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Deutsche haben Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten

9. Oktober 2024

Inflation, Migration, teurer Wohnraum - darüber machen sich hierzulande die meisten Menschen Sorgen. Das zeigt die aktuelle Studie "Die Ängste der Deutschen 2024".

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Hände mit Portemonnaie und einigen Geldscheinen
Bild: K. Schmitt/Fotostand/IMAGO

Wenn den Deutschen etwas Angst einjagt, dann ist es die Sorge vor einem gähnend leeren Geldbeutel. Bereits zum dritten Mal in Folge landete die Furcht vor höheren Lebenshaltungskosten auf Platz 1 im alljährlichen Ängste-Ranking der R+V-Versicherung. Ob nun die Inflation kontinuierlich abnimmt, Unternehmen Inflationsprämien zahlen oder auch die Tarifabschlüsse hoch sind, die Menschen hierzulande bleiben trotzdem skeptisch. 

Denn der ultimative Angst-Indikator wartet an der Supermarktkasse. Er schlägt aus, wenn die Kaufkraft gesunken ist, für den gleichen Preis also nicht mehr so viele Waren im Einkaufswagen landen wie früher. Studienleiter Grischa Brower-Rabinowitsch sagt gegenüber der DW: "Das ist wirklich eine tiefsitzende Angst in Deutschland." In den 33 Jahren seit Beginn dieser Studie sei die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten am häufigsten auf Platz 1 gelandet, insgesamt 14 Mal. "Sobald die Preise steigen, kommt diese Angst wieder hoch."

Dabei hat sich die Stimmung der Deutschen 2024 sogar etwas aufgehellt, der Durchschnittswert aller gemessen Ängste fiel um drei Prozent. Die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten sank bei den 2.400 Befragten sogar um acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ein positives Signal, mit dem die Studienmacher so nicht unbedingt gerechnet hatten.

"Uns hat tatsächlich überrascht, dass insgesamt die Sorgen der meisten Menschen rückläufig sind, auch angesichts der vielen heftigen Diskussionen in den Medien. Nicht überraschend ist, dass die wirtschaftlichen Sorgen nach wie vor hoch sind. Und angesichts der großen Diskussion um die Zuwanderung hat uns auch nicht überrascht, dass diese beiden Themen in der Studie so weit vorne sind."

Themen Migration und bezahlbarer Wohnraum beunruhigen die Deutschen

Beim Thema Migration landeten sogar zwei Ängste auf den Spitzenplätzen: die Sorge vor einer Überforderung des Staats durch Geflüchtete auf Platz Zwei, die Furcht vor Spannungen durch den Zuzug ausländischer Menschen auf Platz Vier. Trotzdem liegen diese Werte weit unter dem Höchststand aus dem Jahr 2016, auf dem Höhepunkt der Zuwanderung nach Deutschland. Ein signifikantes Detail der aktuellen Studie: Die Migration bereitet den Menschen in Ostdeutschland mehr Sorgen als im Westen.

Mann im Anzug schaut in die Kamera
"Wenn es um den eigenen Geldbeutel geht, reagieren die Deutschen sensibel“ - Grischa Brower-RabinowitschBild: R + V

Auf Platz Drei: Die Angst, dass Wohnen in Deutschland unbezahlbar wird, obwohl das Thema hierzulande nicht mehr so medial im Fokus steht. Grischa Brower-Rabinowisch: "Vor zwei, drei Jahren gab es ja noch viele Demonstrationen deswegen, im Moment nicht mehr, weil andere Themen im Vordergrund stehen.  Aber tatsächlich bekommen die Menschen dieses Problem überall in Deutschland mit und registrieren das sehr aufmerksam. Versuchen Sie mal, in Berlin, Frankfurt, München oder Düsseldorf eine Wohnung zu suchen und schauen Sie sich die Preise an."

"Medien beeinflussen die Ängste" 

Mit der Furcht vor Steuerhöhungen oder Leistungskürzungen auf Platz fünf und der Sorge vor einer schlechteren Wirtschaftslage auf Platz acht tauchen noch zwei weitere Wirtschaftsthemen unter den Top-10 der Ängste auf. Dazu passt, dass Deutschland gemessen am kaufkraftbereinigten Bruttoninlandsprodukt auf Platz 21 weltweit abgerutscht ist, laut den neuesten Daten aus dem World Economic Outlook des Internationalen Währungsfonds. Wird die Angst, dass das Portemonnaie am Ende des Monats leer ist und dass außerdem die Migration Deutschland überfordert, auch durch die Presse befeuert? Studienleiter Brower-Rabinowitsch:

"Natürlich beeinflussen Medien mit großer Berichterstattung zu Themen auch die Ängste von Menschen. Das sehen wir über die 33 Jahre, die unsere Studie jetzt läuft, auch immer wieder. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass die Menschen sehr sensibel auf exakte wirkliche Ereignisse reagieren, wie zum Beispiel Preissteigerungen oder Terrorangriffe."

Deswegen ist sowohl die Angst vor Terrorismus als auch vor politischem Extremismus im Vergleich zum Vorjahr am stärksten angestiegen. Vor allem der islamistische Terror jagt den Deutschen Angst ein, dicht gefolgt vom Rechtsextremismus. Dagegen schlagen sich die vielen Hochwasser und Überschwemmungen in diesem Jahr nur wenig in der aktuellen Studie nieder.

"Tatsächlich ist die Angst vor Naturkatastrophen auf Platz 13 und die Sorge vor dem Klimawandel auf Platz 15 abgerutscht. Der Fokus liegt bei den Menschen jetzt woanders. 2010 war die Angst vor Naturkatastrophen auf ihrem Peak und lag 20 Prozentpunkte höher."

Großer Denkzettel für deutsche Politiker

Auch die deutschen Politikerinnen und Politiker dürften sich die Angststudie genauestens durchlesen, denn sie nehmen im Ranking gleichfalls einen prominenten Platz ein. Noch vor der Angst vor einer Spaltung der Gesellschaft rangiert die Furcht, dass die Volksvertreter ihrem Job nicht gewachsen sind, auf Platz 6. Für die Studienmacher ein katastrophales Urteil:

"Jeder Zweite glaubt, dass Politikerinnen und Politiker nicht mehr in der Lage sind, unsere Probleme zu lösen, dass sie überfordert sind. Wir fragen auch noch die Schulnoten zu ihnen ab, und da liegt die generelle Durchschnittsnote für Politikerinnen und Politiker bei einer glatten 4. Jeder Dritte gibt ihnen sogar eine 5 oder 6. Das ist wirklich besorgniserregend."

Porträt eines blonden Manns im schwarzen Hemd
Oliver Pieper DW-Reporter und Redakteur