Deutsche Adler vor Tournee selbstbewusst
25. Dezember 2014Angst und Schrecken verbreiten die einst so dominanten Österreicher bei den deutschen Skispringern nicht mehr. "Es ist an der Zeit für etwas anderes", sagt Deutschlands bester Skispringer Severin Freund offen. Nach sechs österreichischen Gesamtsiegen in Folge will Freund diese Serie bei der Vierschanzentournee (28. Dezember bis 6. Januar) am liebsten selbst beenden. "Relativ groß" sei die Chance, dass am 6. Januar in Bischofshofen erstmals seit dem Finnen Janne Ahonen 2008 wieder ein Springer jubelt, der nicht aus Österreich stammt. "Sie sind von der mannschaftlichen Geschlossenheit nicht mehr da, wo sie mal waren", sagt Freund. Und so führen die Deutschen in der Weltcup-Nationenwertung mit 1610 Punkten aktuell auch deutlich vor Norwegen (1331) und Österreich (1272).
"Aber abgerechnet wird am Ende", betont der neue Cheftrainer des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV), Heinz Kuttin. Der 43-Jährige hat im Sommer das schwere Erbe von Alexander Pointner angetreten und soll Gregor Schlierenzauer und Co. wieder an die Spitze führen. Vor allem das verlorene Teamduell bei den Olympischen Winterspielen hat die Österreicher hart getroffen. Gold in Sotschi war fest eingeplant, doch dann schnappten ihnen ausgerechnet die deutschen Adler Freund, Andreas Wellinger, Andreas Wank und Marinus Kraus den Sieg weg.
Respekt vor Bundestrainer Schuster
"Sie haben sich sehr gut entwickelt und stellen ein sehr junges Team", sagt Michael Hayböck. Als Dritter im Gesamtweltcup ist der 23-Jährige bester Österreicher (433 Punkte) und liegt dabei auch noch knapp vor Freund (4./423). Beide gehören zu den Favoriten auf den Tourneesieg, genau wie Weltcup-Spitzenreiter Anders Fannemel aus Norwegen und der dreimalige Saisonsieger Roman Koudelka aus Tschechien. Doch vor dem Auftaktspringen am Sonntag (16.30 Uhr MEZ) in Oberstdorf fokussiert sich einmal mehr alles auf das ewig junge Duell zwischen Deutschland und Österreich.
Dass in Werner Schuster seit 2008 ausgerechnet ein Österreicher deutscher Bundestrainer ist, bleibt beim kleinen Nachbarn natürlich nicht unkommentiert. "Es war klar, dass sich das irgendwann auszahlt", meint Kuttin, der andersherum auch schon in Deutschland arbeitete. "Man sieht in Deutschland ganz klar eine Entwicklung", sagte der Coach der Österreicher: "Die Mischung aus Jungen und Routinierten stimmt." Der erste Gesamtsieg für einen DSV-Adler seit Sven Hannawald vor 13 Jahren scheint möglich.
Freitag wieder in Topform
Und obwohl die Österreicher aktuell nicht wie einst in breiter Mannschaftsstärke ganz vorne vertreten sind, bleiben sie gefährlich. "Auch Gregor Schlierenzauer kann ganz vorne landen", sagt Schuster. Der 53-malige Weltcupsieger befinde sich zwar in einem Formtief, den zweimaligen Tourneesieger (2012, 2013) abzuschreiben, sei jedoch ein Fehler. "Man hat immer mal gedacht, es wird weniger, sie fangen an zu bröckeln. Aber sie haben wieder drei Springer unter den Top 10 und sind immer noch sehr stark", sagt Freund, der als einziger Deutscher zu den besten Zehn im Weltcup gehört.
Neben Skiflug-Weltmeister Freund könnte vor allem der erstarkte Richard Freitag plötzlich auch bei der Tournee wieder ganz vorne mitmischen. Nach seinem überraschenden Weltcupsieg am Wochenende in Engelberg in der Schweiz gehört der 23-Jährige ebenfalls zu den Podestkandidaten. "Er kann alle ärgern", sagt Schuster. Nicht nur die Österreicher.