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Deutsch-Rapper fordern mehr Empathie

Benjamin Restle22. Oktober 2015

Hierzulande fehlt es noch an Empathie für Flüchtlinge, kritisieren deutsche Hip Hopper. Ihre Musik bewahrt zwar keine Flüchtlingsboote vor dem Kentern - sensibilisiert aber vielleicht für das Leiden der Neuankömmlinge.

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Die Band K.I.Z.
Bild: picture alliance/R. Goldmann

"Denkt ihr die Flüchtlinge sind in Partyboote gestiegen / Mit dem großen Traum im Park mit Drogen zu dealen?" rappt Tarek in einer Mischung aus Wut und Unverständnis. Das Abstempeln von Asylsuchenden als Kriminelle bringt ihn zur Weißglut. Tarek ist Teil der Berliner Rapcrew K.I.Z. (Artikelbild), die mittlerweile ihr fünftes Album "Hurra die Welt geht unter" veröffentlicht hat.

Es ist eine bemerkenswerte Platte, die kommerziellen Erfolg mit scharfsinniger Polemik verbindet. Besonders bemerkenswert: K.I.Z. schalten sich in die gegenwärtige Asyldebatte ein und nehmen dabei kein Blatt vor den Mund. In dem Lied "Was würde Manny Marc tun?" schildern die Musiker aus der Ich-Perspektive die Erfahrungen eines Flüchtlings, der auf der Suche nach einem besseren Leben das Mittelmeer überquert. Doch in Europa angekommen muss er erneut um seine Sicherheit bangen:

Papa verlor ich im Krieg, Mama und Schwesterherz ans Meer
Ihre durstigen Schreie wollte der Schlepper nicht mehr hören
Ich sei der nächste, würde ich nicht aufhören zu heulen
Seitdem weine ich nicht mehr, doch sehe ihn in meinen Träumen
Teil mein Bett mit drei Fremden, weiß nicht genau wo ich bin
Hier gibt es keine Soldaten und trotzdem muss man uns beschützen
Wie soll ich eure Sprache lernen, was ich höre sind jeden Tag die selben Worte:
"Verpisst euch wo ihr herkommt!"

Neuer Rassismus in Deutschland?

Angesichts stetig zunehmender Flüchtlingszahlen und wachsender, teils eklatant rassistischer Proteste gegen Asylsuchende, sind diese Zeilen von trauriger Aktualität. Zumal auch in diesem Jahr immer mehr Brandanschläge auf Asylheime verübt werden. Zuletzt griffen Brandstifter sogar bewohnte Asylbewerberheime an, wie etwa im niedersächsischen Salzhemmendorf. Nur durch Glück wurde niemand verletzt.

Kürzlich warnte Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen sogar vor der Gefahr eines neuen Rechtsterrorismus. Dies gibt Anlass zur Sorge, sagen einige der Musiker, Deutschland gleite in eine fremdenfeindliche Grundstimmung ab, die der in den 1990er Jahren gleichkommt. Damals kam es zu rassistisch motivierten Anschlägen und Mordversuchen. Städte wie Rostock und Mölln werden für immer mit dieser düsteren Zeit verbunden werden.

Die Band K.I.Z.
Die Berliner Rapper K.I.Z. bei einem Konzert 2015Bild: picture alliance/R. Goldmann

Tobias Rapp, der als Musikjournalist für den "Spiegel" schreibt, ist trotzdem hoffnungsvoll: "Wenn ich das vergleiche mit den 90er Jahren habe ich das Gefühl: die Mehrheit der Deutschen kann gut mit den Flüchtlingen leben." Er glaubt nur eine lautstarke Minderheit sei für die Proteste und Brandanschläge verantwortlich. Und die fremdenfeindlichen Umtriebe, wie aktuell wieder die Pegidaaufmärsche in Dresden, stoßen zunehmend auf popkulturelle Gegenwehr - wie etwa aus der deutschsprachigen Rapszene.

Deutschrap: Keine Toleranz für Intoleranz

Nicht nur die Berliner Band K.I.Z. setzt sich für die Flüchtlinge ein, sondern ebenso das in Berlin ansässige Rapduo "Zugezogen Maskulin". In ihrem Song "Oranienplatz" thematisieren die Künstler das Flüchtlingscamp, das 2013 auf dem gleichnamigen Platz in Berlin-Kreuzberge errichtet und im Folgejahr trotz öffentlicher Proteste abgerissen wurde. "Zugezogen Maskulin" kritisieren, dass das Schicksal der Flüchtlinge damals vielen egal war. In ihren Songs kontrastieren sie großstädtische Luxusprobleme mit den harten Erfahrungen der Asylsuchenden. Über ein basslastig-düsteres Instrumental wird gerappt:

Und du kannst dich sonnen in der Wüste/ Pipelines, Söldnerbanden, Helikopterschüsse/ Kauf ich Schuhe von Nike oder Adidas?/Solche Fragen quälen mich/während du ‘ne schöne Bootsfahrt hast

Ihrem Zorn verleihen sie in dem sarkastischen Refrain "Wir haben viel zu viel um euch was abzugeben" nachdrücklich Ausdruck.

