohes Ansehen, sagt auch der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt.
Premiere in Namibia
Seit dem ersten Auslandseinsatz in Namibia (1989 bis 1994) waren rund 9000 deutsche Polizisten in insgesamt 28 Missionen eingesetzt. Hinzu kommen Beamte, die mit dem Schutz deutscher Auslandsvertretungen und Diplomaten sowie der Beratung und Unterstützung ausländischer Polizisten betraut sind, beispielsweise an Flughäfen.
Internationale Polizeimissionen erfolgen in den meisten Fällen in Ländern, die nach bewaffneten Konflikten wiederaufgebaut werden. Weltweit sind derzeit 290 Beamte der Bundes- und Landespolizei an zwölf Missionen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union beteiligt, unter anderem auf dem Balkan, in den Palästinensergebieten oder in afrikanischen Staaten. Die Aufgaben teilen sich Bundespolizei, Bundeskriminalamt und die Polizeibehörden der Bundesländer. Finanziert werden die Einsätze über deutsche Steuergelder. Im Gegensatz zu Bundeswehrsoldaten können Polizisten nicht per Befehl ins Ausland geschickt werden. Sie müssen sich freiwillig für eine Mission melden.
Allerdings bedarf ein Auslandseinsatz der Polizei -anders als ein Bundeswehreinsatz - auch nicht der Zustimmung des Bundestags. Der Einsatz erfolgt auf Beschluss der Regierung. "Wir fordern, dass das Parlamentsbeteiligungsgesetz auch bei Auslandseinsätzen der Polizei angewendet werden soll", sagt Andrej Hunko von der Linkspartei. Zudem sei mehr Transparenz nötig.
Der Gewerkschaftschef Wendt kritisiert einen anderen Aspekt: Problematisch sei, dass jeder Polizist, der in einen Auslandseinsatz gehe, in der Heimat fehle: "Wir haben keine zusätzlichen Planstellen zur Verfügung, aber genau das brauchen wir. Sonst bleibt hier die Arbeit liegen, beziehungsweise verdichtet sich für diejenigen, die zu Hause bleiben."
Umstrittene Hilfe
In der Vergangenheit hatten einige Einsätze der Bundespolizei im Ausland für Irritationen gesorgt. Zuletzt wurde nach einer Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele bekannt, dass die Bundesregierung auch Mitglieder der inzwischen aufgelösten berüchtigten ukrainischen Polizeisondereinheit "Berkut" trainiert hat und Ausrüstung wie Schutzhelme und -kleidung an diese lieferte.
In einem ähnlichen Fall hatte das Bundeskriminalamt (BKA) jahrelang weißrussische Sicherheitskräfte ausgebildet, die 2010 brutal gegen Oppositionelle vorgingen, die gegen die Regierung um Präsident Alexander Lukaschenko demonstrierten.
Im autokratisch regierten Saudi-Arabien schulen deutsche Beamte seit Februar 2009 einheimische Grenzschützer - auch in der Bedienung technischer Geräte. Geliefert wird die Technik von Cassidian, einer Tochterfirma des deutsch-französischen Rüstungskonzerns EADS. Oppositionspolitiker bemängelten, dass dieser Einsatz der Bundespolizei offenbar Teil eines privatwirtschaftlichen Geschäfts des Rüstungskonzerns mit dem Königreich sei.
Abzug aus Afghanistan - auch für die Polizei
Ob die Mission der Polizei in Afghanistan ein Erfolg war, lässt sich nur schwer belegen. Der Schwerpunkt der deutschen Polizeiarbeit hat sich inzwischen von der reinen Ausbildung afghanischer Polizisten dahin verlagert, die afghanischen Partner in die Lage zu versetzen, die Ausbildung ihrer Polizeikräfte selbst zu übernehmen und zu unterhalten. Dazu wurden die Mittel für den Polizeiaufbau in Afghanistan seit 2008 kontinuierlich aufgestockt: Von damals 35,7 Millionen Euro auf jeweils 77 Millionen Euro in den Jahren 2010 bis 2013.
67.000 Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für afghanische Polizisten seien im Rahmen des GPPT bislang durchgeführt worden, heißt es aus dem Bundesinnenministerium (BMI), zu dessen Geschäftsbereich die Bundespolizei gehört. Sicherheit herrscht im Land allerdings nicht. Über 4500 afghanische Sicherheitskräfte wurden im vergangenen Jahr getötet. Auch afghanische Polizisten sind immer wieder ein Ziel terroristischer Attacken.
Hinzu kommt, dass die afghanische Polizei im eigenen Land ein schlechtes Image hat. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) kritisierte beispielsweise "Straßenräuber-Abzockerei" durch korrupte Polizeibeamte. Wie die afghanischen Polizisten nach ihrer Ausbildung arbeiten, fällt allerdings nicht mehr in die Verantwortung der deutschen Ausbilder, sondern obliegt dem afghanischen Innenministerium. Von der alltäglichen Polizeiarbeit im Land bekommen die deutschen Polizisten direkt nur wenig mit. Wenn sie sich außerhalb der gesicherten Ausbildungscamps bewegen, dann normalerweise nur in gepanzerten Fahrzeugen, die von der Bundeswehr geschützt werden.
Ende 2014 soll der Großteil der deutschen Soldaten Afghanistan verlassen. Mit ihnen gehen werden wohl auch die meisten deutschen Polizisten. Dies bedeutet aber nicht, dass es in Zukunft weniger Auslandsmissionen für deutsche Polizisten gebe. Im Gegenteil: Die Bundespolizei hat in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben im Ausland übernommen.