Musikalische Kampfansage

popxport 15.01.2015
Die Düsseldorfer Hip-Hop-Band "Antilopen Gang" ist seit 2009 musikalisch unterwegsBild: Thomas Schermer

Während K.I.Z. und "Zugezogen Maskulin" teils wuterfüllt, teils mit bitterer Ironie gegen die Fremdenfeindlichkeit der Rechtsradikalen anrappen, geht die "Antilopen Gang" (Foto) einen Schritt weiter. Ihr Song "Beate Zschäpe hört U2" holt zu einem schonungslosen Rundumschlag gegen den deutschen Alltagsrassimus aus. Im Gespräch mit der Deutschen Welle erklärte Koljah, einer der Bandmitglieder, wie es zu dem Lied kam: "Wir hatten schon länger vor, mal ein Lied zur Thematik Neonazis, Rassismus und NSU zu schreiben. Am Ende wurde das Lied ganz anders als ursprünglich erwartet. Es entwickelte sich zu einer Art Bestandaufnahme von Deutschland im Jahr 2014 bzw. 2015."

Der Song, der nach der mutmaßlichen NSU-Rechtsterroristin Beate Zschäpe benannt ist, "disst" all diejenigen, die Flüchtlinge kriminalisieren und für eine Überfremdung Deutschlands verantwortlich machen wollen. Der Refrain thematisiert die feigen Brandanschläge auf Asylbewerberheime.

Tatsächlich rappen die Musiker auch aus eigener Erfahrung: Bandmitglied Panik Panzer erzählte im Interview mit der Deutschen Welle, dass er früher auch von Rechtsradikalen bedroht worden ist. Dann habe er das Umfeld gewechselte. Ihm sei klar, dass man sich nicht einfach so einer Gefahr entziehen könne: "Opfer rassistischer Gewalt können nicht selbst entscheiden, ob sie sich den Rassisten aussetzen wollen oder nicht."

Die Fantastischen Vier 2001
"Die Fantastischen Vier" waren eine der ersten deutschsprachigen Bands, die Klartext sangenBild: picture-alliance/dpa/H. Boesl

Ein besonders eindringlicher Appell für Menschlichkeit stammt von einem jungen Berliner. Matondo (21) begann schon als Teenager sozialkritische Lieder zu produzieren. Seine Eltern sind in den 1990er Jahren aus dem Kongo nach Deutschland geflohen. Inzwischen ist der angehende Sozialarbeiter Rapper. Auf seinem Track "Kein Mensch ist illegal" (Video) geht er direkt auf die Vorurteile ein, mit denen Flüchtlinge konfrontiert werden. Matondo fordert seine Zuhörer auf, den Asylsuchenden mehr Empathie entgegen zu bringen. Und man solle ihnen das Arbeiten in Deutschland erleichtern. Niemand sei illegal. Europa müsse seine Grenzen öffnen und allen Flüchtenden ein Bleiberecht gewähren.

Deutscher Hip Hop als Rettungsanker?

Dieser Hip Hop knüpft an die sozialkritischen Anfangsjahre des Deutschrap an - und ist damit eine willkommene Abwechslung in dem Musikgenre. In den vergangenen Jahren hat das Gros deutscher Rapper eine gewisse thematische Behäbigkeit an den Tag gelegt. So wird entweder, wie im Gangster-Rap üblich, der Materialismus und das Patriachat glorifiziert. Oder Spaßrapper verdingen sich mit kinderzimmerkonformer Wortspielerei und sinnentleerten Ulkreimen. Beispielhaft für erstgenannte Variante ist das Lied "Panamera Flow" von Bushido featuring Shindy. Mc Fittis Lied "30 Grad" steht exemplarisch für die letztgenannte Option.

Aber es gab auch andere Zeiten. "Als deutschsprachiger Hip Hop anfing in den 90ern, ging das ja los mit politisch bewussten Sachen," erklärt Musikjournalist Tobias Rapp: "Unter den ganz wenigen ersten deutschsprachigen Stimmen, die Hip Hop gemacht haben, waren viele, die über politische Themen und Fremdsein in Deutschland gesprochen haben." Gruppen wie "Freundeskreis" nahmen sich sogar komplexer politischer Themen an, wie der Atomkatastrophe von Tschernobyl oder dem CIA Putsch in Chile im Jahr 1973, so Rapp. Jetzt scheint es, dass einige deutschsprachige Rapper an diese sozialkritische Tradition anknüpfen.

Marcus Staiger, der als Musikjournalist und Labelchef des aufgelösten Royal Bunker Labels eine maßgeblichen Anteil an der gegenwärtigen Popularität von Deutschrap hat, sieht das ähnlich. "Aber es thematisieren noch viel zu wenig Hip Hopper das Flüchtlingsthema," moniert er. Staiger sieht auch, dass sich deutschsprachiger Hip Hop hervorragend für die Beschreibung sozialer Missstände eignet. Allerdings hält er nichts von gerappten Problemlösungsvorschlägen. Die stärksten Texte der Deutschrapper könnten keine komplexen politischen Entscheidungen ersetzen, aber manchem Rap-Fan Denkanstöße geben.